76. An Fräulein von Knesebeck1
nach ihrem kühnen Sprung aus dem Wagen, während die Pferde durchgingen
(März 1773)
Wer hätt's gedacht, daß ich auf meiner Laute
(Sie klingt mitunter ziemlich stümperhaft!)
Mit Pindar je zu messen mich getraute
Zum Lobe preußischer Heroenschaft —
Nicht etwa, wie sie Feinde stürzt und Throne,
Nein! Wie durch eine edle Amazone
Sie Reiz und Anmut eint mit Heldenkraft!
Kalliope, hilf mir würdevoll besingen
Die staunenswerte Unerschrockenheit!
Doch ach! dein Hohngelächter hör' ich klingen,
Daß solch ein Kauz, ergraut im Waffenstreit,
Die Haut voll Runzeln, dem Verfall geweiht,
Sich plötzlich noch will auf zum Dichter schwingen,
Apollos Lyra will zum Tönen bringen.
Doch ob mir auch dein hoher Beistand fehlt,
So hoff' ich, daß mich die Begeisterung trage,
Wenn ich mit schwacher Kunst zu schildern wage,
Wie mich die Tat der Knesebeck beseelt,
Die zu den Zierden unsres Hofes zählt
Und strahlt als größte Heldin unsrer Tage.
1 Wllhelmine von Knesebeck, Hofdame der Königin,Mutter (vgl. S. 209). Auch nach deren Tode verblieb sie, mit einer Pension vom König ausgestattet, am Hofe. Sie starb 1802.