<50>Als Macht und Geist dann wurde von Athen
Nach Rom verpflanzt, sah man in Latium
Der großen Männer viel erstehn:
So Cicero, verfolgter Unschuld Hort,
Der die Bedrücker mit dem Donnerwort
Zerschmetterte, er, der in Tuskulum
Den Irrtum niederschlug, in Zweifel stellte
Und prüfend wog, eh' er sein Urteil fällte.
Cato, der unbeugsame Stoiker,
War Cäsars Feind, doch seines Dolches Herr.1
Und du, machtvoller Geist, Bezwinger stets
Des Vorurteils, unsterblicher Lukrez,
Dem Wahrheit ihre Fackel anvertraute,
Du, der die Binde frommen Wahns zerriß
Und sich zu Füßen tot den Drachen schaute
Des Schwärmertums, gehüllt in Finsternis —
Ihr dankt es alle, drangt so weit ihr vor,
Der Freiheit, die der Enkel blöd verlor!

Heut kriecht im Staube Rom vor andren Mächten;
Von Kaisern nicht, von Priestern läßt sich's knechten.
Ein dreister Pfaff, bald trotzig, bald verbuhlt,
Besorgt im Vatikan die Glaubenssachen;
Des frommen Bannsirahls Donner läßt er krachen,
Verquickt mit Politik des Himmels Huld.
Die tollste Ehrsucht ist bei ihm zu Haus;
Mit Märchen, Ränkespiel und Höllengraus
Lehrt schlauer Geiz und nackter Eigennutz
Der irrgeführten Welt des Glaubens Pflicht,
Und tut es not, so leiht ein Blutgericht,
Inquisition, ihm seinen Höllenschutz.
Dies schnöde Tribunal verurteilt dreist
Und blöd die Unschuld und verfemt den Geist,
Straft Logik mit dem Feuertod, verbrennt
Den Denker und mit ihm sein Argument.
Doch blind beugt sich Europa und bewundert
Des Papstes Machtspruch; noch ertragen hundert
Völker und Könige sein Regiment...


1 Vgl. weiter unten S. 194 ff.