20. Die Reise nach Straßburg1
(Anfang September 1740)
Ich habe soeben eine Reise beendigt, die mit merkwürdigen, zuweilen unangenehmen und öfters spaßhaften Abenteuern verquickt war. Sie wissen, daß ich nach Bayreuth gereist war, um eine Schwester wiederzusehen, die ich liebe und hochschätze. Unterwegs zogen Algarotti und ich die Landkarte zu Rat, zur Feststellung des Weges, den wir einzuschlagen hätten, um nach Wesel zu gelangen. Man sprach von Frankfürt am Main, und da es uns auf der Karte so erschien, als ob der Umweg über Straßburg nicht allzu groß sein könnte, gaben wir ihm den Vorzug. Wir entschlossen uns zum Inkognito, wählten die Namen, machten uns eine Fabel zurecht; kurzum, nachdem alles aufs beste geordnet und abgeredet war, glaubten wir in drei Tagen nach Straßburg zu kommen.
Doch gab des Himmels Allgewalt
Dem Ding veränderte Gestalt.
Mit magren Kleppern, die entstammt
In grader Linie von Rosinanten,
Mit Bauern, die sich Kutscher nannten
Und freche Tölpel waren insgesamt,
Im Wagen, der beständig stecken blieb
Und stieß an alle Felsenkanten,
Schwerfällig trottend, nahmen wir fürlieb.
Die Luft, von Blitz durchzuckt und Donnergrollen,
Das Regenmeer, zur Sintflut angeschwollen,
Schien uns den Untergang der Welt zu drohn;
So gingen uns vier gute Tage
All unsrer Ungeduld zum Hohn,
Schmerzlich verloren durch des Weges Plage.
Außerdem aber erwarteten uns noch schrecklichere Herbergen.
1 Nach einem Besuch bei seinen Schwestern in Bayreuth und Ansbach hatte König Friedrich auf dem Wege nach Wesel einen Abstecher nach Straßburg gemacht, wo er am Abend des 23. August 1740 eintraf und bis zum Spätnachmittag des 25. blieb. Die obige Schilderung sandte er an Voltaire.