Einleitung des Herausgebers
Während die Oden und Episteln, die der 9. Band unserer Ausgabe enthält, den Charakter von Lehrgedichten tragen, bringt der vorliegende Band eine von Poesien, die einer besonderen Stimmung, einer bestimmten Situation Entstehung verdanken und sich so als Gelegenheitsdichtungen kennzeichnen. Die chronologische Anordnung der Gedichte gewährt uns die Möglichkeit, Friedrichs Entwicklung und seine Lebensschicksale von seiner Jugend bis in das hohe Alter zu verfolgen.
Soweit Erläuterungen sich als notwendig erwiesen, sind sie als Fußnote zu jeder einzelnen Dichtung hinzugefügt worden. Indes erscheint es wünschenswert, noch einige allgemeine Gesichtspunkte an dieser Stelle hervorzuheben.
In dem Zyklus der Jugendpoesien beansprucht die „Epistel über die Menschlichkeit“ (Nr. 13) durch das Bekenntnis, das Friedrich über seine Auffassung des Fürstenberufes ablegt, besonderes Interesse. So kündigt sich in ihr bereits der „Antimachiavell“ an. In den Gedankenkreis dieser Schrift gehören dann sowohl die Verse „An Algarotti“ (Nr. 16), wie die ebenfalls 1740 entstandene „Epistel über die Falschheit“ (Nr. 33), die zehn Jahre später einer Umarbeitung unterzogen wurde.
Den Höhepunkt erreicht die dichterische Tätigkeit des Königs während des Siebenjährigen Krieges.1 Zwei Epochen sind es, die besonders hervortreten: die erste nach der Niederlage bei Kolin, die seine stolzen Hoffnungen auf Österreichs Niederwerfung zertrümmerte und den Staat an den Rand des Verderbens führte. Zu den düsteren Poesien dieser Zeit stehen die Siegeslieder nach Roßbach und Leuthen in wirksamstem Kontraste. Das Gegenstück zu der Krisis des Herbstes 1757 bildet sodann der Ausgang des Jahres 1761. Trotz aller bisher errungenen Erfolge scheint abermals alles verloren; denn immer mehr versiegen die Kräfte Preußens. Todesgedanken beherrschen den König. Da bringt die Rettung der Tod der Kaiserin Elisabeth von Rußland und die Thronbesteigung Peters III., der dem Bunde mit Österreich und Frankreich entsagt.
Die Stürme und Schrecken des Krieges haben den Frohsinn aus der Seele des nicht ganz zu bannen vermocht. Gerade aus den Gedichten der nächsten
1 Das Friedrich sich auch am Vorabend von Schlachten mit poetischen Versuchen beschäftigt habe, ist eine Behauptung, die längst widerlegt ist.