<4>

3. An Frau von Wreech4-1
(1731/32)

I
Geständnis

Durch Deine Huld, 0 Herrin, mög's mir verstattet sein,
In diese lautre Wahrheit Dich offen einzuweihn:
Seitdem ich Dich gesehen, dahin ist meine Ruh,
Durch Dich ist es geschehen, und dessen wert bist Du.
Mein Herz hat es erfahren, es traf zu gut der Pfeil,
Die Freiheit ist verloren, und Knechtschaft ist mein Teil.
Wiewohl mit jeder Stunde ich reife mehr zum Mann,
Sieht es die Welt als Schwäche und als verächtlich an.
Doch was als schwach sie tadelt, ich will es höher preisen
Als jene Herzen, fühllos wie Felsgestein und Eisen.
Und wenn man es auch Sünde und schlimmer nennen wollt,
Um Dich will ich sie tragen; denn Du bist allzu hold.
Ich fühle, daß ich selber nicht fähig bin, zu sagen,
Wie stürmisch meine Pulse für Dich allein nur schlagen.
Ein Glück, ein hohes, ist es, ein Unglück auch, zu lieben;
Bald macht die Liebe selig, bald muß sie uns betrüben.
Sei Du mein Schicksal! Reiß mich aus meiner Qual, der bangen!
Denn nur aus Deinen Händen will ich mein Los empfangen.
Dein Sklave will ich bleiben, in Deinen Banden schmachten
Und nie nach andrem Lose, nach andrem Titel trachten.
<5>Sagt' ich zuviel? Dann setze Du meiner Kühnheit Schranken!
Ich Hab' ja still geschwiegen, gefesselt die Gedanken,
In Anschaun ganz versunken, als ich Dich hier gesehn;
Du schienst mir eine Göttin — laß es mich Dir gestehn.
So nimm denn jetzt, o Herrin, ein Herz, das allzu zart
Und allzu ungeduldig nur der Erlaubnis harrt,
Dich oftmals zu begrüßen, Dir huldigend zu nahn,
Was noch zu dieser Stunde es zögernd nur getan.
Ich zähle die Minuten, ja jegliche Sekunde;
O, werde die Entscheidung mir bald aus Deinem Munde.
Dann will ich also handeln, wie Du es mir bestimmt.
Ich fürchte nur, mein Schicksal, es ist auf mich ergrimmt;
Doch mag es mir auch feindlich bereiten Not und Pein,
Trotz allem wirst Du sehen, ich kann auch standhaft sein.
Sollt“ ich auch schlechte Botschaft jetzund von Dir empfangen,
Es muß am letzten Ende Geduld zum Sieg gelangen.

Zuviel schon, was ich sagte, von Leidenschaft verführt;
Ich fürchte sehr, ich habe Dich gründlich ennuyiert.
Doch glaube mir das Eine: von Dir erfüllt und rein,
Wird sich mein Herz nicht wandeln und stets das gleiche sein.

II
Stanzen

Von Deiner Schönheit Reiz berückt,
Von Deiner Verse Kunst entzückt,
Kenn', Iris, ich, beim Zeus, kein Grauen,
Dem ich nicht trotzte, Dich zu schauen.
Mit Deinen Augen zwingst Du alle Herzen Dir —
So rühmt sie alle Welt als stolzes Siegspanier.

Da Du es Dir gemacht zur Pflicht,
Der Tugend sprenge Regeln nicht,
O strenge Schönheit, zu versehren,
Muß ich aufs höchste Dich verehren.
Da Tugend selten nur mit Schönheit sieht im Bunde,
Sing' ich Dir Lob und Preis heut und zu jeder Stunde.

<6>

III
Abschied (mit Übersendung seines Bildes)

Nimm als Gesandten dieses Bildnis hin.
Als zager Dolmetsch dient ihm dieses Lied:
Es sage Dir als meiner Siegerin,
Wie tief in Deine Fesseln ich geriet,

Wie mir Dein Reiz bestrickte Herz und Sinn:
O welche Lust, wenn mir mein Los beschied,
Daß ich nun, wie mein Bild, so glücklich bin —
Doch still, mein Bote! Sagt zuviel Dein Lied,

Trotz Brief und Vollmacht wirst Du fortgesandt,
Als Heimatloser irrst Du dann durchs Land.
Laß Dich erraten, aber bleibe stumm;

Sag' nicht, Du liebst und werdest immer lieben,
Und da dem Tode alle wir verschrieben,
Stirb, doch verberge Dein Martyrium.


4-1 In die dunklen Küstriner Tage fällt das heitere Idyll, dessen Mittelpunkt die junge Schloßherrin von Tamsel, Luise Eleonore von Wreech (1708—1764), die Gemahlin des Obersien Adam Friedrich von Wreech, bildet. In den letzten Augusttagen 1731 war Kronprinz Friedrich zum erstenmal in Tamsel. Das „Geständnis“ ist etwa Mitte Ottober abgefaßt, etwas später die „Stanzen“. Mit einem Abschiedsbrief vom 10. Februar 1732 sandte er ihr sein Miniaturbild, das ein „Sonett“ begleitete. Am 26. Februar erfolgte die Rückkehr des Prinzen nach Berlin.