<63>

Zweites Buch
Der König

<64><65>

19. An Voltaire
(12. Juni 1740)

Nicht vom Remusberge mehr,
Wo ein stiller, holder Frieden
Meinem Fleiße war beschieden,
Rührt dies Versgestammel her;
Denn der König und der Dichter
Sind in diesem Augenblick
Eines nur: mein herb Geschick
Hebt mich auf die Höhe jetzt,
Wo der Herrscher ward zum Richter
Über Hader und Verbrechen
Von den Völkern eingesetzt,
Streng des Frevlers Schuld zu rächen
Und den armen Menschenkindern
Alle Sorg' und Not zu lindern.
Meinem Volk, an dem ich hänge,
Diesem Gotte will ich dienen.
Lebt denn wohl, ihr heitren Klänge,
Verse, Flöte, fort mit ihnen!
Alle Kurzweil, selbst Voltaire,
Sei verbannt: die Pflicht allein
Soll mein Gott, mein höchster, sein!
Ach wie drückt die Krone schwer!
Welche Mühsal, Sorg' und Pein!
Doch geschah dem Gott genug,
Eil' ich, mein Voltaire, im Flug
Wiederum an Deine Brust:
Du getreuer Freund, Du mußt
Dann den Jünger unterrichten
In den hehren Königspfiichten.

<66>

20. Die Reise nach Straßburg66-1
(Anfang September 1740)

Ich habe soeben eine Reise beendigt, die mit merkwürdigen, zuweilen unangenehmen und öfters spaßhaften Abenteuern verquickt war. Sie wissen, daß ich nach Bayreuth gereist war, um eine Schwester wiederzusehen, die ich liebe und hochschätze. Unterwegs zogen Algarotti und ich die Landkarte zu Rat, zur Feststellung des Weges, den wir einzuschlagen hätten, um nach Wesel zu gelangen. Man sprach von Frankfürt am Main, und da es uns auf der Karte so erschien, als ob der Umweg über Straßburg nicht allzu groß sein könnte, gaben wir ihm den Vorzug. Wir entschlossen uns zum Inkognito, wählten die Namen, machten uns eine Fabel zurecht; kurzum, nachdem alles aufs beste geordnet und abgeredet war, glaubten wir in drei Tagen nach Straßburg zu kommen.

Doch gab des Himmels Allgewalt
Dem Ding veränderte Gestalt.
Mit magren Kleppern, die entstammt
In grader Linie von Rosinanten,
Mit Bauern, die sich Kutscher nannten
Und freche Tölpel waren insgesamt,
Im Wagen, der beständig stecken blieb
Und stieß an alle Felsenkanten,
Schwerfällig trottend, nahmen wir fürlieb.
Die Luft, von Blitz durchzuckt und Donnergrollen,
Das Regenmeer, zur Sintflut angeschwollen,
Schien uns den Untergang der Welt zu drohn;
So gingen uns vier gute Tage
All unsrer Ungeduld zum Hohn,
Schmerzlich verloren durch des Weges Plage.

Außerdem aber erwarteten uns noch schrecklichere Herbergen.

<67>

Denn Wirte voll Gewinnbegier,
Die uns, schon nahe dem Verschmachten,
So schlecht wie möglich unterbrachten
In einem greulichen Quartier,
Brandschatzten uns, vergiftend unsern Magen.
Lukull, wie anders war's in deinen Tagen!

Unser Aufzug muß sicherlich einen höchst seltsamen Eindruck gemacht haben, da man uns an jedem Ort, wo wir durchkamen, für etwas anderes hielt.

Wir mochten Könige den einen,
Den andern Strolche feinster Art,
Den Dritten Wohlbekannte scheinen;
Das Volk war manchmal dicht geschart,
Um in die Augen uns zu gaffen
Mit kecker Neugier wie Schlaraffen.
Mein forscher Italiener67-1 fluchte,
Dieweil ich's mit Geduld versuchte,
Der jugendliche Graf67-2 mit Scherzen,
Der große Graf67-3 sich räkelte
Und als ein Christ in tiefstem Herzen
Am Reiz der Fahrt nach Frankreich mäkelte.

Endlich erreichten wir den Ort,

Wo die Besatzung, schlaff und schwach,
So kläglich öffnete die Tore
Gleich nach dem allerersten Krach
Französischer Kanonenrohre.67-4

Sie erkennen ohne Zweifel Kehl an meiner Beschreibung. Hier fragte uns der Postmeister, umsichtiger als wir, ob wir mit Passen versehen wären.

Nein, sprach ich, den Erwerb von Pässen
Verschmähten wir als Narrenstreich.
Man darf sie, glaub' ich, nicht vergessen,
Wenn man den Weg aus Plutos Reich
Zurück ins Leben will durchmessen;
Doch wer aus Deutschland zu der losen
Und heitren Liebesinsel reist
Von euren flotten Herrn Franzosen,
<68>Dem wird ein Antlitz, rund und dreist
Und bacchisch rotgefärbt, genügen
Als Paß, wie er sich in den Zügen
Unsrer Gesellschaft Ihnen weist.

Nein, meine Herren, sagte er uns, kein Heil ohne Paß. Da entschlossen wir uns, selbst uns welche zu verfertigen, wobei das preußische Wappen in meinem Siegel-

ring uns glänzenden Beistand leistetet.68-1 Wir trafen in Straßburg ein, und der Grenzhauptmann und der Zollbeamte schienen von unseren Beweisstücken beftiedigt.

Das Diebszeug spionierte scharf,
Indem's ein Aug' nach unfern Pässen
Und eins auf unsre Börse warf.
Das Gold, auf das man bauen darf
In jedem Fall, mit Hilfe dessen
Jupiter Danae besessen,
Das Gold, das Cäsarn Völkermassen
Zu eigen gab, die Göttermacht
Von Mars und Amor läßt erblassen,
Das Gold, es hat uns vor der Nacht
In Straßburgs Mauern eingelassen.
Hier sah ich die Franzosen endlich,
Die klangvoll Ihre Leier preist,
Ein Volk, den Briten unverständlich,
Die gallig macht ihr trockner Krämergeist;
Diese Franzosen, die ohn' Unterschied
In deutschen Augen der Vernunft entbehren,
Sie, deren Liebe könnt' Geschichte lehren,
Nicht Liebe, die verweilt, nein, die entflieht;
Dies Volk, so toll, galant und jäh,
Sangwütig bis zum Überdruß,
Im Glück anmaßend stolz, geduckt im Weh,
Von unbarmherz'gem Redefluß,
Um seiner Bildung Hohlheit zu verstecken;
In lauter Firlefanz vergafft,
Der einzig sein Gehirn kann wecken,
Leichtsinnig, unklug, plauderhaft
Und Wetterfahn' in jedem Windgetose.
Die Cäsarn stehn den Ludwigen im Licht,
Vor Rom versinkt Paris ins Wesenlose.
<69>Nein, Sie sind kein gewöhnlicher Franzose:
Sie denken; jene denken nicht.

Verzeihen Sie mir, lieber Voltaire, diese Definition der Franzosen; zum mindesten sind es nur die von Straßburg, von denen ich spreche. Um Bekanntschaften zu machen, ließ ich gleich nach unserer Ankunft einige Offiziere einladen, die mir unbekannt waren.

Und richtig, drei auf einmal nahten,
Vergnüglicher als Potentaten;
Mit heisrer Stimme sangen sie
In Versen ihre Liebestaten
Nach einer Walzermelodie.

Herr de la Crochardiere und Herr Malosa69-1 kamen gerade von einem Diner, wo man mit dem Wein nicht gespart hatte.

Auflodern sah ich ihrer Freundschaft Brand,
Als Busenfreunde mußten wir erscheinen;
Der Abschied aber riß entzwei das Band,
Die Freundschaft, nicht von uns betrauert, schwand
Mitsamt dem Spiel, den Speisen und den Weinen.

Am Tage darauf wollte der Herr Gouverneur der Stadt und der Provinz, Marschall von Frankreich, Ritter hoher Orden usw.

Der stets erwischte General,69-2
Der zu des jungen Ludwig Qual
Sich hosenlos beiseite stahl,
Um in Italien sich zu wahren
Vor Östreichs rauhen Kriegerscharen,

dieser General wollte wissen, was es mit diesem Grafen Dufour für eine Bewandtnis hätte, diesem Fremden, der kaum angelangt, sich mit der Einladung einer Gesellschaft von Leuten befaßte, die er nicht kannte. Er hielt den armen Grafen für einen Beutelschneider und riet Herrn de la Crochardiere wohlweislich, ihm nicht auf den Leim zu gehen. Unglücklicherweise tat dies der gute Marschall selbst.

Sein Los war, überrascht zu werden.
Mit grauem Bart und weißem Haupt
Wußt' er sich würdig zu gebärden.
Doch täuscht sich, wer dem Anschein glaubt;
Wer eines Werks und Autors Wesen
Wähnt aus dem Einband zu verstehn,
<70>Braucht eine Seite nur zu lesen,
Um seinen Irrtum einzusehn.

Davon konnte ich mich überzeugen; denn seine Bedeutung bestand nur in seinen grauen Haaren und seiner baufälligen Erscheinung. Seine erste Anrede verriet ihn; es ist wirklich nicht viel Staat zu machen mit diesem Marschall,

Der, von der eignen Größe trunken,
Mit seiner unbegrenzten Macht
Und seinen Titeln liebt zu prunken.
Er nannte mir die Seitenzahlen,
Wo seines Namens wird gedacht,
Ward müde nicht, mir vorzuprahlen,
Wie seine Gaben sich erprobt
Und Frankreich Heil durch ihn erfahren,
Uneingedenk, daß vor drei Jahren
Man seine Klugheit nicht gelobt.

Nicht zufrieden, den Marschall gesehen zu haben, sah ich auch die Wache aufziehen,

Franzosen, die nach Glorie dürsten,
Besoldet mit vier Sous den Tag,
Den Helden Nachruhm spendend und den Fürsten,
Vom Sieg gekrönte Sklaven, arme Herden,
Bestimmt, vom Hof gelenkt zu werden
Mit einem bloßen Trommelschlag.

Das war der Augenblick meines Verhängnisses. Ein Deserteur von unseren Truppen bemerkte mich, erkannte mich und gab mich an.

Ich fiel dem Galgenvogel auf:
Da war's vorbei, man roch den Braten;
Blind nahm das Schicksal seinen Lauf,
Und das Geheimnis war verraten.

<71>

21. An Jordan
(10. Juni 1742)

Als ich geboren ward, ward ich der Kunst geboren,
Die heiligen neun Schwestern reichten mir die Brust,
Und für des Herrschers Hochmut schien dies Herz verloren,
Das voller Mitleid war und kindlich unbewußt.
Die ganze Welt war mir ein Garten duft'ger Blumen,
Die voller Zärtlichkeit mein durstig Aug' umfing,
Und Kränze wand ich, streute Vögeln Krumen,
Und dachte Mädchen, wo ich stand und ging.

Da riß das Schicksal mich aufs große Welttheater,
In der Tragödie „Krieg“ ward mir der Heldenpart;
Mein Ruhm brach auf wie Lava aus umwölktem Krater
Und riß mich sonnenwärts in unerhörter Fahrt,
Und als ich einmal erst geopfert am Altare,
Darauf das süße, heiße Ruhmesfeuer glomm,
Da schwieg das Schäferlied vorm Gellen der Fanfare,
Und immer schnellern Schritts ich aufwärts klomm.

Doch bald erkannte ich des Ruhmes wahres Wesen:
Ein Leviathan schwamm er in dem Meere Blut,
Zerfetzte Leiber sah ich rings um ihn verwesen,
Die seinem grausen Dienst geschlachtet als Tribut.
Sein Schlummerlied blies ihm betäubend die Drommete,
Sein Denkmal türmte er aus dem, was er geraubt;
Als Weihrauch schlürfte er den Rauch verbrannter Städte,
Aus Tränenkraut fiocht er den Kranz ums wilde Haupt.

Nein, meinem Herzen fremd sind Neros Grausamkeiten,
Und meiner Freunde Blut ist diesem Herzen Gift.
<72>Schreibt denn auch Ablaßbriefe für dies Streiten,
Der für die Ewigkeit aufzeichnet, Klios Stift?!
Ach, für die Ewigkeit? Was bleibt wohl noch in Ehren
Von all den tausend Heldentoden dieser Zeit?
Glaubt ihr, der Heldentod von jenen alten Heeren
Erlosch vorm Ruhm der Welt, in der ihr seid?!

Ihr sterbt, und mit euch stirbt der lorbeerreiche Name,
Den schon bei Lebenszeit der gelbe Neid bekriegt!
Auf eurem Grabe wuchert wild wie Unkrautsame
Verleumdung, die ihr Haupt in giftgen Blumen wiegt.
Nein, glücklich ist nur der, der sich als Los erkoren
Ein stillverborgnes Glück und stillzufriednen Sinn;
Man kannte mich doch nicht, eh' ich zur Welt geboren,
Was tut's, ob man mich kennt, wenn ich gestorben bin?

<73>

22. An Voltaire73-1
Über die unbilligen Urteile der Welt über die Staatslenker
(25. Juli 1742)

Wie lange noch, sag' an, wird sich die Leier dein,
Der Ewigkeit geweiht, für Österreich entweihn?
Sag' an, welch falscher Gott ergriff dich statt des wahren?
Als Kämpe frondest du der Tochter der Cäsaren!
Ward denn in diesem Rausche
Die Liebe dir zum Tausche,
Als die Vernunft dahingefahren?

Hört ihr den feilen Schwarm? Gewinnsucht läßt sie schreien.
Schamlose Schwätzer sind's, der Lüge Papageien.73-2
Dies Hohepriestertum, bestellt von Mammons Gnaden,
Verpestet alle Welt mit seinen Opferfiaden.
Und alle Winde eilen,
Die Düfte zu verteilen,
Mit Lug und Fabeln schwer beladen.

Der Pöbel hängt am Schein. Leichtfertig allezeit,
Schwimmt er im breiten Strom der Oberflächlichkeit.
Im Spiel der Leidenschaft läßt er dahin sich treiben
Und wird sich allemal dem Überschwang verschreiben.
Was gestern hat gegolten,
Wird heute schon gescholten —
Der Tadel aber wird dir bleiben . . .
<74>Ich ruf' euch, Richelieu! Don Haro!74-1 Große Seelen!
Hellt auf, was Nacht und Graun bedecken und verhehlen.
Laßt dringen unfern Blick bis in die Herzensfalten
Der Männer, welche heut' an eurer Stelle walten.
Laßt unser Auge schauen,
Was eure Jünger brauen
Und was sie tief verborgen halten.

Schon hat den Mann des Trugs mit ihrer sichern Hand
Die Wahrheit zum Gericht aus Nacht hervorgebannt.
Wie täuschte uns das Bild, das sich von außen bot!
Wer unterdrückt erschien, erweist sich als Despot;
Entlarvt wird der Verbrecher,
Der eben noch mit frecher
Gewalt die Unschuld hat bedroht.

Doch horch! Wer ruft mir zu? Ich höre Pallas' Stimme:
„Belehre, kläre auf sie alle, die die schlimme
Verleumdung hat berückt. Den Trug gilt's aufzudecken.
Das Preußenbanner will die Hölle dir bestecken.
Dein Vaterland zu rächen,
Laß laut die Wahrheit sprechen,
Laß sie die Lüge niederstrecken.“

Du stolzes Österreich, vom Römeraar getragen,
In Eisen möchtest du die armen Deutschen schlagen.
Der Schmied ist schon am Werk, die Sklavenkette droht,
Doch anders ordnet es des Schicksals Machtgebot.
Um Hilfe uns zu schaffen.
Steht eine Welt in Waffen;
Ringsum bist du von Glut umloht.

Ein altes Erbe war an dein Gebiet gebunden,
Der Väter Schwäche einst durch Übermacht entwunden,
Dein Zepter drückte hart das mir selbeigne Land.
Jedoch der Unschuld Recht lieh Stärke meiner Hand:
Für Ungarns Königin
Fuhr Schlesien dahin
In zweier harten Schlachten74-2 Brand.
<75>Im alten Königsbau, des Louvre Prachtpalast,
Trägt Frankreichs Atlas75-1 stark des großen Reiches Last.
Unsterblich ist sein Leib, die Seele göttlich hell,
Dank Isis und Apoll und dank Machiavell.75-2
Mit gleißender Gebärde
Täuscht Himmel er und Erde,
Der Falschheit unergründter Quell.

Des Bunds Gefährten hält er hundertfach umsponnen,
Lohn lockt und Ehrgeiz sie; der Sieg scheint ihm gewonnen,
Europa sieht er schon im Bann der Dienstbarkeit.
Da wendet sich das Glück, und schnell ist er bereit,
Wie Spanien noch eben75-3
So heute preiszugeben
Des Kaisers75-4 Thron im Massenstreik.

Ich sah voraus! Und eh' der Blitzstrahl niederfuhr,
Begegn' ich dem Verrat auf seiner finstern Spur.
Auf Fargis75-5 dort in Wien kann zum Beweis ich zeigen —
Ich scheid' aus Fleurys Bund und aus dem blut'gen Reigen;
Im Kampfe um die Beute
Laß ich die grimme Meute,
Mir ward des Friedens Los zu eigen.

Triebfedern spielten hier, profanem Blick verhüllt,
Chimären wirr und wild, Entwürfe trugerfüllt.
Ihr armen Sterblichen! Als dieser Erde Götter
In Anbetung verehrt, und doch das Ziel der Spötter!
Den Lästerzungen allen
Als Opfer heimgefallen,
Harrt ihr umsonst auf einen Retter . . .

<76>

23. An Jordan
Über den Kometen, der 1743 erschien
(27. Juni 1743)

Bebst Du noch immer, Jordan? Schreckensbleich
Macht Hektor Dich, der grausige Komet?
Zerstörte ihn der Himmel doch sogleich,
Eh' diese Welt durch ihn zugrunde geht!

Um Dich, ach, wäre es mir herzlich leid —
Noch prangst Du in der Blüte Deiner Jahre;
Mehr Wohltat dantt die arme Christenheit
Dir als dem Kardinal,76-1 an dessen Bahre
Lobrednerei sein Herz und seinen Geist
So maßlos und so überschwenglich preist.

Wo Du gewirkt, in jeglichem Revier76-2
Hat immer sich Dein gutes Herz bewährt:
Aufklärung dankt die hohe Schule Dir;
Die Armen all hat Deine Hand genährt;
Als Vater alle Narren Dich begrüßen,
Als Gatten alle Mägdlein, die da büßen.

Drum wünsch' ich sehr, daß dieses Ungeheuer,
Daß dieser ungeziemliche Komet
Mit seinem langen Schweif aus Höllenfeuer
Dich zu versengen sich nicht untersieht.
Doch müßt' i ch scheiden, stürbe eine Seele
Nicht ohne Wildheit und nicht ohne Fehle.
<77>Du weißt ja, daß ich, noch ein junger Fant,
Systeme umzustoßen mich erfrechte,
Die eigennützig und von Neid entbrannt,
Errichteten Europas alte Mächte,
Die unsre Ahnen, selbst noch halbe Wilde,
Anbeteten gleich einem Götzenbilde.

Du weißt auch, daß mit frevlerischer Hand
Ich mehr als einen greulichen Panduren
Zur Hölle und zum Teufel heimgesandt
Beim mörderischen Kampf in Schlesiens Fluren.

Wenn Hektor, dieser gräßliche Komet,
Auf mich Erbärmlichen nun niederbricht,
Sein Feuer auf mein schuldig Haupt entlädt —
Ja, meiner Treu, so unrecht tät' er nicht.

<78>

24. An Voltaire78-1
(September 1743)

I
Bei Übersendung der „Denkwürdigkeiten“78-2

Da Ihr es wollt, biet' ich das Wert Euch dar:
Es soll Euch ungeschminkt der Menschheit Sünden,
Unsel'gen Irrtum vieler Herrscher künden,
Die Leiden, die ihr blut'ger Ruhm gebar.
Da seht das blinde Schicksal walten,
Mit hundert Herrschern wie mit Spielzeug schalten,
Hier Sieg, dort Untergang bereiten
Und Pläne, riesengroß, erhaben,
Von einem Nichts zerschellt begraben.
Und bei den Fürsten seht die Grundgescheiten,
Die gut und weise sie beraten sollen:
Sie gleichen Ignoranten, Schwätzern, Tollen,
Berauscht von ihrem Wahn und ihrer Größe.
Das Staatsschiff sollen sie regieren,
Mit ihrer Hand das Steuer führen —
Groß stehn sie da, kennt man nicht ihre Blöße.
So närrisch geht es zu auf Erden,
So närrisch lenkt sich diese Welt;
Der Fürst, der heute seinen Nachbar prellt,
Ist morgen nicht gefeit, geprellt zu werden.

<79>

II
Als Antwort auf Voltaires poetischen Dank für die Übersendung der „Denkwürdigkeiten“

Indes Ihr Verse macht vorzüglich,
Schreib ich in Prosa mit Beschwerde;
Stets sinne, spintisiere, klügl' ich,
Was just vonnöten unsrer Erde.
So fiel das Los uns allen beiden.
Wie muß das Eure ich beneiden!
Dieweil ich ewig die Maschine
Der hohen Politik bediene,
Und an Gefahren fehlt es nicht,
Ist der alleinige Beruf,
Wozu das Schicksal Euch erschuf,
Ein unverändert froh Gesicht.

<80>

25. Abschiedsgruß an Ulrike80-1
Auli 1744)

Leb' wohl denn, Schwester, Schweden wartet Dein!
So wende Dich von unfern Tränen fort:
Ich weiß, daß Du in allen Herzen dort
Gebieterin wirst sein!

Besteig den Hochsitz, den ein Volk Dir weist!
Du wirst dem Norden Tugendglanz und Denken,
Der Venus Reiz, Minervas Gaben schenken,
Christines80-2 starken Geist.

Die Welt bewundert Deine Huldgestalt;
Durch Deiner Reize zarte Lieblichkeit
Erwürbst Du Dir auch ohne Purpurkleid
Hienieden Herrschgewalt!

Auf neuer Bühne schon mein Geist Dich sieht:
Dort übst Du Gnade in der Größe Schoß;
Dein reiches Herz beschert ein glücklich Los
Dem Volk, das vor Dir kniet.

Von ferne will ich Deine Siege preisen.
So sieht ein Mensch in stummer Andacht Bann
Und staunt die Wunderwerke Gottes an
Hoch über unsern Kreisen.
<81>Doch weh! Die Zeit entflieht, und eilends nimmt
Sie Dich hinweg, führt Dich ins Brautgemach.
Die Stunde naht, die mir das Schicksal, ach!
Zu meiner Qual bestimmt.

O Scheidestunde voller Angst und Pein!
Wer kann die Stimme der Natur ersticken,
Blutbande lösen, die so fest umstricken
Zwei Herzen, keusch und rein!

O Schwester, Du mein Liebstes allezeit,
Du hundertfach mir teurer als mein Herz —
Nimm hin den Abschiedsgruß, erstickt von Schmerz,
Der Seele, Dir geweiht!

Was auch das Schicksal Dir bestimmt — nicht dreist
Laß uns der dunkeln Zukunft Schleier heben!
Vielleicht, daß unser Unstern nun fürs Leben
Uns auseinanderreißt!

<82>

26. An die Königin-Mutter
(Weihnacht 1744)

Drei Könige brachten einst, 0 Königin,
Dem Chrisiuskind mit andachtsvollem Sinn
Als Gaben Weihrauch, Myrte, lautres Gold.
O daß Ihr gnädig mir gestatten wollt,
Wenn ich Euch ebenso zum gleichen Tage
Die gleichen Gaben darzubieten wage.
Die Myrte stellt die zarte Liebe dar,
Die Ehrfurcht, die ich allzeit Euch bewahr';
Der Weihrauch ist mein inniges Gebet,
Der Euer Leben zu verlängern steht.
Und dient Euch das Metall in diesem Schrein
Zum Zeitvertreib, wird's überglücklich sein.

<83>

27. Den Manen Cäsarions83-1
(August 1745)

Was hör' ich? Gott, welch schreckensvolles Wort:
Cäsarion ist nicht mehr! Casarion ist fort!
Du hast den treusten, besten Freund verloren!
Als wenn mich Dolche tausendfach durchbohren,
So zuckt mein Herz
In wildem Schmerz.
Du bist nicht mehr! so wird mir's ewig klingen;
Dir nach zum Nichts wird meine Liebe dringen.
Wie ich Dich im Leben geachtet, geehrt,
So bleibst Du mir inniger Liebe wert.

Wie fest hast Du dem Tod ins Aug' geschaut,
Vor dem doch jedes Menschen Herze graut!
Von Mannesmut gestützt, geführt,
Blieb Deine reine Seele unberührt
Von jenem Hirngespinst von einer Hölle
Und einer dunkeln Zukunft unsrer Seele.
Du hast in Deinen frohen Lebensstunden
Den Halt beim Meister Epikur gefunden;
Wie stolz hast Du im Tod Dich aufgerafft:
Da überbotst Du Zenos Geisteskraft!

Weh mir, dies Herz, das so erhaben schlug,
Was ward aus ihm? Wer sagt mir's? Wer?
Der Geist, der adlige Gedanken trug,
Lebt er wohl noch? O sagt, ist er nicht mehr?
<84>Gott, welch ein Abgrund! Alles ist vernichtet,
Sein Geist und seine Güte! Wenn er lebt,
Gewiß, sein Schatten, sein Gedanke strebte
Aus Nacht und Tod zu mir, ja, er umschwebte
Mein wehes Haupt: er hätt' mich aufgerichtet!

Leidvoll Erinnern, bittrer Kelch der Trauer!
Und bildest dir, törichte Stoa, ein,
Du könntest Menschenseelen auf die Dauer
Wider die Schläge des Geschickes fein?
Wie leidgewappnet glaubt' ich mich,
Wie stark — wie unerschütterlich —
Und nun, was muß ich nun an mir erleben!
Wehrlos bin ich dem Schmerze preisgegeben,
Zerstört, vernichtet fast in Seelennot
Durch Deinen Tod. —
Still, still! Was ist denn der Verstand noch wert,
Wenn er sich gegen das Empfinden kehrt
Und meinen Gram mit Bitternissen mehrt?
Er sagt zu mir, mein Alles sei dahin.
So weit die Welt, so leer! Und ich, ich bin
Verwaist, allein! Ich Hab' Dich so geliebt —

Wie schattenhaft verwehten doch die Tage,
Da wir, was uns erfreut, was uns betrübt,
Wie Brüder teilten; da in gleichem Schlage
Dein Herz und meines schlug. Mein Glück war Deins.
Wie waren wir in all und jedem eins.
Im Großen und im Kleinen; ungetrübt und klar
Blieb uns der Freundschaft Himmel immerdar.
Der Frohsinn hat Dich stets begleitet,
Dein Geist, durch schöne Bücher wohl geleitet,
Hat gern gebändigt, ritterlich und zart.
Die Fröhlichkeit, die sich oft wild gebart.

Dich machte Deine edle Sitte wert,
Dich den erlauchten Geistern zu gesellen,
Die Hellas und Paris mit Glanz erhellen,
Ach, und Dein Herz: Dich unter die zu stellen,
Von deren Freundschaft uns die Lieder melden,
<85>Die kleine Schar von hochgesinnten Helden,
Die man um ihrer Treue willen ehrt.
Wüßt' ich die Leier des Horaz zu schlagen,
Fürwahr, das Echo sollte vom Parnaß
Hier dieses Herzens Sehnsucht mit mir klagen,
Das Dir verbunden bleibt ohn' Unterlaß;
Mehr denn Achates warst Du, würd' ich sagen,
Mehr denn ein Pylades, Pirithous;85-1
So in der Liebe feurigstem Erguß
Unsterblich werden sollte im Gesang,
Was Dich geziert Dein Leben lang.

Ich darf die Sonne sehn, und Du nicht mehr!
So ist's denn wahr, ach, nur zu wahr, daß er,
Der Unerbittliche, ohn' Unterschied
Das Schönste in das Nichts herunterzieht.
Ob Wert, ob Unwert! . Ehre oder Schande!
Wer fragt danach noch am Cocntusstrande:
Was hat Achill, was Hektor dem Thersites
Voraus? Auch ich geh schleunigen Schrittes
Der Heimstatt zu, der dunklen; Tage, Stunden
Sind, wie sie kamen, mir im Flug entschwunden.
Halb schon durchmessen ist die Lebensbahn,
Und nah und näher rückt das Ziel heran.
Geduld! Nicht lang mehr währt's, so grüß' ich Dich
Im dunklen Schattenreich, um inniglich
Mit Dir in düstrer Friedensfreistatt dort
Die Freundschaft zu erneun und fort und fort
Dir liebend nah zu sein.
Indeß solang' in dieser Welt
Das Schicksal mich gefesselt hält,
Bleibt mir Dein Bildnis unvergessen.
So lang gibt's auch kein Glück, das je
Mir lindern mag mein brennend Weh.
Laß unter Deinen Grabzypressen
Mein Haupt mich senken; ungemessen
Laß meine Schmerzenswollust sein!
Dort will ich heiße Herzenstränen
<86>Und Seufzer Dir aus nie gestilltem Sehnen
Und tiefempfundne Lieder weihn,
Mit Myrten dann und Blumen — sieh, es glänzen
Noch meine Tränen drauf — Dein Grab bekränzen.

Und doch, glückselig preis' ich den,
Der heitrer Stirn mit Seelenadel
Dem Tode kann entgegen sehn,
Ein Ritter ohne Furcht und Tadel.

<87>

28. An Voltaire
(24. April 1747)

Du gabst dem Tod so frohe Mienen,
In Anmut strahlte Hades gar,
Daß sie uns beide reizvoll schienen,
Und diesem Truggebild zu dienen
Mein Geist bereits erbötig war.87-1

Doch aus dem dunklen Schattenland,
Wo ungezählten Totenheeren
Gebeut des Hades harte Hand,
Von Phlegethons lichtlosem Strand
Sah ich noch niemand wiederkehren.

Dort mögen kaum so fein und zart
Die schönen Geister sich betragen;
Auch ist die Reise solcher Art,
Daß uns nach Sharons Nachenfahrt
Schwerlich die Schritte heimwärts tragen.

Die Einbildung mag ungestört
Sich jener andern Welt erfreuen.
Ihr sei es künftig unverwehrt,
Stets ihre Bilder zu erneuen.
Sie braucht sich nimmermehr zu scheuen,
Wenn sie, zu locken und zu dräuen,
Dies Land des Wahnes uns beschert.

Mag dort des frommen Eifrers Geist
Aufs neue seine Hoffnung bauen,
<88>Mag dort der Fieberkranke schauen
Die ewige Heimat, die er preist,
Wenn Labsal ihm der Trank verheißt,
Um so, getröstet und gestillt,
Nach heiliger Ölung, fromm und mild,
Wie im Triumphe zu dem Schweigen
Des Totenreichs hinabzusteigen.

Mag er! Doch mich, den dieser Wahn
Der Theologen nie umfangen,
Ich liebe statt des Glaubens Bangen
Des Lebens klare, frische Bahn
Und unsres Tages Lust und Freuden.
Mag sich der Starrkopf denn bescheiden
Mit jener dort verhießnen Lust;
Mag er in der erstorbnen Brust
Sich weiter an der Wonne weiden,
Die nur der Ewigkeit bewußt!

Sie bleibt dem traurigen Gezücht,
Des Malebranche88-1 ergebnen Scharen!
Bei all dem Tiefsinn, der aus ihnen spricht,
Ist die Vernunft mit ihrem Licht
In alle Winde aufgefahren,
Bis daß ein neuer Astolf kommt
Und wiederbringt, was ihnen frommt,88-2
Was ihrem armen Hirn gebricht!

Ich aber lache solcher Narren,
Statt schwach in Bängnis zu verharren;
Froh tu' ich, was die Lust mich heißt.
Und überkommt mich dann der Geist,
Dort an der Musen Hellem Quell,
Schöpf' ich aus ihm noch gern und schnell.
Doch fühl' ich schon der Jahre Hand
Mir Runzeln auf die Stirne malen.
Bald wert/ ich den Tribut bezahlen
Dem Alter, das mich übermannt.
<89>Lebt wohl, ihr ausgelaßnen Stunden,
Du nimmermüde Phantasie,
Du Witz, so keck und ungebunden,
Den blendend mir die Jugend lieh!
Der Zauber ist nun längst verflogen;
Man sagt, die Weisheit kommt gezogen
Und formt aus Platos Angesicht
Des Cato eisia-strenge Mienen.
Nun kann ich ihr nicht länger dienen,
Der Lust, die Vers an Verse sticht.

Apollos Hof sei nun gemieden,
Ihr Stätten, wo in süßem Frieden
Der Geist dem Purpur sich verband.
Geachtet aus des Pindus Land,
Flieht meine Muse gottverlassen.
Bald lenk' ich selbst auf öde Straßen
Den Lauf, der einst so siegbereit.
Doch will ich gern mit vollen Händen
Euch, die ihr dort noch tätig seid,
Im Zuschaun reichen Beifall spenden.

<90>

29. An Fräulein von Schwerin zu ihrer Vermählung mit dem Schultheiß Lentulus90-1
(Januar 1748)

Empfahn Sie dieses Käses Gabe,
Womit, als ihrer besten Habe,
Die dreizehn Bünde Sie beschenken.
Fürwahr, wir sind nicht schnell im Denken;
Doch ob auch unsre Seele träumt,
Die Liebe weckt sie ungesäumt.
O, wir auch können sie empfinden;
Auch wir lobpreisen Lieb' und Kuß,
Den Tag, da Sie durch Lentulus
Zur Schweizerin gemacht sich finden.
Schweizerin ist ein Ehrentitel,
Der mehr als Hoheit, Exzellenz,
Äbtissin (und so weiter) ehrt.
So mancher schiene wohl kein Mittel,
Ihn sich zu sichern, zu verkehrt —
Denn junge Schweizer in ihrem Lenz
Sind mehr als alte Prinzen wert.

Doch hüten Sie sich Ihrerseits,
Zu altern hier, in unsrer Schweiz;
Und da Sie in dies Ländchen kommen,
So machen wir zu Ihrem Frommen
Mit den Gesetzen Sie bekannt.
Sei Ihnen kund, daß wir die Schönen,
Sie, deren himmlisch holder Reiz
<91>So Hirt wie König übermannt,
Mit Privilegien verwöhnen,
Weil wir gefällig und galant.
So derb und schwer auch unser Wesen,
Man findet, traun, in keinem Land
Vom Franzmann bis zum Irokesen,
Ein Volk, so treu im Ehestand
Wie uns, das soviel Zärtlichkeit
(Nur Ziererei wird streng verbannt)
Den jungen Ehehälften weiht.
Doch wenn Geliebte oder Frauen
Sich fühlen von des Alters Klauen
Zu ihrem Ach und Weh gepackt,
Dann freilich schelten wir voll Grauen
Die Ärmsten wüst und abgeschmackt.
Ein rotumrändert Augenpaar,
Vergilbte Haut, verwelkter Hals,
Wackelnde Zähne, graues Haar,
Ein zitternd Knie, ein Rücken krumm
Sind Ware, die wohl keinesfalls
Liebhaber findet, das ist klar,
Im ganzen Schweizer Publikum.
Und hätten so viel Reize Sie,
Daß Venus müßte drob erbleichen
Und Menelaos' Schatz desgleichen,
Ja, unsre liebe Frau Marie: —
Beginnt die Jugend zu entweichen,
Entweicht auch unsre Sympathie.
Noch mehr, die hohe Polizei
Nebst löblicher Justiz, die zwei,
Sie heften sich an Ihre Sohlen,
Eröffnen Ihnen unverhohlen,
Daß es nur Gift und Galle sei,
Was Ihnen Reiz und Jugend stahl.
Ja, die profunde Geistergilde
Der Schweiz in Physik und Moral:
Was lehrt sie? Bosheit, Bosheit bilde
Der Frauen Hauptcharaktermal.
Wie könnten sie, die Jungen, Zarten,
Zu alten Hexen sonst entarten?
<92>Noch mehr, was gilt's, verwundert Sie:
Man trifft bei uns den Typus nie
Der lächerlichen Schwätzerinnen;
Denn wenn ein Weib, das jung zuvor,
Die Jugend eines Tags verlor,
Verbrennt es ohne viel Besinnen
Der Richter mitleidloser Chor.
Denn wer als Hexe erst erkannt,
Die wird verbrannt, die wird verbrannt —
Bis eines Tags Ihr Himmelsreiz
Besiegen wird die strenge Schweiz
Und in der Schatten dunkles Reich
Die letzte Hexe und zugleich
Den Herenaberglauben bannt.

Ja, unsre Schweiz, durch Sie verschönt,
Wird sich von ihrem Irrtum kehren;
Als Ketzer siehn fortan verpönt,
Die jenen Wahn noch fürder lehren.
Sie stimmt aus vollem Herzen bei:
Es gibt nur eine Hexerei,
Und sie besieht zu Fug und Recht —
Sie, der mit Strahlenaugen frönt
Das ewig siegreiche Geschlecht.

<93>

30. An Darget93-1
(Mai 1749)

Ihr endesunterzeichneter Gebieter,
Wortplundersammler, Versezüchter, Reimausbrüter,
Läßt Ihnen kaum zum Atemholen Zeit,
Und seine ewig trächt'ge Leier
Legt in das Nest (ein Folioband ist breit!)
Mit immer neuem Gackern neue Eier!...

Nein wirklich: dieses sei das letzte,
Das ich als Abschluß zu dem Bande setzte!
Verzeihen Sie's: ein jeder Dichter ist,
Wenn er nur glaubt, daß es kein andrer merke,
Ja selbst, wenn er's versteckt mit aller List,
Doch ganz vernarrt in seine eignen Werke!
Und jedes Iammerverschen, kaum geraten
In dürrer Stirn, begrüßt er mit hallo
Und brennt vor Eitelkeit so lichterloh,
Als wär' es über Alexanders Taten!

Hier also, wie gesagt, das Schlußgericht
Von dem Menu, in dem sich süße, saure
Und hundert andre Schüsseln drängen dicht —
Und dessen Koch zu sein ich frank und frei bedaure!

31. Epigramm

Vom Großherrn feierlich geschickt, erschien
Ein türkischer Gesandter jüngst in Wien.
Als Ehrengaben hat er dort verehrt —
Nur Irrtum war's, so will es das Gemunkel —
Der Kaiserin ein Schwert,
Dem Kaiser eine Kunkel.

<94>

32. Reime wider einen Arzt, der einen armen Gichtkranken durch eine Schwitzkur umzubringen gedachte94-1
(Juni 1749)

Nein, jetzt widerruf' ich alles,

Was mein Spott gesündigt hat: Nah und fern, in Dorf und Stadt — „Ehre der Arzneikunst!“ schall' es! Groß, ja groß ist Hippokrat! Denkt, was seine Allmacht kann, Wahrlich, es ist ein Mirakel: Dieser Leib hier, er zerrann, Neue Formen nimmt er an, Fließt, o grausiges Spektakel, Wie ein Bächlein mir hindann! Seht, schon werd' ich eine Quelle, Und ich sickre und ich rinne, Bis ich mir im Tal gewinne Meinen Strom so klar und helle. Ja, hinein! Für immer sollen Meine Wellen mit den seinen Sich vereinen, Selig mit ihm weiterrollen. Mag's durch Wiesenlande sein, Oder auch durch Himmelsstriche So wie Libyens fürchterliche, Glutendürre Wüstenein — Meint ihr, daß ich von ihm wiche? Ob er niederwärts von steilen<95> Bergen schäumt in Donnerfällen, Oder seine raschen Wellen Zu des Weltmeers Schoße eilen; Oder ob ein Fürst sich endlich Schlau den Wanderburschen einfängt Und mit Künsten gar umständlich Seiner Wasser Triebkraft einzwängt, Daß er mannigfach verzweigt, Als ein lust'ger Springquell steigt — Mir soll's gleich sein — immerhin Segn' ich meines Schicksals Gunst: Meiner Wandlung Hochgewinn Bleibt, daß ich jetzt sicher bin Vor der Ärzte Kunst!

<96>

33. Epistel über die Falschheit
(Februar 1750)96-1

Verflucht sei jener erste Schuldbefleckte,
Der vormals arge Ränke spielen ließ,
Der in den Staub die hehre Wahrheit stieß
Und Falschheit mit der Tugend Firnis deckte!
Den Sonnenstrahl, das helle Licht
Ertrug sein blinzelnd Auge nicht;
Sein schlimmes Werk, im Schutz der Nacht,
Lichtscheu und heimlich ward's vollbracht.

Die Welt nahm sich den Frevler zum Exempel
Und ließ die Wahrheit ohne Kult und Tempel.
Seitdem war bei den Menschen nichts mehr echt:
Die Tugend ward dem Lasier preisgegeben;
Der Lump verlangte Achtung wie ein Recht
Und ließ zum „Höhren Geist“ sich frech erheben.
Freundschaft ward selten; Doppelzüngigkeit
Trug das Gewand treuherz'ger Biederkeit.
In dieser Maske, schwer erkenntlich, barg
Sich wie ein Freund der Schurke, der Verräter.
Und so nasführt die Welt ein Übeltäter
Und meint, sie hätte seines Trugs kein Arg.
Mit Abgefeimtheit, wähnt er, werd's ihm glücken,
Und sicher fühlt er sich durch seine Tücken...

Weh dem, der einem falschen Freunde traut!
Ein grimmer Leu steckt in der Lammeshaut;
<97>Er wechselt gleichwie Proteus die Gestalt,
Schillert in hundert Farben mannigfalt:
Woran erkennst du, wie er dir gesinnt,
Ob er dich liebt, ob haßt und Ränke spinnt?
Leicht läßt sich in der Tiere Mienen lesen,
Ob sie uns freund, ob feindlich und verstellt.
Das sanfte Lamm grast blökend auf dem Feld,
Der Löwe brüllt und zeigt ein stolzes Wesen,
Der wilde Eber schäumt vor Wut,
Der Hase läuft davon in blinder Scheu;
Falsch, tückisch blickt der Tiger, lechzt nach Blut,
Der Hund liebkost den Herrn und ist ihm treu.
Doch uns, geformt von gleicher Schöpferhand,
Uns merkt man weder Tugend an noch Fehle;
Im Engelsleib wohnt eine Teufelsseele:
Der Augenschein narrt ewig den Verstand.

In diesem grausen Zweifel: was ist echt?
Mißtraust du wohl dem ganzen Staubgeschlecht.
Ein finstrer Menschenfeind — nicht ohne Grund —
Fliehst du Gesellschaft, fluchst auf deinesgleichen;
Der Boden scheint bei jedem Schritt zu weichen,
Dich dünkt die Welt ein zweiter Höllenschlund;
Und lebtest du auch bei den Kannibalen,
Nicht schlimmer könntest du dein Loos dir malen.

Ja, die Gesellschaft ist dem Sturz geweiht
Und alles wankt, gebricht's an Redlichkeit.
So wie am Spieltisch schändliche Gesellen
Mit Gaunerkniffen ihre Börse schwellen,
Wär' auch bei uns stets Ebbe oder Flut:
Bald prellten wir, bald würden wir geprellt,
Und brächten wechselnd uns um Hab und Gut.

Du Tor, der viel auf seine Falschheit hält.
Du schmeichelst deinem Lasier, ziehst es groß!
Erschrick! Du sagst dich von der Weisheit los
Und endest noch als ausgemachter Schächer!
Des Bösen Grenzen sind gar leicht verwischt;
Ins Ränkespiel ist schon Verrat gemischt.
<98>In diesem Labyrinth, wo immer schwächer
Vernunft dir leuchtet und zuletzt verlischt,
Verirrst du dich und endest als Verbrecher!

So löst vom Berghaupt sich im Sonnenstrahl
Ein wenig Schnee und rollt hinab ins Tal;
Doch wie es rollt, so wächst es dichtgeballt,
Und die Lawine stürzt mit Allgewalt.
So zeugt das erste Unrecht rasch das zweite
Und reißt uns stürmisch weiter, schwer und schwerer;
Unsre Verderbtheit drängt hinaus ins Weite,
Der Schüler des Verbrechens wird zum Lehrer,
Und überall das Lasier übend, enden
Wir abgrundtief, umstarrt von Felsenwänden!

Jedoch in dieser bösen Welt — so lehrt
Uns Machiavell — ist Tugend ganz verkehrt.
Umringt von Schurken, tut uns Arglist not;
Betrug verdient, wer mit Betrug uns droht.
Doch der beschönigt nur sein arges Herze,
Und was ihm Unschuld, mir ist's Höllenschwärze.
Er bildete sein schändliches Idol
An Borgia,98-1 an Cartouche98-2 und Mohammed.98-3
Gewunden spricht er, trügerisch-beredt,
Zeigt sich als Frömmler bald und bald frivol.
Und Heuchlermienen weiß er aufzusetzen,
Um dreist den blöden Pöbel zu verhetzen.
Wohlweislich bettet seine Schurkenhand
In Blumenzier die Schlingen, die er spannt.

Doch ist des Schelmes Glück nicht von Bestand!
Mit ränkevollem und verlognem Sinn
Strebt er versteckt zu jedem Ziele hin;
Allein der Zauber ist gar bald verblaßt:
Die Gaunerkniffe treten rasch zutage,
Die Augen gehen auf mit einem Schlage:
Mag er denn dunkel, seinem Volt verhaßt,
Ein Aussatz von Florenz, im Staube kriechen
<99>Und bettelarm, verfemt zu Tode siechen —
Bis diese Schlange, die das Licht erschreckt,
Im Schlamm verkommt, mit eklem Kot bedeckt!

Doch ihr, die ihr der Welt Gesetze gebt,
Die eure Macht zur Götterhöhe hebt —
Wie duldet ihr's, daß euer hoher Rat
Zur Freistatt wird für Treubruch und Verrat?
O Zeiten, Sitten! Frevler auf dem Throne!
So dankt dem Himmel ihr für Glanz und Krone?
Die Ehre müßte, aus der Welt verstoßen,
In euren Herzen noch ein Obdach finden,
Die Wahrheit heimisch sein bei allen Großen
Und jede Himmelstugend sie umwindend99-1
Die guten Fürsten sind der Gottheit Spiegel,
Doch Falschheit drückt auf Königsstirn ihr Siegel,
Bricht aus der Krone ihren hellsten Stein:
Dämonen freveln, Götter bleiben rein!
Entschließt euch denn: wollt ihr die Welt bedrücken,
Wollt ihr durch eure Güte sie entzücken?
Ein Drittes gibt es nicht! Mit halber Kraft
Erwies kein Fürst sich noch als tugendhaft!
Luchsäugig schaut ein ganzes Volk euch zu,
Und mächtig wirkt das Vorbild, das ihr gebt.
Die leichtverführte Menge tritt im Nu
In eure Spur, wenn ihr in Lastern lebt —
Allein was sag' ich? Wohin schweif' ich? Kronen
Und Herrscherpurpur laßt uns hier verschonen!

Die Tugend strahlt in tausend Farben hell ...
Seht jenen Kurfürst, unsres Ruhmes Quell,
So groß im Frieden wie im Schoß der Siege!
Als starker Feind bewies er sich im Kriege,
Doch zeigt' er auch an Edelmut sich groß.
Als sich ein Meuchelmörder, ein Franzos,99-2
Erbot, Turenne, den Feldherrn, umzubringen,
Fiel Friedrich Wilhelm nicht in seine Schlingen:
Mit Graus erfüllt' ihn dieser Schurkenplan;
<100>Den Anschlag zeigt' er selbst dem Gegner an.
„Zu siegen weiß ich,“ lautete sein Spruch,
„Doch nicht versteh' ich mich auf Treuebruch!“

Wahrhaft'ger Sinn schämt sich der Gaunerkniffe;
In seinen Worten spiegelt sich die Seele.
Doch trachtet er, wie sich mit feinem Schlisse,
Mit Reiz und Anmut Redlichkeit vermähle.

Sagt drum nicht fürder, ihr verworfnen Geister,
Die in der Hölle finden ihre Meister,
Die Lebenskunsi sei Falschheit, schlaue Lüge,
Die Wahrheit aber sei der Welt zuwider,
Ein alter Kauz mit struppigem Gefieder,
Dem bald sein letztes Stündlein schlüge!

<101>

34. An Voltaire101-1
(26. Juni 1750)

Ihr Renner vor der Post, ihr steifen,
Ihr Schinder, heut gilt's auszugreifen!
Zu Rossen, die im Liebe leben,
Verwandl' ich eure Niedrigkeit;
Ein Schwingenpaar soll euch erheben,
Das gern der Pegasus euch leiht.
Euch ward das Amt heut übertragen
Der edlen Rosse, die den Wagen
Des Gottes aller Künste ziehn,
Und seltne Würde euch verliehn.
Apollos Bruder, einen Gott,
Dürft ihr Gebenedeiten
Nach Potsdam von Versailles geleiten,
Trabt zu, ihr Rößlein, frisch und flott!
Hei, Rabikan! Hei Parangon!101-2
Wie würden die vor Neide schäumen,
Sähn sie, wie ihr vom Helikon
Mit kecken Sprüngen, stolzem Bäumen
Den Gott der Kunst, der Geisteskraft
So fiott in unsre Heimat schafft!
Ruhmvoll Geschick, das eurer harrt!
Der Gott, gerührt, er macht euch gnädig
Der Stränge und der Deichsel ledig,
Daran ihr jahrelang gekarrt,
Euch vor der Menschheit Blicken
Als Sternbild zu entrücken
Zum Himmelszelt empor.
Wenn dann in böser Stunde
Der Astronom mit seinem Rohr
Absucht die nächt'ge Runde
Und er auf einmal euch erblickt,
Denkt er mit offnem Munde:
Das Fernrohr ist verrückt!

<102>

35. An Voltaire
(8. September 1751)

Ein Fünklein war es, das entglimmt;
Ein heilig Feuer schien's dem jungen Toren;
Er hielt sich selber hochgestimmt
Für einen Dichter auserkoren.
Der Dichtkunst sklavisch Untertan,
Hab' ruhelos ich Reim um Reim gepaart.
Als ich erwacht aus meinem Wahn,
Erkannt' ich, daß ein Irrlicht mich genarrt.
Streng hat mich die Vernunft nun aufgeklärt;
Ihr Blick, durchdringend, klar und hehr,
Hat von dem Wahn und Dünkel mich bekehrt.
So laß ich denn dem strahlenden Voltaire
Apollos Reich, das Zepter des Homer.
Kein andrer Wunsch ist mir zu eigen,
Als ihm zu lauschen und zu schweigen.

<103>

36. Epigramm gegen Voltaire103-1
(1753)

Keiner, dem die Musen mehr,
All die Schwestern neun, gewogen,
Keiner, der unwürd'ger war:
Endlich wurde dem Voltaire
Seine Maske abgezogen!
Sein Paris verabscheut ihn,
Rom hat ihn verflucht, gebannt;
Schmählich hat man ihn verbrannt
In Berlin.
Wenn es, um in beiden Welten
Als ein großer Mann zu gelten,
Schon genügt,
Daß man sich als Schuft erweist,
Als ein Mensch, der schamlos dreist
Lügt und trügt —
Nun, dann ist er auf derselben Höh'
Wie Madame de Brinvilliers.104-1

<104>

37. Zu d'Argens' Geburtstag104-2
(1754)

An diesem großen Tag Johann Baptist
Geboren ward, der nicht der Täufer ist,
Der Pred'ger nicht, den es zur Wüste trieb —
Nein, Marquis d'Argens ist's, der Großes schrieb.
Die Einsamkeit nicht sucht' er; seine Statte
Wählt' er als weiser Mann im Federbette.104-3
Die Trägheit ließ ihn alle Arbeit fiiehn,
Und sanft und weich umfangt der Schlummer ihn.
Bei Philippsburg stritt er gar ritterlich,104-4
Dann lieh er eines Juden Maske104-5 sich,
Um arg die Toren, Frömmler durchzuhecheln.
O möge stets der Schlaf sein Haupt umfächeln
Und ohne daß ihn Honig, Heuschreck nähren,
Sein Leben bis ins höchste Alter währen.

Von seinem ergebenen und gehorsamen Diener, seinem Hofpoeten
Friderich.

<105>

38. Epistel an das Bett des Marquis d'Argens105-1
(7. Februar 1754)

O du, geschaffen süßer Rast zum Lohn,
Gerät, umschattet von des Morpheus Mohn,
Dem holden Schlaf als Helfer treu ergeben,
Dem herben Leid zur Sänftigung beschert,
Laß durch mein Lied ein Weilchen dich beleben
Und fühl', 0 Bette, deinen ganzen Wert.

Die Einsicht hat bis heut sich dir verschleiert,
Welch hehrem Geist dein Pfühl den Rücken deckt;
's ist d'Argens, der die Dunkelmänner schreckt,
Den ganz Paris als großen Isaak feiert,105-2
Der Vorurteil und Dummheit niederstreckt.
Sein fruchtbar Hirn ersinnt auf deinem Kissen
Gar manchen Plan, läßt reifen manchen Band,
Der bald darauf der ganzen Welt bekannt,
Weil die Verleger ihn zu schätzen wissen.

Doch, liebes Bett, was dir dein Glück beschied,
Wie könnte das dein stumpfer Sinn ermessen!
Denn niemals für Corinna war Ovid
Von solcher heißen Liebesglut besessen,
Nie von so wilder Leidenschaft durchdrungen,
Wie dein Marquis für deine Reize zeigt.
So oft er von dir scheidet schmerzbezwungen,
Umsonst, daß seine Qual er uns verschweigt:
Kein Liebender, der jemals treuer war!
<106>Weit eher hätt' im Drang verwegner Taten
Nisus den Freund Eurnalus106-1 verraten,
Sich Orpheus drein gefügt, auf immerdar
Eurydice vereinsamt zu vermissen,
Hätte Penelope, fern von Ulyssen
Sein herrenloses Reich mit ihrer Hand
Verschleudert an den ersten besten Fant,
Als daß dein unvergleichlicher Marquis,
Ein zweiter Seladon, ein treuer Schäfer,
Wenn Dämmerung zur Ruhe lockt die Schläfer,
Nur eine halbe Nacht sich dir entzieh'.

Für deine Federn, draus der Moder haucht,
Für deine schmierig abgeschabten Tücher,
Den Vorhang, löcherig und angeraucht,
Die Kissen, deren Überzug verbraucht,
Verließe sicherlich dein Herr die Bücher,
Die Freunde, die Verwandten, Geld und Güter,
Als deiner muffigen Matratzen Hüter.

Gibt's ein Gefühl, das dauernd sich bewahrt?
Im Rausch zu schwinden ist der Liebe Art;
Zieht irgendwo den zärtlichsten Gedanken
Die Zeit in fünfzig Jahren keine Schranken?
Ward Amor je gesehn mit grauem Bart?
O Bett, nur du — beinah möcht' ich drum zanken -
Zwangst unsern d'Argens, nicht von dir zu wanken.

Doch welch ein Wunder! Die geschwinde Fahrt
Der Zeit, bei der sonst alles geht in Scherben,
Läßt nur noch glühender ihn um dich werben:
Denn vormals hat er höchstens nur die Nacht
In deiner Modergrube zugebracht;
Doch jetzt, nachdem in dich verliebt zum Sterben
Er fähig ward zu jedem Wagestück,
Hältst du bei Nacht ihn und bei Tag zurück.

O Götter, die von je mein Herz verehrte.
Unsterblicher Apoll, des Pindus Gott,

<107>Minerva, hohe, kluge und gelehrte,
Auf, rächt die Kunst, rächt euch für seinen Spott!
Soll der Marquis, der sein Gelübd gebrochen,
Soll dieser d'Argens, fern vom heiligen Hain,
Wie in ein Mausloch in sein Bett verkrochen,
Euch und dem eignen Namen untreu sein,
Soll Mohn und Opium zu Haufen schichten,
Trophäen draus auf seines Lagers Lein
Für seinen Götzen Morpheus schnöd errichten?

Zum Kampf! Und den entfiohnen Untertanen,
Den schnöden Meutrer holt zurück zur Kunst,
Daß er, entrissen seines Bettes Dunst,
Nie mehr zu weichen wagt von euren Fahnen!

<108>

101-1 Am 10. Juli 1750 traf Voltaire auf Einladung des Königs zum Besuche in Potsdam ein (vgl. Bd. IX, S.VI).

101-2 Rabikan, Name eines Heldenrosses aus den Roland-Dichtungen (vgl. Bd. IX, S. 271); der Ursprung des Namens Parangon ist nicht festzustellen.

103-1 Voltaire hatte nach dem Bruch mit König Friedrich, der durch seine unsauberen Händel mit dem Juden Abraham Hirschel, durch seine Angriffe auf Maupertuis (vgl.Bd. VI, S. 365; VIII, S. 227 ff. und 237), die Abfassung des Pamphlets „Atatia“ und dessen öffentliche Verbrennung in Berlin durch Henlershand (24. Dezember 1752) hervorgerufen war, am 25. März 1753, nach fast dreijährigem Aufenthalt am preußischen Hofe, Potsdam wieder verlassen.

104-1 Die Marquise de Brinvilliers, eine berüchtigte Giftmischerin, war 1676 in Paris hingerichtet worden.

104-2 d'Argens war am 24. Juni 1704 geboren.

104-3 Vgl. S. 105 ff.

104-4 d'Argens war französischer Offizier gewesen und im Rheinfeldzug 1734 bei Philippsburg schwer verwundet worden.

104-5 Anspielung auf die „Lettres juives“, die d'Argens 1742 veröffentlicht hatte.

105-1 Vgl. daju S. 104 und die Satire „Lob der Trägheit“ (Bd.VIII, S. 192 ff.). Nach d'Argens' Antwort vom 8. Februar 1754 wurde ihm die obige Epistel um 2 Uhr morgens durch einen Kurier überbracht.

105-2 Als Verfasser der „Lettres juives“ (vgl. S.104, Anm.5) wurde d'Argens von Voltaire Bruder Isaat genannt.

106-1 Ein berühmtes Freundespaar aus Virgils „Äneis“.

66-1 Nach einem Besuch bei seinen Schwestern in Bayreuth und Ansbach hatte König Friedrich auf dem Wege nach Wesel einen Abstecher nach Straßburg gemacht, wo er am Abend des 23. August 1740 eintraf und bis zum Spätnachmittag des 25. blieb. Die obige Schilderung sandte er an Voltaire.

67-1 Algarotti.

67-2 Prinz August Wilhelm, der älteste Bruder Friedrichs.

67-3 Der Oberst und Generaladjutant Graf Leopold Alexander von Wartensleben (vgl. Bd. VII, S.275).

67-4 Kapitulation von Kehl am 28. Oktober 1733 (vgl. Bd. I, S.154).

68-1 Der König nannte sich Graf Dufour.

69-1 Offiziere des Regiments Piemont.

69-2 Graf Broglie (vgl. S. 37) war am 15. September 1734 von den Österreichern an der Secchia überfallen worden.

73-1 Den Anlaß für die Abfassung der Ode bot dem König ein von Voltaire an Maria Theresia gerichtetes Gedicht über den Krieg von 1741, in dem die gegen sie gebildete Koalition verurteilt und Kardinal Fleury aufgefordert wird, den Frieden herbeizuführen. Die Tendenz der Ode richtet sich gegen Fleury; ihr Zweck ist die Rechtfettigung des am 11. Juni 1742 zu Breslau geschlossenen Sonderfriedens zwischen Österreich und Preußen (vgl. Bd. II, S. 119 ff.; V, S. 170 ff.).

73-2 Die Zeitungsschreiber, zumal in England, Holland und zum Teil im Reiche, die sich während des Krieges in den Dienst der Gegenpartei gestellt hatten.

74-1 Spanischer Staatsmann (vgl. Bd. VII, S. 73).

74-2 Die Schlachten bei Mollwitz und Chotusitz.

75-1 Fleury.

75-2 Vgl. Bd. VII, S. 18.

75-3 Im Wiener Präliminarfrieden von 1735 gab Frankreich seine Bundesgenossen, von denen oben nur Spanien genannt ist, preis, um sich durch ein Sonderabkommen mit Österreich die Erwerbung von Lothringen zu sichern.

75-4 Karl VII., für dessen Erhebung auf den Kaiserthron die Koalition gegen Österreich gebildet war.

75-5 Anmerkung des Königs: „Fargis war ein politischer Agent, dessen sich der Kardinal in Wien bediente“ (vgl. Bd. II, S. 119; V, S. 171).

76-1 Anmerkung des Königs: „Der damals gestorbene Kardinal Fleury.“

76-2 Anmerkung des Königs: „Er führte die Aufsicht über die Universitäten, das Arbeits- und das Irrenhaus“ (vgl. Bd. VIII, S. 214 f.).

78-1 Voltaire weilte damals am Berliner Hofe zu Besuch.

78-2 Vgl. Bd. II, S. 1 ff.

80-1 Am 17. Juli 1744 hatte die Vermählung der Prinzessin Ulrike mit dem schwedischen Thronfolger, Herzog Adolf Friedrich von Holsiein-Gottorp, der durch den Bruder der Braut, Prinz August Wilhelm, vertreten wurde, in Berlin stattgefunden (vgl. Bd. II, S. 154 und 162 f.). Bei ihrer Abreise nach Stockholm am 26. sandte ihr König Friedrich den obigen Abschiedsgruß.

80-2 Königin Christine von Schweden (1626—1689), die Tochter Gustav Adolfs, folgte diesem 1632 auf dem Thron; sie dankte jedoch 1654 ab und verließ Schweden.

83-1 Dietrich von Keyserling (vgl. Bd. VII, S. 275; IX, S. 168), der Genosse der Rheinsberger Tage, der den Beinamen „Cäsarion“ führte, war am 13. August 1745 in Berlin gestorben.

85-1 Pylades und Pirithous Muster der Freundschaft, Achates ein treuer Diener.

87-1 Am 13. Februar 1747 hatte der König einen leichten Schlaganfall gehabt, von dem er sich nur allmählich erholte

88-1 Vgl. Bd. VIII, S. 40 f.; IX, S. 286.

88-2 In Aliosis „Rasendem Roland“ geht Asiolf auf den Mond, um den Verstand zu suchen. Vgl. Bd. IX, S. 133 f.

90-1 Die Vermählung des Majors und Flügeladjutanten Freiherr Rupert Scipio von Lentulus mit Marie Anna von Schwerin fand am 17. Januar 1748 statt. Dreizehn Schweizer in Nationaltracht überreichten das obige Gedicht mit einem Riesenkäse. Da Lentulus aus der Schweiz stammte, redet der König ihn scherzhaft mit dem Titel „Schultheiß“ an, den der oberste Vertreter der Republik in Bern führte.

93-1 Mit obigen Versen übersandte der König seinem Sekretär Darget (vgl. Bd. IX, S. 133) das für die „Œuvres du philosophie de Sanssouci“ bestimmte komische Heldenepos „Das Palladion“ (vgl. Bd. IX) zur Drucklegung.

94-1 Am 10. Juni 1749 sandte der König das obige „Epigramm gegen die Ärzte“ mit den Worten an Voltaire: „Ich habe Anlaß, etwas über ihr Verfahren aufgebracht zu sein; ich leide an der Gicht, und sie haben mich beinah durch ihre Schwitzkuren ins Jenseits befördert.“

96-1 Die Epistel war im Mai 1740 verfaßt und im Februar 1750 für die Aufnahme in die „Œuvres du philosophe de Sanssouci“ umgearbeitet worden.

98-1 Vgl. Bd. VII, S. 26. ff.

98-2 Vgl. Bd. VII, S. 33.

98-3 Vgl. Bd. VII, S. 23.

99-1 Vgl. Bd. III, S. 64; VII, S. 72.

99-2 Anmerkung des Königs: „Der Elende hieß Villeneuve“ (vgl. Bd. I, S. 71).