32. Reime wider einen Arzt, der einen armen Gichtkranken durch eine Schwitzkur umzubringen gedachte94-1
(Juni 1749)
Nein, jetzt widerruf' ich alles,
Was mein Spott gesündigt hat: Nah und fern, in Dorf und Stadt — „Ehre der Arzneikunst!“ schall' es! Groß, ja groß ist Hippokrat! Denkt, was seine Allmacht kann, Wahrlich, es ist ein Mirakel: Dieser Leib hier, er zerrann, Neue Formen nimmt er an, Fließt, o grausiges Spektakel, Wie ein Bächlein mir hindann! Seht, schon werd' ich eine Quelle, Und ich sickre und ich rinne, Bis ich mir im Tal gewinne Meinen Strom so klar und helle. Ja, hinein! Für immer sollen Meine Wellen mit den seinen Sich vereinen, Selig mit ihm weiterrollen. Mag's durch Wiesenlande sein, Oder auch durch Himmelsstriche So wie Libyens fürchterliche, Glutendürre Wüstenein — Meint ihr, daß ich von ihm wiche? Ob er niederwärts von steilen<95> Bergen schäumt in Donnerfällen, Oder seine raschen Wellen Zu des Weltmeers Schoße eilen; Oder ob ein Fürst sich endlich Schlau den Wanderburschen einfängt Und mit Künsten gar umständlich Seiner Wasser Triebkraft einzwängt, Daß er mannigfach verzweigt, Als ein lust'ger Springquell steigt — Mir soll's gleich sein — immerhin Segn' ich meines Schicksals Gunst: Meiner Wandlung Hochgewinn Bleibt, daß ich jetzt sicher bin Vor der Ärzte Kunst!
94-1 Am 10. Juni 1749 sandte der König das obige „Epigramm gegen die Ärzte“ mit den Worten an Voltaire: „Ich habe Anlaß, etwas über ihr Verfahren aufgebracht zu sein; ich leide an der Gicht, und sie haben mich beinah durch ihre Schwitzkuren ins Jenseits befördert.“