<154> dem Kanzler Bestushew, daß die Prinzessin von Zerbst zum großen Staunen Europas plötzlich in Petersburg eintraf und daß die Kaiserin sie in Moskau mit allen Zeichen des Wohlgefallens und der Freundschaft empfing. Aber noch war nicht alles geebnet. Eine Schwierigkeit war noch zu überwinden. Die jungen Brautleute waren nämlich blutsverwandt1. Dieses Hindernis wurde mit Geld aus dem Wege geräumt, womit man ja in allen Ländern das Pfaffengezänk im Zaume hält. Die Popen und Bischöfe wurden bestochen und entschieden darauf, daß die Ehe den Satzungen der griechischen Kirche voll entspräche.
Nicht zufrieden mit diesem ersten Erfolge, suchte Mardefeld auch zu erreichen, daß die unglückliche braunschweigische Familie von Riga nach einer andern Gegend Rußlands verbannt wurde. Auch das gelang ihm. Zur Sicherheit der Kaiserin war es nötig, daß jene Familie, die eine Revolution gestürzt hatte und die eine neue Revolution wieder hinaufheben konnte, aus der Nähe von Petersburg entfernt wurde. Man brachte sie jenseits Archangelsk nach einem Orte in tiefster Barbarei, von dem selbst der Name unbekannt ist. Noch jetzt, wo wir dieses Buch schreiben, lebt dort Prinz Anton Ulrich von Braunschweig2. Mardefeld und der Marquis La Chétardie hielten ihre Stellung nach der Ankunft der Prinzessin von Zerbst für stark gefestigt und wollten ihr Werk durch den Sturz des Großkanzlers Bestushew krönen, der ein Feind Frankreichs aus Starrsinn und ein Anhänger Englands aus Eigennutz war. Bestushew war geistlos, ungeschickt in den Staatsgeschäften, arrogant aus Dummheit, falsch von Natur, schurkisch und doppelzüngig selbst gegen die, welche ihn erkauft hatten. Die beiden Gesandten erreichten durch ihre Intrigen nur so viel, daß die Brüder Bestushew getrennt wurden. Der Oberhofmarschall wurde als russischer Gesandter nach Berlin geschickt (April 1744). Aber der Kanzler behauptete sich am Hofe trotz aller gegen ihn unternommenen Angriffe. Mardefeld wußte seine Teilnahme an diesen Intrigen geschickt zu verbergen. La Chétardie war unvorsichtiger und ließ seine Mitwirkung ganz offen durchblicken. Daraufhin zwang man ihn — ohne Rücksicht auf seine diplomatische Stellung und seine dem Hofe geleisteten Dienste — Rußland schleunigst und auf eine wenig ehrenvolle Weise zu verlassen.
Nachdem sich die Kaiserin zur Vermählung des Großfürsten mit der Prinzessin von Zerbst entschlossen hatte, war es nicht mehr so schwer, ihre Einwilligung zur Verbindung der Prinzessin Ulrike von Preußen mit dem neuen Thronfolger von Schweden zu erhalten3. Auf diese beiden Heiraten gründete Preußen seine Sicherheit. Eine preußische Prinzessin, die dem schwedischen Throne so nahe stand, konnte gegen ihren
1 Die Mutter der Braut, Johanna Elisabeth, und der Vater des Bräutigams, Herzog Karl Friedrich von Holstein-Gottorp, waren Geschwisterkinder.
2 Die Regentin Anna starb 1746 in Cholmogory auf einer Dwinainsel unterhalb von Archangelsk. Ihr Gatte starb ebendort am 15. Mai 1775.
3 Für die Vermählung der Prinzessin Ulrike mit dem schwedischen Thronfolger Adolf Friedrich vgl. unten S. 163.