<159>

„6. Sie glauben, man dürfe die vom König von England geleistete Garantie für den Breslauer Frieden nicht verachten. Ich antworte Ihnen: alle Bürgschaften sind nichts als Filigranarbeiten, mehr zur Augenweide als zu Nutzen und Vorteil.

7. Ich will indes alles bisher Angeführte fallen lassen. Aber können Sie dem Wormser und Wiener Traktat eine harmlose Deutung geben? Die österreichischen Minister sagen freilich, das Abkommen beträfe nur Italien. Lesen Sie aber die beiden von mir angeführten Artikel, und Sie werden deutlich erkennen, daß sie sich auf Deutschland im allgemeinen beziehen und gegen mich im besonderen gerichtet sind.

8. Das Bündnis mit Sachsen ist noch weniger harmlos. Es gibt den Österreichern Hilfstruppen und öffnet ihnen einen Weg, um mich im eignen Lande anzugreifen. Sie behaupten, das Bündnis sei nur geschlossen, um den beiderseitigen Premierministern Geschenke zu verschaffen. Wahrhaftig, auf einen solchen Einwand war ich nicht gefaßt. Ich muß gestehen, daß Ihr Geist sehr hoch fliegt!

9. Noch eine andre Frage. Soll man abwarten, bis die Königin von Ungarn sich aus allen ihren Verlegenheiten befreit, bis sie Frieden mit den Franzosen geschlossen hat, denen ihre Truppen noch tüchtige Niederlagen beibringen dürften? Soll man abwarten, frage ich, bis die Königin in der Lage ist, über alle ihre Kräfte, über die Sachsens und das englische Geld zu verfügen und uns mit all diesen Vorteilen in der Hand in dem Augenblick anzugreifen, wo wir ohne Verbündete dastehen und auf nichts andres rechnen können als auf unsere eigne Kraft? Sie behaupten, die Königin von Ungarn werde den Krieg nicht in einem Feldzuge beenden; ihre Länder seien zugrunde gerichtet, ihre Einkünfte seit zehn Jahren im Rückstande, und sie werde erst nach geschlossenem Frieden ihre Erschöpfung merken. Ich antworte: Nicht jeder ist der Ansicht, daß die österreichischen Finanzen so erschöpft sind, wie Sie meinen. Große Staaten liefern große Hilfsmittel. Entsinnen Sie sich, daß Kaiser Karl VI. am Ende des Erbfolgekrieges, der ganze Schätze verschlungen hat, noch einen ganzen Feldzug gegen Frankreich ohne fremde Subsidien führte, nachdem die Königin Anna ihren Separatfrieden zu Utrecht (1713) mit den Franzosen geschlossen hatte1? Soll man warten, bis Hannibal vor den Toren steht, um ihm den Krieg zu erklären? Man denke doch an das Jahr 1733, wo Graf Sinzendorff wettete, daß die Franzosen nicht über den Rhein gehen würden, während sie schon Kehl bombardierten und einnahmen2. Wer sich in Sicherheit wiegt, kann erwidern: Als der verstorbene König Vorpommern erwarb (1720), glaubte jedermann, Schweden würde seine Rechte auf diese Provinz früher oder später wieder geltend machen. Trotzdem ist es nicht geschehen. Aber dieser Vergleich hinkt, und die Schlußfolgerung wird von selbst hinfällig. Wie kann man ein zerrüttetes, erschöpftes und zerstückeltes Reich wie Schweden mit dem mächtigen Österreich vergleichen, das, weit entfernt von Ver-“


1 Vgl. die launige Erzählung der Geschichte des Friedensschlusses im Antimachiavell, Kap. 25 (Bd.VII).

2 Vgl. S. 21.