„<160>lusten, gegenwärtig auf Eroberungen sinnt? Die fanatischen Anhänger der Königin von Ungarn behaupten zwar, es gäbe kein Beispiel dafür, daß Österreich zur Wiedereroberung verlorener Provinzen einen Krieg angefangen hätte. So etwas darf man nur Unwissenden vorreden. Hat Österreich nicht die Schweiz wiedererobern wollen? Wie viele Kriege hat es nicht geführt, um die Krone von Ungarn in seinem Herrscherhause erblich zu machen? Und was war denn das für ein Krieg, den Ferdinand II. unternahm, um den Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz aus Böhmen zu vertreiben, das diesen zum König erwählt hatte? Führte nicht Österreich einen blutigen Krieg mit Bethlen Gabor1 um Siebenbürgen? Und endlich, was treibt wohl jetzt die Königin von Ungarn, die Franzosen so hitzig zu bedrängen, wenn nicht die Hoffnung, Elsaß und Lothringen wiederzugewinnen und den Kaiser zu entthronen? Hatte man zu Wien recht, als man behauptete: „Der König von Preußen kann uns unmöglich angreifen, denn keiner seiner Vorfahren hat je Krieg mit uns geführt?“ Wir wollen uns nicht täuschen: die Beispiele der Vergangenheit, selbst wenn sie wahr sind, beweisen nichts für die Zukunft. Zuverlässiger ist die Behauptung: alles, was möglich ist, kann auch eintreffen.
10. Um alle meine Gründe durch handgreifliche Beweise zu verstärken, erinnere ich Sie nur an eine Äußerung des österreichischen Generals Molck die er bei der Durchreise durch Berlin zu Schmettau getan hat: „Mein Hof ist nicht so unüberlegt, Schlesien anzugreifen. Wir sind Bundesgenossen des Dresdener Hofes. Der Weg durch die Lausitz führt schnurstracks auf Berlin: hier allein geziemt es uns, Frieden zu schließen.“ Sie werden sagen, Molck habe ins Blaue hinein geredet. Ich habe aber eine Bestätigung dafür, daß der Wiener Hof den Frieden wirklich in Berlin schließen will. Prinz Ludwig von Braunschweig hatte aus dem Munde der Königin von Ungarn, in deren Diensten er stand, den gleichen Plan vernommen. Er vertraute ihn seinem Bruder, dem regierenden Herzog2 an, der ihn mir mitgeteilt hat. Ein Geständnis aus Feindes Munde ist wie ein mathematischer Beweis. Ich schließe also, daß wir beim Abwarten nichts gewinnen, aber alles verlieren können, daß wir also den Krieg anfangen müssen, und daß es, wenn keine andre Wahl bleibt, besser ist, mit Ehren unterzugehen, als sich mit Schande unterjochen zu lassen, wenn man sich nicht mehr verteidigen kann.“
Aber der König übereilte nichts. Die Zeit zum Losschlagen war noch nicht gekommen. Er wartete noch auf günstige Umstände, um alle Vorteile auf seiner Seite zu haben. Inzwischen schickte der Kaiser, der seine Lage für verzweifelt hielt, den Grafen Seckendorff nach Berlin, um den König von Preußen um seinen Beistand zu ersuchen (Februar 1744). Seckendorff traute sich zu, die Sachsen zu einem Parteiwechsel zu bewegen. Er versicherte, die Franzosen würden mit Nachdruck handeln; ihre Absichten wären ehrlich. Er drang sehr in den König, sich zu erklären.
1 Fürst von Siebenbürgen (1580—1629).
2 Herzog Karl, des Königs Schwager.