Am 10. abends wurden die Laufgräben vor Prag an drei verschiedenen Stellen eröffnet: auf dem Lorenzberge, bei Bubenetsch gegenüber der Mühle an der unteren Moldau und auf dem Ziskaberge. Graf Truchseß befehligte die erste Angriffslinie, Markgraf Karl die zweite, Feldmarschall Schwerin die dritte. Die erste Nacht verlief ohne Verluste. Tags darauf griff Feldmarschall Schwerin die Ziskaschanze an und erstürmte sie nach kurzem Bombardement. Gleich darauf eroberte er zwei kleine dahinterliegende Schanzen, die sogenannten Schwalbennester, die von den Franzosen angelegt waren (12. September). Der König befand sich gerade im Laufgraben von Bubenetsch. Er trat mit vielen Offizieren heraus, um den Angriff auf den Ziskaberg zu beobachten. Die Feinde erblicken den großen Menschenhaufen und feuerten darauf. Ein unglücklicher Schuß tötete den Prinzen Wilhelm, den Bruder des Markgrafen Karl, denselben, der bei Mollwitz so tapfer für den Ruhm seines Vaterlandes gefochten hatte. Nun schob man die Batterien unverzüglich vor, sodaß sie in den Hauptwall zwischen den Bastionen Nikolaus und Peter eine Bresche schossen. Am 15. setzten die Batterien des Markgrafen Karl durch ihr heftiges Bombardement die Mühle am Wasser in Brand und zerstörten die Schleusen der Moldau. Der Wasserstand wurde dadurch so niedrig, daß man den Fluß überall durchwaten und die Stadt erstürmen konnte, da auf dieser Seite ein großes Stück ohne Wall und Mauern war. Der Kommandant Harsch begann an der Verteidigung Prags zu verzweifeln. Am 16. frühmorgens sah er eine starke Grenadierabteilung nach Bubenetsch marschieren. Er wußte, das war das Vorspiel der Erstürmung, bat um Kapitulation und ergab sich mit seiner Besatzung von 12 000 Mann. Die ganze Belagerung hatte nur acht Tage gedauert. Sie kostete den Belagerern 40 Tote und 80 Verwundete. Am selben Tage wurden die Tore geöffnet und die Besatzung nach Schlesien abgeführt, wo sie auf die Festungen verteilt ward.
Die Eroberung Prags war ein glänzender Anfang des Feldzuges. Man durfte annehmen, daß dies Ereignis Eindruck auf die Sachsen machen und daß sie nun weniger denn je die Partei der Königin von Ungarn ergreifen würden. Man konnte voraussetzen, daß sie ihr Kurfürstentum nicht von Truppen entblößen und es dadurch dem Fürsten von Anhalt ausliefern würden. War Leipzig, der Hauptsitz ihres Handels, in seiner Gewalt, so konnte er den Nerv ihres Staates und die Quelle ihres Kredits zugrunde richten. Doch das englische Gold siegte in Dresden über die wahren Interessen des Landes.
Die preußische Armee hatte jetzt die Wahl zwischen zwei Operationen. Die eine, die auch in den Augen des Königs den Vorzug verdiente, bestand darin, über die Beraun zu gehen, Batthyany aus Böhmen zu vertreiben und sich der Stadt Pilsen mit ihrem beträchtlichen Magazin für das Heer des Prinzen von Lothringen zu bemächtigen und dann bis zu den Pässen von Cham und Furth vorzudringen, die den Österreichern den Einmarsch nach Böhmen von der Oberpfalz her gestatteten. Allerdings konnte der Prinz von Lothringen sich auf Eger werfen, wo die Sachsen zu ihm gestoßen