<216> unmittelbares Interesse bedeuteten sie nicht mehr als ein Sieg am Skamander oder die Eroberung von Peking. Zudem, fuhr der König in seinem Briefe fort, hielten die Franzosen in Flandern kaum 6 000 Österreicher in Schach, und er könne sich in der augenblicklichen Gefahr nicht mit schönen Worten zufrieden geben, sondern müsse dringend um wirkliche Hilfe bitten. Der Vergleich mit dem Skamander und Peking mißfiel Seiner Allerchristlichsten Majestät. Die Verstimmung war zwischen den Zeilen des Antwortschreibens zu lesen, und der König von Preußen fühlte sich wiederum durch den kalten und hochmütigen Ton dieser Antwort gekränkt.
Während diese kleinen Zwistigkeiten dem unter Verbündeten nötigen Einvernehmen schadeten, begannen die Österreicher ihre Operationen im Felde. Das österreichische Heer, aus den Truppen der Königin und aus den Sachsen bestehend, rückte allmählich an die schlesische Grenze. Die Österreicher kamen von Königgrätz und aus der Gegend von Jaromircz, die Sachsen von Jung-Bunzlau und Königinhof. Sie vereinigten sich bei Trautenau, von wo sie auf Schatzlar vorrückten. Unterwegs konnten sie sich nicht aufhalten. Alle ihre Bewegungen waren also fast auf Tag und Stunde zu berechnen. Es war daher an der Zeit, General Winterfeldt in Landeshut die nötigen Befehle zu erteilen. Er sollte sich beim Nahen des Feindes auf das Du Moulinsche Korps zurückziehen und gemeinsam mit ihm den Rückzug bis Schweidnitz fortsetzen. Dabei sollten sie möglichst geschickt die Nachricht aussprengen, daß die Preußen im Begriff ständen, den Fuß des Gebirges zu verlassen und unter den Kanonen von Breslau Schutz zu suchen.
Der doppelte Spion, von dem schon die Rede war, griff diese Gerüchte begierig auf und brachte dem Prinzen von Lothringen flugs die Bestätigung vom Rückzug der Preußen, den er ihm vor einiger Zeit gemeldet hatte. List nutzt im Kriege oft mehr als Kraft. Freilich darf man sie nicht zu häufig anwenden, sonst verliert sie ihren Wert. Man soll sie für wichtige Gelegenheiten aufsparen. Wenn die falschen Nachrichten, die man dem Feinde zukommen läßt, seinen Leidenschaften schmeicheln, so ist man fast sicher, ihn in die Falle zu locken. Da Winterfeldt und Du Moulin dem Feinde um einen Tagemarsch voraus waren, so gelangten sie nach Schweidnitz, ohne daß ihnen das geringste zustieß.
Die Armee des Königs verließ Frankenstein und bezog am 30. Mai ein Lager bei Reichenbach. Von da hatte sie nur noch einen kleinen Marsch bis Schweidnitz, das sie am 1. Juni passierte. Das Winterfeldtsche und das Du Moulinsche Korps marschierten als Avantgarde und nahmen die Anhöhen von Striegau diesseits des Striegauer Wassers ein. General Nassau besetzte mit seinem Korps den Nonnenbusch, und die Armee lagerte in der Ebene zwischen Alt-Jauernick und Schweidnitz. Derart war der zwei Meilen breite Raum zwischen Striegau und Schweidnitz von einer fast ununterbrochenen Linie preußischer Truppen besetzt. Die Stellung des Königs war höchst vorteilhaft. General Wallis, der Führer der feindlichen Avantgarde, und Nadasdy erschienen zuerst auf den Anhöhen von Freyburg. Der Prinz