<231>such, das Städtchen Neustadt, wo Major Tauentzien1 befehligte, mit Gewalt zu nehmen. Jedesmal wurden sie durch die Tapferkeit des verdienstvollen Kommandanten zurückgeschlagen. Der Posten war sehr wichtig, weil er die Verbindung mit Schlesien sicherte. Der Prinz von Lothringen schätzte die Verstärkung durch die neuen Hilfstruppen höher ein als den Verlust, den er durch den Abzug der Sachsen erfuhr. Er ging über die Adler und bezog das frühere preußische Lager zwischen Königgrätz und Kralova-Lhota. Die Preußen änderten infolgedessen ihre Stellung, sodaß sie die Elbe vor ihrer Front hatten und sich mit ihrem rechten Flügel an Smirschitz, mit dem linken an Jaromircz lehnten. Du Moulin behielt seinen Posten bei Skalitz, und General Lehwaldt besetzte die Anhöhen bei Pleß an der Mündung der Mettau in die Elbe, sodaß die Preußen beide Flüsse in ihrer Gewalt hatten.

Der französische Gesandte Marquis Valory hatte sich in der Vorstadt von Jaromircz einquartiert. Man riet ihm, lieber in die Stadt zu kommen, aber er hörte nicht darauf. Ein österreichischer Freischarenführer namens Franquini stand mit dem Wirte des Marquis in geheimem Einverständnis. Er versuchte, Valory aufzuheben, schlich sich zwischen Scheunen und Gärten heran, fing aber aus Versehen den Sekretär anstatt des Gesandten. Der Sekretär, namens Darget, hatte die Geistesgegenwart, alle Papiere zu zerreißen. Er opferte sich für seinen Herrn, indem er sich für Valory ausgab. Erst als Franquini dessen nicht mehr habhaft werden konnte, sagte er die Wahrheit2.

Die Stellung der Preußen war unangreifbar. Selbst wenn der Prinz von Lothringen einen Übergang über die Mettau hätte versuchen wollen, konnte der König


1 Bogislav Friedrich von Tauentzien.

2 Diese Episode, die sich während der Nacht vom 3. zum 4. September abspielte, bildet den Gegenstand des komischen Heldengedichts „Das Palladium“ (vgl. Bd. IX). Ausführlicher als oben schildert der König sie in den Denkwürdigkeiten von 1746: „Franquini unternahm einen verwegenen Streich. Wäre er gelungen, so hätte er sich einen Namen gemacht. Der französische Gesandte hatte sich in der Vorstadt Jaromircz einquartiert, die zum Kukuksbad gehört. Die Wache war wenige Schritte von seinem Hause. Franquini wollte ihn aufheben. Er stand in heimlichem Einverständnis mit den Bürgern der Stadt, insbesondere mit dem Wirt des Gesandten. Mit dessen Unterstützung ließ er ein Dutzend Soldaten durch eine Scheune, die aufs freie Feld führte, sich bei Nacht in das Haus schleichen. Sie stiegen geräuschlos die Treppe hinauf, fanden die Dienerschaft des Marquis im tiefsten Schlafe und fragten, wo ihr Herr wäre. Darget, der Sekretär, antwortete: „Ich bin es.“ Darauf wird er gepackt und abgeführt. Die Wache eilt herbei und feuert. Valory erwacht im Nebenzimmer. Er will um Hilfe rufen und Lärm schlagen. Sein Kammerdiener, der hier mehr Geistesgegenwart bewies als er selbst, hält ihn mit Gewalt zurück. Balory beginnt zu fluchen und zu schelten und überhäuft seinen Kammerdiener mit Schimpfworten: „Du Lump, laß mich los, damit ich den Schuften eins aufbrenne!“ Kurz, er wäre durch seine eigne Schuld in Feindeshand gefallen, hätten Franquinis Leute sich nicht eiligst aus dem Staube gemacht. Am nächsten Morgen war Valory noch immer außer sich und ganz erfüllt von dem nächtlichen Abenteuer. Seine Beredsamkeit erschöpfte sich in Flüchen: „Sackerment, hätt' ich doch die Lumpen beim Kragen gekriegt! Ha, verflucht! was mag aus dem armen Darget geworden sein? Potzblitz, den Hundsföttern von Panduren müßte man die Ohren abschneiden!“ Dargets Treue gegen seinen Herrn und die geschickte Art, in der er sich während seiner Gefangenschaft über alle Vorgänge im österreichischen Lager zu unterrichten wußte, bestimmten mich, ihn später in meine Dienste zu nehmen.“ — Darget wurde am 18. Januar 1746 zum Privatsekretär des Königs ernannt. 1753 kehrte er nach Frankreich zurück.