<241> Offiziere verloren ihre ganze Bagage. Selbst des Königs Sekretäre1 wurden gefangen genommen. Sie besaßen die Geistesgegenwart, alle ihre Papiere zu vernichten.
Doch wie konnte man an solche Kleinigkeiten denken, wo der Geist mit den größten und wichtigsten Dingen beschäftigt war, vor denen alle andern zurücktreten: mit dem Ruhm und der Wohlfahrt des Staates. Lehwaldt kam auf das Kampfgetöse hin noch rechtzeitig herbei, rettete die Bagage des rechten Flügels und tat den schändlichen Grausamkeiten Einhalt, welche die zucht- und zügellosen ungarischen Scharen gegen einige Kranke und gegen die im Lager zurückgebliebenen Frauen verübten. Derartige Untaten empören jeden, der ein menschliches Empfinden hat, und wer sie begeht oder duldet, dem bringen sie Schande. Zum Lobe des preußischen Soldaten muß gesagt werden, er ist tapfer, aber nicht grausam und hat oft Beweise von Seelengröße geliefert, die man Leuten aus niederem Stande nicht zutrauen sollte.
Die Nachwelt wird vielleicht erstaunen, daß ein in zwei Feldschlachten siegreiches Heer sich vor dem geschlagenen Gegner zurückzieht, statt die Frucht seiner Siege zu ernten. Des Rätsels Lösung liefern die Gebirge, die Böhmen einschließen, die Engpässe, die es von Schlesien trennen, die Schwierigkeit der Verpflegung, die Überlegenheit des Feindes an leichten Truppen und endlich die Erschöpfung der Armee. Hätte der König seine Winterquartiere in Böhmen beziehen wollen, so wären folgende Schwierigkeiten entstanden. Das Land war rein ausfouragiert. In der ganzen Gegend gibt es nur wenige und kleine Städte, fast alle mit schlechten Mauern. Man hätte also die Truppen der Sicherheit wegen in solchen Nestern zusammenpferchen müssen, und das hätte der Armee ansteckende Krankheiten und schließlich den Untergang gebracht. Es waren kaum Mehlwagen vorhanden. Wo sollte man Fouragewagen für die Kavallerie finden? Verließ aber der König Böhmen, so konnte er Rekruten, Remonten und neue Ausrüstungen beschaffen und den Truppen reichliche Nahrung und Ruhe gewähren, sodaß sie im künftigen Frühjahr, wenn es nötig war, wieder ins Feld gestellt werden konnten. Wahrscheinlicher war es jedoch, daß die Kaiserin-Königin nach der Schlacht von Soor geneigter sein würde, dem Vertrage von Hannover beizutreten.
Nachdem man der Ehre halber fünf Tage auf dem Schlachtfelde von Soor gelagert hatte, führte der König seine Truppen nach Trautenau zurück. Der Prinz von Lothringen stand noch bei Ertina, um bei der Nachricht vom Anmarsch der Preußen auf Königgrätz zurückzugehen.
Im Lager von Soor traf die Meldung ein, daß General Nassau am Tage der Schlacht ein Korps Ungarn bei Leobschütz geschlagen und 170 Gefangene gemacht hatte. Auch Fouqué war es gelungen, 400 Husaren zwischen Grulich und Habelschwerdt aufzuheben. Sie wurden nach Glatz gebracht. Warnery2, der mit 300 Pferden bei Landeshut stand, erfuhr, daß ein neues ungarisches Regiment Leopold Palffy nach Böhmisch-
1 Eichel und Müller.
2 Karl Emanuel von Warnery, Verfasser des vielberufenen Werkes „Feldzüge Könlg Friedrichs ll. von Preußen von 1757— 1762“, an denen er äußerst scharfe Kritik übt.
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