<39>schaftslos und vorurteilsfrei war, so lieferte er sich nicht blindlings den Launen des Wiener Hofes aus. Der Kurfürst von Trier konnte nichts als kriechen.

Der Kurfürst von der Pfalz1 spielte keine große Rolle. In dem Kriege von 1733 hatte er sich neutral gehalten, und sein Land litt unter den Ausschreitungen, welche die beiden feindlichen Heere dort verübten. Er hält acht- bis zehntausend Mann, hat zwei Festungen, Mannheim und Düsseldorf, aber keine Soldaten zu ihrer Verteidigung.

Die übrigen Herzöge, Fürsten und Stände des Reiches wurden vom kaiserlichen Hofe mit ehernem Zepter beherrscht. Die Schwachen waren Sklaven, die Mächtigen frei. Der Herzog von Mecklenburg2 stand damals unter Sequester: die kaiserlichen Kommissare schürten die Zwietracht zwischen dem Herzog und seinen Ständen und fraßen beide arm. Die kleinen Fürsten trugen das Joch, weil sie es nicht abzuschütteln vermochten. Ihre Minister bekamen von den Kaisern Gehälter und Titel und unterwarfen ihre Herren dem österreichischen Despotismus.

Das Deutsche Reich ist mächtig, wenn man die Menge seiner Könige, Kurfürsten und Fürsten sieht. Es ist schwach, wenn man die widerstreitenden Interessen welche die Fürsten trennen, betrachtet. Der Reichstag zu Regensburg ist nur ein Schattenbild und eine schwache Erinnerung an das, was er einstens war. Jetzt ist er eine Versammlung von Rechtsgelehrten, denen es mehr auf die Formen als auf die Sache ankommt. Ein Minister, den ein Reichsfürst zu dieser Versammlung schickt, gleicht einem Hofhunde, der den Mond anbellt. Soll ein Krieg beschlossen werden, so weiß der kaiserliche Hof seine Privatstreitigkeiten geschickt mit den Reichsinteressen zu verflechten, um die deutsche Macht zum Werkzeug seiner ehrgeizigen Absichten zu benutzen. Die verschiedenen, in Deutschland geduldeten Religionen erregen nicht mehr wie einst heftige Erschütterungen. Zwar sind die Parteien geblieben, aber der Eifer ist erkaltet. Viele Staatsmänner wundern sich, daß eine so sonderbare Staatsverfassung wie das Deutsche Reich so lange bestehen konnte, und schreiben dies nicht sehr einsichtsvoll dem nationalen Phlegma zu. Das ist nicht der Fall. Die Kaiser wurden gewählt, und seit dem Erlöschen der Karolinger sieht man immer Fürsten aus verschiedenen Häusern zur Kaiserwürde emporsteigen. Sie hatten Streit mit ihren Nachbarn, sie hatten den berühmten Zwist mit den Päpsten über die Investitur der Bischöfe mit Ring und Stab; sie mußten sich zu Rom krönen lassen. Alles dies waren Fesseln, die sie hinderten, das Reich unumschränkt zu beherrschen. Andrerseits waren die Kurfürsten, etliche Fürsten und Bischöfe, wenn sie sich zusammentaten, zwar stark genug, dem Ehrgeiz der Kaiser zu widerstehen, aber nicht so stark, um die Reichsverfassung zu ändern. Seitdem die Kaiserkrone im Hause Österreich erblich blieb3, wurde die Gefahr des Despotismus offenbarer. Karl V. konnte sich nach der Schlacht bei Mühlberg zum absoluten Herrn machen, aber er verpaßte den Augenblick. Als dann seine Nachfolger, die Ferdinande, den Versuch unternahmen, vereitelten Frank-


1 Karl Philipp.

2 Karl Leopold.

3 1438—1740.