<43> Türken auszustoßen. Das osmanische Reich spürte davon nichts. War es von den Russen geschlagen worden, so blieb es gegen die Österreicher überall Sieger.
Der berühmte Abenteurer Bonneval befand sich damals in Konstantinopel. Aus dem Dienste Frankreichs war er in kaiserliche Dienste getreten, die er aus Leichtsinn verließ, um Türke zu werden1. Er war nicht talentlos. Dem Großvezier schlug er vor, die Artillerie auf europäischem Fuß einzurichten, Mannszucht unter die Janitscharen und Ordnung in die zahllose Masse der Truppen zu bringen, die nur in aufgelöster Ordnung fochten. Das Vorhaben konnte den Nachbarn gefährlich werden; es ward aber verworfen, weil es gegen den Koran verstieß, in dem Mohammed vor allem empfiehlt, die alten Gebräuche nicht anzutasten. Die türkische Nation ist von Natur begabt, aber durch Unwissenheit verdummt. Sie ist tapfer, aber ungeschult, versteht nichts von Verwaltung, und von Staatskunst noch weniger. Das Dogma des Fatalismus, woran die Türken hängen, heißt sie, die Ursache alles Unglücks auf Gott schieben, und so bleiben sie stets bei den alten Fehlern. Die Stadt Konstantinopel hat zwei Millionen Einwohner. Die Macht der Türkei beruht auf ihrer großen Ausdehnung; trotzdem würde sie ohne die Eifersucht der europäischen Fürsten nicht mehr bestehen. Damals regierte der Padischah Mahmud I. Durch eine Revolution war er aus den Kerkern des Serails auf den Thron gesetzt worden (1730). Die Natur hatte ihn ebenso impotent gemacht wie seine Eunuchen. Es war für die Schönen des Serails eine gar traurige Regierung.
Der furchtbarste Nachbar der Türken war der Schah Nadir, bekannt unter dem Namen Thamas-Chouli-Kan. Er unterjochte Persien, bezwang den Großmogul, machte der Pforte viel zu schaffen und diente als Gegengewicht gegen ihre Anschläge auf die christlichen Mächte.
Soviel von den Kräften und den Interessen der europäischen Höfe im Jahre 1740. Dieser Abriß war nötig zum Verständnis der folgenden Denkwürdigkeiten. Es bleibt uns nur noch übrig, der Fortschritte des menschlichen Geistes zu gedenken: sowohl in der Philosophie, in den Wissenschaften, in den schönen Künsten, als in der Kriegführung und in den herrschenden Sitten und Gebräuchen. Die Fortschritte in der Philosophie, der Volkswirtschaft, der Kriegskunst, im Geschmack und den Sitten sind unstreitig ein fesselnderes Thema als Betrachtungen über Trottel im Purpurgewande, über Gaukler in der Bischofsmütze und jene Unterkönige, die man Minister nennt: von denen nur sehr wenige einen Platz im Andenken der Nachwelt verdienen. Wer aufmerksam in der Geschichte liest, der wird finden, daß dieselben Szenen oft wiederkehren; man braucht nur die Namen der handelnden Personen zu ändern. Hingegen die Entdeckung neuer Wahrheiten zu verfolgen, den Ursachen der Veränderungen in den Sitten nachzuspüren und die Anlässe zur Vertreibung der finsteren
1 1730. Er trat zum Islam über und hieß seitdem Achmed Pascha.