<54> ihnen lag ihr Ruhm und die Erniedrigung des Hauses Österreich sehr am Herzen. Von England konnte man nur Subsidien beziehen, die es zahlte, um sich fremder Kräfte zum eignen Vorteil zu bedienen1.
Rußland hatte damals in der europäischen Politik noch zu wenig Gewicht, um durch seinen Beitritt das Übergewicht einer Partei zu entscheiden. Sein Einfluß erstreckte sich vorerst nur auf seine Nachbarn, Schweden und Polen.
Was die Türken betrifft, so galt es damals als politische Regel, daß, wenn die Franzosen sie gegen Österreich oder Rußland aufwiegelten, diese beiden Mächte sich an Thamas-Chouli-Kan wandten, der sie durch eine Diversion gegen die Pforte von aller Gefahr auf dieser Seite befreite.
Was hier angeführt wurde, war der gewöhnliche Gang der Politik. Freilich gab es hin und wieder Ausnahmen von der Regel. Doch wir halten uns hier nur an den durchschnittlichen Verlauf und an das, was eine gesunde Politik der Mächte erheischte.
Europas ganzes Interesse war damals auf die Erbfolge im Hause Österreich gerichtet, die nach dem Tode Kaiser Karls VI., des letzten Habsburgers im Mannesstamm, zur Entscheidung kommen mußte. Um der Zerstückelung der Monarchie vorzubeugen, hatte Karl VI., wie gesagt, ein Hausgesetz unter dem Namen der „Pragmatischen Sanktion“ erlassen, das seine Erbschaft für seine Tochter Maria Theresia sicherstellen sollte: Frankreich, England, Holland, Sardinien, Sachsen und das Deutsche Reich hatten diese Pragmatische Sanktion garantiert. Auch der verstorbene König Friedrich Wilhelm hatte sie verbürgt, unter der Bedingung, daß der Wiener Hof ihm die Erbfolge in Jülich und Berg gewährleistete. Der Kaiser sagte ihm das zu, hielt aber sein Versprechen nicht2, sodaß also der König von der Garantie der Pragmatischen Sanktion entbunden war, die sein Vater bedingungsweise übernommen hatte.
Auf die Erbfolge in den Herzogtümern Jülich und Berg3, die im Jahre 1740 nahe zu sein schien, war damals das Hauptaugenmerk der Politik des Hauses Brandenburg gerichtet. Friedrich Wilhelm hatte sich im Gefühl seines nahen Endes in kein Bündnis eingelassen, um seinem Nachfolger freie Hand zu lassen, welche Verbindungen er je nach Umständen und Gelegenheit eingehen wollte. Nach dem Tode des Königs knüpfte der Berliner Hof Unterhandlungen in Wien, Paris und London an, um zu ergründen, welche von diesen Mächten seinen Interessen am geneigtesten wäre. Er fand sie alle gleich kühl. Denn nur dann verständigt man sich und kommen Allianzen zum Abschluß, wenn gegenseitige Bedürfnisse das einigende Band bilden. Es lag aber Europa wenig daran, ob der König oder irgendein andrer Fürst das Her-
1 In der Fassung von 1746 sagt der König noch deutlicher: „Die Fürsten, welche die Leidenschaft der Vergrößerung beseelt, werden sich, wenn die Gelegenheit kommt, auf Frankreichs Seite stellen; die aber, die den Reichtum dem Ruhme vorziehen, werden sich England anschließen.“
2 Vgl. S. 4.
3 Vgl. S. 3.