<61>Umschwung schien vorteilhaft für Preußen; denn Biron, Preußens Feind, war verbannt, und der Gatte der Regentin, Anton Ulrich von Braunschweig, war des Königs Schwager. Aber die mecklenburgische Prinzessin hatte neben ihrem Verstande alle Launen und Fehler einer schlecht erzogenen Frau, und ihr Gatte war schwach, geistlos und besaß keinen andern Vorzug als instinktive Tapferkeit. Münnich, das Werkzeug ihrer Erhebung und Rußlands Heros, hatte zugleich die kaiserliche Macht in Händen. Der König von Preußen schickte Winterfeldt als Gesandten nach Rußland, angeblich, um den Prinzen von Braunschweig und seine Gemahlin zu dem guten Ausgang des Unternehmens zu beglückwünschen. Doch die wahre Ursache und der geheime Zweck dieser Sendung war, Münnich, Winterfeldts Schwiegervater, zu gewinnen und ihn für die Absichten, an deren Ausführung man gehen wollte, günstig zustimmen. Dies gelang Winterfeldt so gut, wie man es nur wünschen konnte.
Trotzdem man in Berlin alle Vorsicht anwandte, um die geplante Unternehmung geheimzuhalten, war es doch nicht möglich, Magazine anzulegen, Geschütze bereitzustellen und Truppen in Marsch zu setzen, ohne daß es gemerkt wurde. Das Publikum ahnte bereits, daß etwas vorging. Demeradt, der Kaiserliche Gesandte zu Berlin, schrieb warnend an seinen Hof, daß ein Gewitter im Anzuge sei, das sich sehr wohl gegen Schlesien entladen könnte. Der Staatsrat der Königin antwortete ihm aus Wien: „Wir wollen und können den von Euch gemeldeten Nachrichten keinen Glauben beimessen.“ Gleichwohl sandte man den Marchese Botta nach Berlin, um dem König zu seiner Thronbesteigung zu gratulieren, aber mehr noch, um zu erforschen, ob Demeradt nur blinden Lärm geschlagen hatte. Der Marchese Botta war schlau und scharfsinnig. Er merkte sofort, um was es sich handelte. Nachdem er in seiner Antrittsaudienz1 die üblichen Komplimente gemacht hatte, sprach er von den Unbequemlichkeiten der zurückgelegten Reise und erwähnte besonders die schlechten Wege in Schlesien, die durch Überschwemmungen so verdorben seien, daß man nicht durchkommen könnte. Der König tat, als verstände er das nicht, und antwortete, das Schlimmste, was den Reisenden auf solchen Wegen zustoßen könne, sei, sich zu beschmutzen.
So fest auch der König entschlossen war, den gefaßten Plan durchzuführen, so hielt er es doch für richtig, Versuche zum gütlichen Vergleich beim Wiener Hofe zu machen. Zu diesem Zwecke schickte er den Grafen Gotter nach Wien. Der sollte der Königin von Ungarn erklären: falls sie des Königs Ansprüche auf Schlesien anerkennen wolle, so biete er ihr nicht nur seinen Beistand gegen alle offenen und versteckten Feinde an, welche das Erbe Karls VI. zerstückeln wollten, sondern auch seine Stimme bei der Kaiserwahl für den Großherzog von Toskana. Da vorauszusehen war, daß dieses Anerbieten zurückgewiesen würde, so war Graf Gotter für diesen Fall ermächtigt, der Königin von Ungarn den Krieg zu erklären. Die Armee war flinker als der Ge-
1 Am 6. Dezember 1740.