Der Marschall Belle-Isle verbindet die Freimütigkeit und Aufrichtigkeit eines Soldaten mit der Höflichkeit eines Hofmannes. Er behauptet die Würde, mit der er bekleidet ist, ohne daß er den verletzenden Hochmut zur Schau trägt, durch den die Gesandten Ludwigs XIV. ihrem Herrn mehr Feinde machten, als sein Glück ihm Neider geschaffen hat. Seine Gesundheit ist zart, doch seine Phantasie ist um so lebhafter. Die Verhandlungen, die ich mit ihm führte, bezogen sich hauptsächlich auf die Kaiserwahl, auf ein etwaiges Bündnis und den Rest des Erbes der Königin von Ungarn. Wir vereinbarten, daß ich, wenn Frankreich mir den ungestörten Besitz von ganz Niederschlesien bis zur Neiße gewährleisten wollte, auf die Erbfolge in Jülich und Berg verzichten und meine Stimme bei der künftigen Kaiserwahl dem Kurfürsten von Bayern1 geben würde. Ferner, daß Frankreich, wenn die Aufteilung der Staaten des Hauses Österreich zustande käme, dem Kurfürsten von Bayern ein starkes Heer nach Deutschland zu Hilfe schicken sollte, daß ein anderes Korps die hannoverschen Truppen am Niederrhein in Schach halten und daß zuvörderst Schweden an Rußland den Krieg erklären müßte. Dies war nur ein Vertragsentwurf zwischen uns, ohne bindende Abmachungen2.
Ich betrachtete dieses Bündnis mit Frankreich als die letzte Sehne an meinem Bogen, und bevor ich es einging, wollte ich alte Möglichkeiten gütlicher Auseinandersetzung mit der Königin von Ungarn, die mir etwa blieben, erschöpfen, da ich den Weg der Güte, wenn irgend möglich, dem der Gewalt vorziehen wollte.
Der ganze Monat Mai verging über diesen Verhandlungen. Sachsen, das auf meine Erfolge und meine Vergrößerung eifersüchtig war, setzte alle Hebel seiner Politik in Bewegung, um mir Schwierigkeiten zu bereiten und mich zugrunde zu richten. Ein Plan war aufgestellt, in welcher Weise Sachsen, Rußland und Hannover sich in meine Staaten teilen sollten. Die Intrigen des Marchese Botta und der Liebreiz Lynars im Verein mit dem Ehrgeiz des Grafen Ostermann hatten Münnich gestürzt3. Die Briefe der Kaiserin-Witwe und ihrer Mutter, der alten Herzogin von Braunschweig-Blankenburg4, hatten den schwachen Geist des Prinzen Anton Ulrich zugunsten der Königin von Ungarn umgestimmt. Die Russen waren bereit, in Preußen einzufallen; eine große Truppenmacht stand in Livland und Kurland; Lord Finch5 trieb, soviel er vermochte, zur Ausführung dieses Unternehmens an. Der König von England sollte im Verein mit Sachsen gleichzeitig gegen die Alt- und Mittelmark vorgehen. Um die nötige Zeit für ihre Vorbereitungen zu gewinnen, führten diese Mächte gegen mich eine schmeichelnde Sprache.
1 Karl Albert, am 24. Januar 1742 als Karl VII. zum römischen Kaiser gewählt; † 20. Januar 1745.
2 Die Allianz wurde erst am 4. Juni 1741 gezeichnet.
3 Feldmarschall Graf Münnich wurde März 1741 entlassen; Graf Heinrich Johann Friedrich Ostermann, russischer Großadmiral; Marchese Botta, der österreichische Gesandte in Petersburg.
4 Die Witwe Kaiser Karls VI., Kaiserin Elisabeth († 1750), und ihre Mutter Christine Luise, Witwe des 1735 gestorbenen Herzogs Ludwig Rudolf von Braunschweig-Wolfenbüttel, geb. Prinzessin von Öttingen († 1747).
5 Der englische Gesandte in Petersburg.