<89> so erfolgreich gewesen, daß Neipperg drauf und dran sei, Schlesien zu räumen, wofern der König ihm mündlich erklärte, nichts mehr gegen die Königin zu unternehmen. Die Feinde verlangten nichts als eine Unterredung, die dem preußischen Staate Provinzen einbringen sollte und ruhige Winterquartiere für die durch einen elfmonatigen Feldzug erschöpften Truppen. Die Verführung war groß. Der König wollte versuchen, was bei dieser Unterredung herausspringen könnte. Er begab sich heimlich, nur vom Obersten Goltz1 begleitet, nach Kleinschnellendorf, wo er den Feldmarschall Neipperg, General Lentulus und Lord Hyndford antraf (9. Oktober).

Der König tat diesen Schritt nicht ohne Überlegung. Zwar hatte er einige Ursache, sich über Frankreich zu beschweren, doch ging seine Verstimmung nicht so weit, daß er einen Bruch wünschte. Die Gesinnungen des Wiener Hofes kannte er aus eigner Erfahrung und wußte, daß von dort nichts Freundschaftliches zu erwarten war. Offenbar verstand sich die Königin von Ungarn zu dieser Konvention nur deshalb, um durch ihre Bekanntmachung Mißtrauen unter die Verbündeten zu säen. Er mußte also als unerläßliche Bedingung von den Österreichern die Berechtigung fordern, die Vereinbarung zu brechen, wenn sie das Geringste von dem Abkommen verlauten ließen. Daß dies unfehlbar erfolgen würde, war dem König ganz sicher. Das Protokoll führte Lord Hyndford im Namen seines Herrn. Man vereinbarte, daß Neiße nur zum Schein belagert werden sollte, daß die preußischen Truppen in ihren Quartieren, sowohl in Schlesien wie in Böhmen, nicht beunruhigt werden dürften, und vor allem, daß bei der geringsten Indiskretion alle Verabredungen null und nichtig sein sollten.

Man muß gestehen: wenn es etwas wie ein unseliges Schicksal gibt, so war ihm Neipperg verfallen. Ihm schien es bestimmt, die demütigendsten Verträge für seine Fürstin zu schließen2. Kurz nach Abschluß dieser Konvention rückte er mit seiner Armee nach Mähren ab. Die Belagerung von Neiße wurde sofort angefangen. Die Stadt hielt sich nur zwölf Tage. Die österreichische Besatzung war noch nicht abgezogen, als die preußischen Ingenieure in der Stadt schon die neuen Werke zeichneten, welche die Festung in der Folge zu einem der stärksten Plätze Europas machten. Nach der Einnahme von Neiße (31. Oktober) trennte sich die Armee. Ein Teil rückte unter dem Kommando des Erbprinzen Leopold von Anhalt in Böhmen ein. Einige Regimenter wurden zur Einschließung von Glatz verwandt. Die übrigen Truppen lagerten sich unter dem Oberbefehl des Feldmarschalls Schwerin in Oberschlesien.

Der Herzog von Lothringen, der sich zu Preßburg aufhielt, wiegte sich in der Hoffnung, der König von Preußen hielte vorläufige Vereinbarungen für perfekte Friedensschlüsse, und schrieb an ihn, um seine Stimme zur Kaiserwahl zu erbitten. Die Antwort war höflich, aber in so dunklem und verworrenem Stil abgefaßt, daß der Schreiber seinen Brief selbst nicht verstand.


1 Freiherr Georg Konrad von der Goltz.

2 Vgl. S. 22.