<94>oberung. Prag wurde also von drei verschiedenen Seiten bestürmt1. Graf Moritz von Sachsen erstieg den flankierten Winkel der Bastion Nikolaus am Neu-Tor; die Zugbrücke wurde herabgelassen, und durch das Tor drang die Kavallerie in die Stadt, säuberte die Straßen und vertrieb die Besatzung des Karls-Tors, das Graf Rutowski vergeblich zu erobern versuchte. Erst nachdem der Gegner den Wall geräumt hatte, ließ Graf Moritz zum Sturm vorgehen. Von den Feinden überwältigt, mußten die Österreicher die Waffen strecken. Ein dritter Angriff, den Polastron leitete, mißlang völlig.

Der Herzog Franz von Lothringen, Großherzog von Toskana, wollte sich damals an die Spitze der Heere stellen und rückte in Eilmärschen heran, um Prag zu retten. Kaum aber war er in Königssaal angelangt, so erfuhr er, daß die Verbündeten schon Herren der Stadt seien. Das wirkte auf ihn wie ein Donnerschlag. Hastig machte er wieder kehrt. Es war mehr eine Flucht als ein Rückzug. Die Soldaten liefen auseinander, plünderten die Dörfer und gingen scharenweise zu den Franzosen über. Neipperg und Lobkowitz flüchteten sich mit ihren mutlosen Truppen hinter die Sümpfe von Budweis, Tabor, Neuhaus und Wittingau, berühmte Stellungen, in denen vor Zeiten schon der Hussitenführer Ziska allen seinen Feinden getrotzt hatte.

Marschall Belle-Isle, den die Gicht an Dresden gefesselt hielt, solange die Dinge in Böhmen noch mißlich schienen, begab sich sofort nach der Übergabe nach Prag. Er schickte Polastron nach Deutsch-Brod und den Grafen Moritz nach Pischely, um die Ufer der Sazawa zu säubern, während d'Aubigné mit 20 Bataillonen und 30 Schwadronen gegen die Wottawa vorrückte. Nach der Absicht des Marschalls sollte d'Aubigné bis Budweis vorstoßen, blieb aber in seiner Saumseligkeit bei Pisek stehen. So gab die Untätigkeit der französischen Heerführer den Österreichern Zeit, sich zu erholen und in ihren Quartieren zu verschanzen. Marschall Belle-Isle gefiel sich in seiner repräsentativen Stellung und wollte lieber den Gesandten als den Heerführer spielen. Deshalb schrieb er an den Kardinal, seine Gesundheit sei den Strapazen eines Feldzuges nicht mehr gewachsen und er bäte um Ablösung vom Oberbefehl. Der Kardinal übertrug die Führung dem Marschall Broglie2, einem durch zwei Schlagflüsse geschwächten Manne. Da Broglie aber als Gouverneur in Straßburg stand, schien er von allen Generalen derjenige, der am schnellsten zur Armee in Böhmen stoßen konnte.

Gleich bei seiner Ankunft überwarf Broglie sich mit dem Marschall Belle-Isle. Er änderte alle Anordnungen seines Vorgängers und zog eine große Anzahl von Truppen zusammen, mit denen er nach Pisek rückte. Der Großherzog machte Miene, ihn anzugreifen, aber sein Versuch war fruchtlos. Lobkowitz hatte nicht mehr Erfolg gegen Frauenberg. Schließlich kehrten die Österreicher nach unnützer Anstrengung in ihre Quartiere zurück. Den Franzosen, die ihre Ruhe und Bequemlichkeit haben woll-


1 Der Sturm erfolgte in der Nacht vom 25. auf den 26. November 1741.

2 Franz Maria, Herzog von Broglie.