3. Kapitel
Feldzug des Jahres 1741. Friedensverhandlungen. Huldigung zu Breslau. Rückkehr nach Berlin.
Die Verstärkungen der schlesischen Armee langten im Monat Februar in Schweidnitz an. Auch die Österreicher rüsteten sich zum Kriege. Feldmarschall Neipperg ward aus der Festung Raab geholt, wo er seit dem Frieden von Belgrad gefangen saß, und erhielt den Oberbefehl über das Heer, das Schlesien zurückerobern sollte. Er zog seine Truppen in der Gegend von Olmütz zusammen und detachierte den General Lentulus mit einem Korps zur Besetzung der Pässe der Grafschaft Glatz. In dieser Stellung konnte Lentulus Böhmen decken und mit Neippergs Armee zu den Operationen, die der Feldmarschall auf Neiße plante, zusammenwirken. Die österreichischen Husaren fingen das Vorspiel des Krieges schon an. Sie schlichen sich zwi. schen die preußischen Posten, suchten kleine Detachements aufzuheben und Zufuhren abzuschneiden. Es kam zu kleinen Gefechten, die sämtlich zum Vorteil der preußischen Infanterie, aber zum Nachteil der preußischen Kavallerie ausschlugen. Als der König in Schlesien ankam, beschloß er, die Quartiere seiner Truppen zu bereisen, um auf diese Weise das neue Land kennen zu lernen. Er brach also von Schweidnitz auf und kam nach Frankenstein. General Derschau, der in dieser Gegend befehligte, hatte zwei Posten vorgeschoben: der eine stand in Silberberg, der andre in Martha, beide in den Gebirgspässen. Der König wollte sie besichtigen. Davon bekamen die Feinde Wind und versuchten ihn aufzuheben. Irrtümlich fielen sie über eine Dragonerabteilung her, die als Relais beim Dorfe Baumgarten zwischen Silberberg und Frankenstein stand. Oberstleutnant Diersfort, der die Dragoner befehligte, hatte viel zu wenig Kriegserfahrung, um erfolgreich gegen leichte Truppen fechten zu können. Er wurde geschlagen und verlor vierzig Reiter70-1. Man hörte das Schießen in Martha. Der König, der sich dort befand, raffte schleunigst einige Truppen zusammen, um den Dragonern, die eine Meile entfernt standen, zu Hilfe zu eilen; aber er kam zu spät. Es war unbesonnen von einem Fürsten, sich mit so geringer Bedeckung in Gefahr zu begeben. Wäre der König bei diesem Treffen gefangen genommen worden, so <71>war der Krieg zu Ende. Die Österreicher hätten ohne Schwertstreich triumphiert. Die gute preußische Infanterie wäre überflüssig und aus allen Vergrößerungsplänen des Königs nichts geworden.
Je näher die Eröffnung des Feldzuges rückte, desto ernster wurde die Lage. Die Spione berichteten einstimmig, daß der Gegner seine Posten verstärkte, daß neue Truppen zu ihm stießen, und daß er eine Überrumpelung der Preußen in ihren Quartieren vorhätte, entweder auf dem Wege über Glatz oder über Zuckmantel. Zur selben Zeit hatten sich 100 österreichische Dragoner und 300 Husaren nach Neiße geworfen. Das allein war schon genug, um einen Teil der feindlichen Absichten zu erkennen, und der König befahl deshalb, die Quartiere enger zu legen. Er hätte auf der Stelle alle Truppen zusammenziehen müssen. Aber es fehlte ihm damals noch an Erfahrung, denn dies war eigentlich sein erster Feldzug. Die Jahreszeit war noch nicht vorgeschritten genug, um die Einschließung von Glogau und Brieg in eine Belagerung zu verwandeln. Es lag indessen ein fertiger Plan vor, Glogau mit Sturm zu nehmen, und so erhielt Erbprinz Leopold von Anhalt Befehl, ihn ungesäumt auszuführen. Am 9. März wurde die Stadt an fünf Stellen zugleich angegriffen und binnen einer Stunde erobert. Selbst die Kavallerie konnte über die Wälle setzen: so verfallen waren die Festungswerke. Kein Haus wurde geplündert, kein Bürger gekränkt. Die preußische Mannszucht zeigte sich in höchstem Glanze. Wallis mit seiner ganzen Besatzung wurden zu Kriegsgefangenen gemacht. Ein neu errichtetes Regiment besetzte den Platz. Die Befestigungswerke wurden sogleich instand gebracht und verbessert, und Erbprinz Leopold stieß mit dem von ihm befehligten Korps bei Schweidnitz zum König.
Doch mit dieser Einnahme von Glogau war noch nicht alles getan. Die Truppen lagen noch zu verstreut, um sich im Notfall zu vereinigen. Besonders die Quartiere in Oberschlesien, in denen Feldmarschall Schwerin stand, erregten höchste Besorgnis. Der König wollte, daß der Feldmarschall sie aufhöbe und sich gegen die Neiße zurückzöge, wo er mit allen Truppen aus Niederschlesien zu ihm stoßen konnte. Schwerin war anderer Meinung. Er schrieb, wenn man ihn verstärken wollte, so verspreche er, seine Quartiere bis zum Frühjahr zu behaupten71-1. Für diesmal glaubte der König seinem Feldmarschall mehr als sich selbst. Seine Leichtgläubigkeit wäre ihm fast verderblich geworden, und als hätte er Fehler auf Fehler häufen müssen, setzte er sich selbst an die Spitze von acht Schwadronen und neun Bataillonen, um nach Jägerndorf zu marschieren. In Neustadt traf er den Feldmarschall. Des Königs erste Frage war: „Was haben Sie für Nachrichten vom Feinde?“—„Keine,“ war die Antwort, „außer daß die Österreicher längs der Grenze von Ungarn bis nach Braunau in Böhmen zerstreut stehen. Aber ich erwarte jeden Augenblick meinen Spion zurück.“
<72>Am folgenden Tage langte der König in Jägerndorf an. Sein Plan war, am Tage darauf wieder von dort aufzubrechen, um die Laufgräben vor Neiße zu eröffnen, wo Feldmarschall Kalckstein ihn mit zehn Bataillonen und ebensoviel Schwadronen erwartete. Der Herzog von Holstein, der damals in Frankenstein stand, sollte dort ebenfalls mit sieben Bataillonen und vier Schwadronen zum Könige stoßen. Als der König (am 2. April) eben aufbrechen wollte und dem Feldmarschall sowie dem Erbprinzen Leopold seine letzten Befehle gab, kamen sieben österreichische Dragoner an. Von diesen Überläufern erfuhr man, daß sie die Armee bei Freudenthal (nur anderthalb Meilen von Jägerndorf) verlassen hätten, daß ihre Reiterei dort lagerte und nur auf die Infanterie und das Geschütz wartete, um quer durch die Quartiere der Preußen zu rücken und sie zur Aufhebung der Blockade von Neiße zu zwingen. Mittlerweile hörte man schon vor der Stadt scharmutzieren, und jedermann glaubte, daß Neippergs Avantgarde im Begriff stände, Jägerndorf zu berennen. In dieser unglücklichen Stadt waren nur fünf Bataillone, fünf Dreipfünder und Pulver für 40 Schüsse. Die Lage war verzweifelt, wenn Neipperg sie zu nutzen verstand. Aber der kreißende Berg gebar nur eine Maus. Der Feind wollte bloß wissen, ob die Preußen noch in ihren Quartieren wären. Um dies zu erfahren, mußten seine leichten Truppen vor jeder Stadt herumplänkeln, um ihren Offizieren Meldung über den Stand der Dinge zu bringen.
Da nun die Absichten des Feindes offenbar waren, so zauderte der König keinen Augenblick mehr, das Heer zusammenzuziehen. Die Truppen in Niederschlesien erhielten Befehl, bei Sorge die Neiße zu überschreiten, und die in Oberschlesien sollten bei Jägerndorf zum König stoßen. Am 4. April ging er mit all diesen vereinigten Korps nach Neustadt, und zwar parallel dem feindlichen Heere, das über Zuckmantel und Ziegenhals auf Neiße marschierte. Am folgenden Tage (5. April) rückte der König nach Steinau, welches eine Meile von Sorge liegt; dort hatte er Brücken über die Neiße schlagen lassen. Die Einschließung von Brieg mußte aufgehoben werden, und General Kleist erhielt Befehl, mit seiner Abteilung zum Heere zu stoßen. Auch der Herzog von Holstein erhielt mehrere Male die gleiche Order, aber sie konnte ihn nicht erreichen, und so blieb er ruhig in Frankenstein stehen und sah rechts und links den Feind an sich vorbeiziehen, ohne sich darüber zu beunruhigen. Überläufer vom österreichischen Heere, die in Steinau ankamen, sagten aus, daß General Lentulus sich am selben Tage bei Neiße mit dem Feldmarschall Neipperg vereinigt hätte. Auf diese Nachricht wurden die preußischen Truppen sofort um Steinau zusammengezogen, und der König wählte eine Stellung aus, wo er den Feind im Falle eines Angriffs empfangen konnte. Um die Verlegenheit noch zu erhöhen, brach am Abend im Quartier von Steinau Feuer aus. Es war nur ein Glück, daß man Geschütz und Munition noch durch die engen Gassen retten konnte, in denen schon alle Häuser in Flammen standen. Die Truppen biwakierten die Nacht in der Stellung, die der König tags zuvor zum Lager ausgesucht hatte.
<73>Am folgenden Tage (6. April) langte das Häuflein von dreizehn Bataillonen und fünfzehn Schwadronen nach recht beschwerlichem Marsche in Falkenberg73-1 an. Dort traf vom Obersten Stechow, der die Brücke bei Sorge mit vier Bataillonen deckte, die Meldung ein, daß der Feind sich am andern Flußufer verschanzte und schon ziemlich lebhaft auf die Preußen feuerte. Markgraf Karl73-2 marschierte sogleich mit vier Bataillonen auf Sorge und berichtete dem König, daß Lentulus auf dem andern Neißeufer mit 50 Schwadronen stände und den Übergang völlig unmöglich machte, weil das Gelände zu schmal sei, um sich zu entwickeln. Die Marschrichtung mußte also verändert werden. Man schlug den Weg nach Michelau ein, wo eine andre Brücke über die Neiße führte und wo General Marwitz schon mit den Truppen stand, die aus den Schweidnitzer Quartieren und von der Einschließung von Brieg herbeigezogen waren. Die Brücke bei Sorge wurde ungesäumt abgebrochen, und am Abend vereinigten sich alle diese verschiedenen Korps mit dem König.
Am nächsten Tage (8. April) ging das Heer bei Michelau über die Neiße, in der Absicht, auf Grottkau zu marschieren. Ein Kurier, der durch diese Stadt gekommen war, traf bei dem König ein, sodaß dieser nichts besorgte. Ein dichtes Schneegestöber verfinsterte die Luft und trübte die Aussicht. Man marschierte immer weiter. Die Husaren der Vorhut kamen in das Dorf Leipe, das auf dem Wege liegt, und stießen unerwartet auf ein feindliches Husarenregiment, das dort kantonnierte. Die Preußen machten vierzig Gefangene, teils zu Fuß, teils zu Pferde. Von ihnen erfuhr man, daß Neipperg vor etwa einer halben Stunde Grottkau eingenommen hätte. Ein Leutnant Mützschefahl hatte sich dort mit 60 Mann drei Stunden lang gegen die ganze österreichische Armee verteidigt. Ferner sagten die Überläufer aus, daß der Feind am nächsten Tage nach Ohlau marschieren würde, um das schwere Geschütz fortzunehmen, das der König dort untergebracht hatte. Auf diese Nachricht wurden die verschiedenen, sämtlich in Marsch befindlichen Kolonnen der Armee zusammengezogen. Der König teilte sein Heer in vier Divisionen, die in vier naheliegenden Dörfern kantonnierten, sodaß sie sich binnen einer Stunde vereinigen konnten. Er legte sein Hauptquartier in die Dörfer Pogarell und Alzenau und schickte von dort mehrere Offiziere an die Besatzung von Ohlau, um sein Anrücken zu melden und zwei Kürassierregimenter, die in der Nähe angekommen waren, an sich zu ziehen. Aber wegen der feindlichen Streifkorps, die die Gegend unsicher machten, konnte keiner dieser Offiziere nach Ohlau gelangen.
Am anderen Tage (9. April) fiel der Schnee so dicht, daß man kaum zwanzig Schritte weit sehen konnte. Jedoch erfuhr man, daß der Feind sich Brieg genähert hätte. Dauerte das schlechte Wetter fort, so wurde die Lage der Preußen immer schlimmer. Die Lebensmittel fingen an knapp zu werden. Man mußte Ohlau zu Hilfe<74> kommen, und im Fall eines Mißerfolges stand kein Rückzug offen. Aber das Glück ersetzte den Mangel an Vorsicht.
Tags darauf, am 10. April, war das Wetter klar und heiter. Wenn auch der Schnee zwei Fuß hoch lag, so hinderte das doch nicht, die geplanten Operationen auszuführen. Um 5 Uhr morgens zog sich die Armee bei der Pogarellschen Mühle zusammen. Sie bestand aus 27 Bataillonen, 29 Schwadronen Kavallerie und 3 Husarenschwadronen. In fünf Kolonnen setzte sie sich in Marsch: in der Mitte die Artillerie, rechts und links davon die Infanterie und an den Flanken die Kavallerie. Der König wußte, daß ihm der Feind an Reiterei überlegen war. Um diesen Nachteil wettzumachen, gab er den Schwadronen jedes Flügels zwei Grenadierbataillone bei, eine Anordnung, die Gustav Adolf in der Schlacht bei Lützen getroffen hatte, die aber aller Wahrscheinlichkeit nach in Zukunft nicht mehr zur Anwendung kommen wird.
In dieser Marschordnung rückte das Heer in der Richtung auf Ohlau gegen den Feind vor. General Rothenburg, der die Avantgarde führte, machte bei dem Dorfe Pampitz etwa zwanzig Gefangene; diese bestätigten die Nachricht, die Bauern aus dem Dorfe Mollwitz dem König gebracht hatten, daß die feindliche Armee in Mollwitz, Grüningen und Hünern stände. Sobald die Kolonnen sich Mollwitz ungefähr auf 2 000 Schritt genähert hatten, stellte sich die Armee in Schlachtordnung auf, ohne daß man einen Feind im Felde erscheinen sah. Der rechte Flügel sollte sich an das Dorf Hermsdorf anlehnen. Aber Schulenburg, der die Kavallerie dieses Flügels befehligte, benahm sich dabei so ungeschickt, daß er nicht bis dorthin kam. Der linke Flügel war vom Laugwitzer Bache gedeckt, dessen Ufer steil und sumpfig sind. Da die Reiterei vom rechten Flügel dem Fußvolke nicht Platz genug gelassen hatte, so mußte man drei Bataillone aus dem ersten Treffen zurückziehen und formierte daraus, durch einen glücklichen Zufall, eine Flankendeckung für die rechten Flügel der beiden Infanterietreffen. Diese Anordnung wurde zur Hauptursache für den Gewinn der Schlacht. Die Bagage parkierte bei dem Dorfe Pampitz, ungefähr 1 000 Schritt hinter den Linien, und das Regiment La Motte, das in diesem Moment zur Armee stieß (es kam aus Oppeln), diente zu ihrer Bedeckung. Rothenburg näherte sich mit der Avantgarde dem Dorfe Mollwitz, aus dem er die Österreicher heraustreten sah. Er hätte sie in dieser Unordnung angreifen müssen. Aber er hatte gemessenen Befehl gehabt, sich auf nichts einzulassen. So führte er seine Truppen auf den rechten Flügel zurück, zu dem er gehörte.
Es muß sonderbar scheinen, daß ein so erfahrener General wie Neipperg sich derart überraschen ließ. Indes war er zu entschuldigen. Er hatte verschiedene Husarenoffiziere beauftragt, auf Kundschaft zu reiten, besonders auf dem Wege nach Brieg. Aber sei es aus Trägheit oder aus Nachlässigkeit, diese Offiziere taten ihre Schuldigkeit nicht, und der Marschall erfuhr den Anmarsch des Königs erst, als er auch schon dessen Heer in Schlachtordnung vor seinen Quartieren erblickte.
<75>Neipperg mußte seine Truppen also unter dem Feuer der preußischen Artillerie aufstellen, und diese ward schnell und gut bedient. Die Kavallerie des rechten Flügels unter dem Befehl von Römer war zuerst zur Stelle. Dieser kluge und entschlossene Offizier sah, daß der rechte preußische Flügel näher bei Mollwitz stand als der linke. Er erkannte, daß Neipperg, wenn er in seiner Stellung blieb, geschlagen werden konnte, bevor die Kavallerie seines linken Flügels heran war. Ohne irgendeinen Befehl abzuwarten, entschloß er sich, den rechten Flügel der Preußen anzugreifen. Schulenburg machte, um das Dorf Hermsdorf zu gewinnen, sehr ungeschickt eine schwadronsweise Viertelschwenkung nach rechts. Römer bemerkte dies und fiel, ohne sich zu formieren, mit verhängtem Zügel kolonnenweise auf den von Schulenburg kommandierten Flügel. Seine dreißig österreichischen Schwadronen warfen die zehn preußischen, deren jede ihnen die linke Flanke darbot, im Augenblick über den Haufen. Die geschlagene Reiterei jagte vor dem ersten Infanterietreffen entlang und zwischen dem ersten und zweiten Treffen hindurch. Sie hätte die Infanterie niedergeritten, hätte diese nicht auf die Flüchtlinge gefeuert, wodurch zugleich die Feinde abgewiesen wurden. Römer kam dabei ums Leben. Jeder Soldat muß aber erstaunen, daß die zwei Grenadierbataillone, die zwischen den Schwadronen des rechten Flügels standen, allein standhielten und sich in guter Ordnung zum rechten Flügel der Infanterie zogen.
Der König glaubte die Kavallerie wie ein Rudel Hirsche aufhalten zu können, wurde aber von ihrer Flucht bis zur Mitte des Heeres fortgerissen, wo es ihm gelang, ein paar Schwadronen zusammenzuraffen, die er auf den rechten Flügel zurückführte. Sie mußten nun ihrerseits die Österreicher angreifen. Aber geschlagene und hastig wieder zusammengebrachte Truppen haben keine Widerstandskraft mehr.<76> Sie lösten sich auf, und Schulenburg76-1 blieb bei diesem Angriff. Die siegreiche feindliche Kavallerie fiel nun in die rechte Flanke der preußischen Infanterie. Dort waren, wie wir schon sagten, drei Bataillone aufgestellt, die im ersten Treffen keinen Platz gefunden hatten. Die Infanterie wurde dreimal heftig angegriffen. Österreichische Offiziere fielen verwundet zwischen ihren Reihen. Mit dem Bajonett warf sie feindliche Reiter aus dem Sattel und schlug durch ihre Tapferkeit die Kavallerie unter großen Verlusten ab. Diesen Augenblick nahm Neipperg wahr. Seine Infanterie setzte sich in Bewegung, um den rechten preußischen Flügel, der von Kavallerie entblößt war, anzugreifen. Unterstützt von der österreichischen Reiterei, machte er unsägliche Anstrengungen, um die Treffen des Königs zu durchbrechen, doch umsonst! Die tapfere Infanterie stand wie ein Fels gegen alle Angriffe und brachte dem Feind durch ihr Feuer schwere Verluste bei.
Auf dem linken preußischen Flügel war die Lage nicht so kritisch gewesen. Dieser Flügel war dem Feinde versagt worden und stand an den Laugwitzer Bach angelehnt. Jenseits des Sumpfes hatte die preußische Kavallerie die der Königin von Ungarn angegriffen und geschlagen.
Indessen dauerte das Feuer der Infanterie auf dem rechten Flügel seit fast fünf Stunden mit großer Heftigkeit. Die Munition war verschossen, und die Soldaten griffen nach den Pulvervorräten der Gefallenen, um schießen zu können. Die Lage war höchst kritisch. Alte Offiziere glaubten schon, es sei alles verloren, und erwarteten den Augenblick, wo die Truppen sich aus Mangel an Munition zur Übergabe genötigt sehen würden76-2. Aber so kam es nicht, und junge Militärs mögen daraus lernen, nicht vorzeitig zu verzweifeln. Die Infanterie hielt nicht nur stand, sondern gewann dem Feinde sogar Boden ab. Als Feldmarschall Schwerin dies merkte, setzte er seinen linken Flügel gegen die rechte Flanke der Österreicher an. Das entschied den Sieg und führte zur völligen Niederlage der Feinde. Sie gingen in gänzlicher Auflösung zurück. Die Nacht verhinderte die Preußen, ihre Vorteile über das Dorf Laugwitz hinaus auszunutzen.
Jetzt kamen, freilich zu spät, die 14 Schwadronen aus Ohlau an. Ein Damm, den sie passieren mußten, um zur Armee zu stoßen, war ihnen von den österreichischen Husaren verlegt worden. Dort waren sie lange aufgehalten worden, und der Gegner hatte seine Stellung nicht eher geräumt, als bis er die Hauptarmee fliehen sah.
Diese Schlacht kostete der Königin 180 Offiziere und 7 000 Tote an Kavallerie und Infanterie, ferner verloren die Österreicher 7 Kanonen, 3 Fahnen und 1 200 Gefangene. Auf preußischer Seite zählte man 2 500 Tote, darunter den Markgrafen <77>Friedrich77-1, des Königs Vetter, und 3 000 Verwundete. Das erste Bataillon Garde, das der Hauptstoß des Feindes traf, verlor die Hälfte seiner Offiziere, und von seinen 800 Mann blieben nur 180 kampffähig.
Die Schlacht war eine der denkwürdigsten des Jahrhunderts, weil hier zwei kleine Heere das Schicksal von Schlesien entschieden, und weil die Truppen des Königs sich dabei einen Ruhm erwarben, den weder Zeit noch Neid ihnen entreißen können.
Aus diesem Bericht vom Beginn des Feldzuges wird der Leser gewiß schon gesehen haben, daß der König und der Feldmarschall Neipperg sich in Fehlern überboten. Waren die Entwürfe des österreichischen Feldherrn die besseren, so zeigten sich die Preußen in der Ausführung überlegen. Der Plan Neippergs war klug und einsichtsvoll: bei seinem Einmarsch in Schlesien schiebt er sich zwischen die Quartiere des Königs; er dringt bis Neiße vor, wo Lentulus zu ihm stößt, und ist im Begriff, sich nicht nur der Artillerie des Königs zu bemächtigen, sondern auch den Preußen ihre Magazine in Breslau, die einzigen, die sie hatten, zu entreißen. Aber Neipperg hätte den König in Jägerndorf überrumpeln und so durch einen Streich den ganzen Krieg beendigen können. Von Neiße aus hätte er das Korps des Herzogs von Holstein, das eine Meile entfernt im Quartier lag, aufheben können. Bei etwas mehr Tatkraft hätte er dem König den Übergang über die Neiße bei Michelau verwehren können. Auch hätte er von Grottkau aus Tag und Nacht marschieren müssen, um Ohlau einzunehmen und den König von Breslau abzuschneiden. Aber statt alle diese Gelegenheiten wahrzunehmen, ließ er sich in unverzeihlicher Sorglosigkeit überraschen und wurde großenteils durch seine eigene Schuld geschlagen.
Noch mehr Tadel verdient der König. Er erfuhr rechtzeitig von dem Vorhaben des Feindes und ergriff doch keine hinlängliche Maßregel, um sich dagegen zu sichern. Statt nach Jägerndorf zu marschieren und dadurch seine Truppen noch mehr zu verzetteln, hätte er seine ganze Armee vereinigen und bei Neiße dicht zusammen in Kantonnementsquartiere legen müssen. Er ließ sich vom Herzog von Holstein abschneiden und brachte sich selbst in die üble Lage, die Schlacht in einer Stellung zu liefern, wo ihm im Fall einer Niederlage kein Rückzug offen stand, und wo er Gefahr lief, sein Heer zu verlieren und sich selbst zugrunde zu richten. Als er vor Mollwitz ankam, wo der Feind kantonnierte, hätte er drauf losmarschieren und die Österreicher in ihren Quartieren zersprengen müssen. Statt dessen verliert er zwei Stunden damit, sich regelrecht vor einem Dorfe in Schlachtordnung aufzustellen, wo kein Feind sich zeigte. Hätte er nur das Dorf Mollwitz angegriffen, so hätte er darin die ganze österreichische Infanterie gefangen genommen, ähnlich wie vierundzwanzig französische Bataillone bei Höchstädt (1704) überrumpelt wurden. Aber in seinem Heere hatte allein der Feldmarschall Schwerin Verständnis und Kriegserfahrung. Bei den Truppen<78> herrschte viel guter Wille, aber sie kannten bloß den kleinen Dienst, und weil sie noch nie im Kriege gewesen waren, gingen sie nur zaghaft zu Werke und scheuten herzhafte Entschlüsse. Eigentlich rettete die Preußen nur ihre Tapferkeit und ihre Mannszucht. Mollwitz war die Schule für den König wie für seine Truppen. Der König dachte über alle von ihm begangenen Fehler reiflich nach und sucht sie künftig zu meiden.
Der Herzog von Holstein hatte die Möglichkeit gehabt, einen großen Schlag zu führen, aber er wußte keine Gelegenheit auszunutzen. Da er ohne Befehle vom König war, marschierte er ohne eigentlichen Grund von Ottmachau nach Strehlen. Hier stand er gerade am Tage der Schlacht und hörte das Feuer der beiden Armeen. Am 11. kamen die Truppen der Österreicher in wilder Flucht eine Meile von ihm entfernt vorbei. Er hätte alles, was noch übrig war, vernichten können. Aber da es ihm an Entschlußfähigkeit fehlte, so ließ er Neipperg unbehelligt, und dieser konnte seine Flüchtlinge auf der andern Seite der Stadt Neiße wieder sammeln. Der Herzog stieß ruhig zur Armee des Königs bei Ohlau. Nach dieser Vereinigung und dem Eintreffen andrer Verstärkungen bestand das versammelte Heer aus 43 Bataillonen, 66 Schwadronen Kavallerie und 3 Husarenschwadronen.
Um den Sieg auszunutzen, wurde die Belagerung von Brieg beschlossen und General Kalckstein mit ihrer Leitung betraut. Das Heer des Königs lagerte sich, um sie zu decken, bei Mollwitz. Acht Tage nach Eröffnung der Laufgräben kapitulierte der Kommandant der Festung, Piccolomini, noch ehe der bedeckte Weg eingenommen und die geringste Bresche in die Werke gelegt war (4. Mai). Die Armee blieb drei Wochen im Lager von Mollwitz stehen, um Zeit zu gewinnen, die Laufgräben wieder zuzuwerfen und die Festung Brieg mit Kriegsvorräten zu versehen, da die ihren völlig verbraucht waren. Diese Muße benutzte der Köyig, um seine Kavallerie zu exerzieren, sie manövrierfähig zu machen und ihre Schwerfälligkeit in Schnelligkeit zu verwandeln. Sie wurde oft auf Streifzüge ausgeschickt, damit die Offiziere das Gelände benutzen und mehr Selbstvertrauen fassen lernten.
In dieser Zeit führte Winterfeldt, derselbe, der das Bündnis mit Rußland zustande gebracht hatte, an der Spitze eines Detachements einen schönen Streich aus, durch den er sich den Ruf erwarb, ein ebenso guter Offizier wie ein geschickter Staatsmann zu sein. Er überfiel und schlug den General Baranyay zu Rothschloß und nahm ihm 300 Gefangene ab (17. Mai). Da die Preußen im Lande beliebt waren, so wurden sie immer vorzüglich mit Nachrichten versorgt, und das verschaffte ihnen im Kleinkriege manchen Vorteil. Indessen wollen wir nicht alle diese Gefechte ausführlich schildern, wie die Österreicher bei Leubus das neu errichtete Husarenregiment von Bandemer vernichteten, wie sie bei Strehlen gegen 100 Ulanen gefangen nahmen, wie sie Zobten verbrannten, wie sie bei Friedewalde und in anderen Treffen geschlagen wurden. Denn nicht die Geschichte der Husaren, sondern die Eroberung Schlesiens soll hier dargestellt werden.
Die Schlacht, die das Schicksal Schlesiens schon nahezu entschieden hatte, machte in Europa sehr verschiedenen Eindruck. Der Wiener Hof, der Erfolge erwartet hatte,<79> war erzürnt und erbittert ob seiner Verluste. In der Hoffnung auf Vergeltung wurden Truppen aus Ungarn und eine Menge Milizen zur Verstärkung Neippergs herangezogen. Der König von England und der König von Polen fingen an, das preußische Heer unter dem Oberbefehl des Fürsten von Anhalt79-1, das sie bisher gering geschätzt hatten, zu achten. Das Deutsche Reich war wie betäubt bei der Nachricht, daß die alten österreichischen Truppen durch ein Heer von so geringer Kriegserfahrung in die Flucht geschlagen waren. In Frankreich freute man sich über den Sieg. Der Versailler Hof hoffte durch seine Beteiligung am Kriege gerade noch zur rechten Zeit zu kommen, um dem Hause Österreich den Gnadenstoß zu versetzen.
Infolge dieser günstigen Stimmung kam der Marschall Belle-Isle, französischer Botschafter für den Wahltag in Frankfurt, zum König ins Mollwitzer Lager, um ihm im Namen seines Herrn einen Allianztraktat vorzuschlagen. Die Hauptartikel des Vertrages betrafen: die Erwählung des Kurfürsten von Bayern zum Kaiser, die Teilung und Zerstückelung der Länder der Königin von Ungarn und die Garantie Frankreichs für Niederschlesien, wogegen der König auf die Erbfolge in Jülich und Berg verzichten und dem Kurfürsten von Bayern seine Stimme versprechen sollte. Dieser Vertrag ward entworfen, und zugleich ward verabredet, daß Frankreich zwei Armeen nach Deutschland schicken sollte. Die eine sollte dem Kurfürsten von Bayern zu Hilfe kommen, die andere in Westfalen einrücken, um Hannover und Sachsen in Schach zu halten. Endlich und vor allen Dingen sollte Schweden an Rußland den Krieg erklären, um dieses Reich an seinen eigenen Grenzen zu beschäftigen.
So vorteilhaft der Vertrag auch erschien, so ward er doch nicht unterzeichnet. Der König wollte bei einem Schritte von so großer Tragweite nichts übereilen und behielt sich dies Bündnis für den äußersten Notfall vor. Der Marschall Belle-Isle überließ sich oft allzu sehr seiner Einbildungskraft. Wenn man ihn reden hörte, so konnte man glauben, daß alle Länder der Königin von Ungarn zur Versteigerung ständen. Eines Tages, als er beim Könige war, sah er nachdenklicher und besorgter aus als sonst. Der König fragte ihn, ob er schlechte Nachrichten erhalten hätte. „Keineswegs,“ antwortete der Marschall, „ich bin nur verlegen, Sire, was wir mit Mähren anfangen wollen.“ Der König schlug ihm vor, es an Sachsen zu geben, um durch diese Lockspeise den König von Polen in das große Bündnis zu ziehen. Der Marschall fand die Idee vortrefflich und führte sie in der Folge aus.
Aber die Verhandlungen Preußens beschränkten sich nicht auf Frankreich allein; sie erstreckten sich auf Holland, England und über ganz Europa. Auf einige verstecke Vorschläge, die der König in einem Briefe an den König von England gemacht hatte, antwortete dieser79-2, daß seine Verpflichtungen ihn zwar zwängen, für die Unteilbarkeit des Erbes von Karl VI. einzutreten, und daß er mit Bedauern das gute Einvernehmen zwischen Preußen und Österreich gestört sähe, daß er aber sehr gern seine<80> guten Dienste anböte, um eine Aussöhnung zwischen beiden Höfen zu vermitteln. Auch schickte er Lord Hyndford als englischen Gesandten und Schwicheldt als hannoverschen Bevollmächtigten ab. Beide standen zwar im Dienste desselben Fürsten, hatten aber doch ganz verschiedene Instruktionen. Der Hannoveraner verlangte, man solle die Neutralität seines Herrn dadurch erkaufen, daß man ihm die Bistümer Hildesheim und Osnabrück und die ihm in Mecklenburg verpfändeten Domänenämter garantierte. Man machte einen Gegenvorschlag, der Preußens Vorteil besser wahrte. Der Engländer bot die guten Dienste seines Herrn an, um die Königin von Ungarn zur Abtretung einiger Fürstentümer in Niederschlesien zu bewegen. Man vermied jedoch, darüber in eine förmliche Unterhandlung einzutreten, solange man noch nicht über die Stimmung des Wiener Hofes unterrichtet war. Beide Gesandten waren im Feldlager des Königs, und es schien sonderbar, daß Lord Hyndford mehr Besorgnis bei Schwicheldt erregte, als der Marschall Belle-Isle, und der Hannoveraner vor allen Dingen empfahl, seine Unterhandlungen vor dem englischen Gesandten geheimzuhalten.
Diese Engländer und Hannoveraner wollten mit ihren Schmeicheleien den König in seinem Feldlager nur einlullen. An den andern europäischen Höfen handelten sie nicht so. In Rußland hetzte der englische Gesandte Finch zum Kriege. Die Intrigen des Marchese Botta und der Liebreiz des schönen Lynar stürzten den braven Münnich80-1. Der Prinz von Braunschweig, Rußlands Höchstkommandierender, wurde von seiner Großmutter, von der Kaiserin-Witwe80-2 und den fremden Gesandten, die samt und sonders Hetzer waren, aufgestachelt und trieb zur sofortigen Kriegserklärung gegen Preußen. Schon versammelten sich die russischen Truppen in Livland. Der König erfuhr es und schöpfte Verdacht gegen die Engländer, deren Doppelzüngigkeit er erkannte. Hatten doch auch englische Intrigen dem Großpensionär von Holland ein Mahnschreiben abgepreßt80-3, das den König bewegen sollte, seine Truppen aus Schlesien zurückzuziehen.
Die Ränke der Engländer und vor allem die Haltung Rußlands bestimmten den König endlich, seinen Vertrag mit Frankreich unter den mit dem Marschall Belle-Isle vereinbarten Bedingungen zu unterzeichnen80-4. Es wurden noch die beiden Artikel hinzugefügt, daß die Franzosen ihre Operationen vor Ende August anfangen sollten, und daß dieser Vertrag geheimgehalten werden müßte, bis seine Bekanntmachung dem Interesse Preußens nicht mehr nachteilig sein könnte. Es war höchste Zeit, das Bündnis zum Abschluß zu bringen. Man mußte eilen, da die feindlichen Absichten Rußlands sich deutlich offenbarten. Zu den hannöverschen Truppen, die schon seit dem April im Felde standen, stießen 6 000 Dänen und 6 000 Hessen, denen England Subsidien zahlte. Auch rüsteten die Sachsen, und es war die Rede von einer Vereinigung ihrer Truppen mit den Hannoveranern. Es galt also nur Zeit zu ge<81>winnen, bis der französische Sukkurs eintreffen konnte, und Lord Hyndford und Schwicheldt mußten hingehalten werden, damit sie nicht einmal ahnten, welches Abkommen soeben mit Frankreich unterzeichnet war. Dies gelang dem König und seinen Ministern so gut, daß die Verhandlung mit dem Lord, die fortwährend dem Ziele nahe schien, sich immer wieder an einer neuen Schwierigkeit stieß, welche den Engländer nötigte, seinen Hof um ausführlichere Instruktionen zu bitten. Man stand stets vor dem Abschluß und kam doch nie zum Ende.
Das Feldlager des Königs sah wie ein Friedenskongreß aus; aber die Armee setzte sich in Bewegung und gab den kriegerischen Ton wieder an. Sobald die Stadt Brieg verproviantiert war, brach das Heer auf und nahm sein Lager bei Grottkau. Neipperg stand drei Meilen davon entfernt hinter der Stadt Neiße, wo er eine uneinnehmbare Stellung innehatte. Zur bequemeren Verproviantierung wechselte die preußische Armee das Lager. Sie besetzte die Höhen von Strehlen und näherte sich damit Breslau, von wo sie Lebensmittel beziehen, auch die Kavallerie für den ganzen übrigen Feldzug mit trocknem Futter versehen konnte. In dieser Stellung war sie Brieg und Schweidnitz gleich nahe und deckte ganz Niederschlesien. Man benutzte die acht Wochen, die man dort blieb, um der Infanterie Rekruten und der Reiterei neue Pferde zu verschaffen, und zwar mit so gutem Erfolge, daß das Heer bei Beginn des Feldzuges nicht vollzähliger gewesen war als jetzt.
Während der König beschäftigt war, sein Heer furchtgebietender zu machen, entwarf Neipperg Pläne, die gefährlich werden konnten, wenn man ihm Zeit zu ihrer Ausführung ließ. Wir halten es nicht für unpassend, zu erzählen, wie der König sie erfuhr. In Breslau lebte eine beträchtliche Anzahl alter Damen, die aus Österreich und Böhmen gebürtig, aber seit lange in Schlesien ansässig waren; ihre Verwandten lebten in Wien und Prag, und einige dienten im Heere Neippergs. Der katholische Fanatismus und der österreichische Stolz erhöhten ihre Anhänglichkeit an die Königin von Ungarn. Bei dem bloßen Namen „Preuße“ knirschten sie vor Zorn; sie schmiedeten geheime Anschläge, spannen Intrigen, unterhielten Korrespondenzen mit dem Heere Neippergs durch Vermittlung von Mönchen und Priestern, die ihnen als Sendboten dienten. Sie wußten um alle Pläne des Feindes. Um sich untereinander zu trösten, hatten sie „Sitzungen“ eingerichtet, zu denen sie fast jeden Abend erschienen. Dort teilten sie sich ihre Nachrichten mit und beratschlagten über die Mittel, wie man die ketzerische Armee aus Schlesien vertreiben und alle Ungläubigen ausrotten könnte. Der König erfuhr im großen und ganzen, was in diesen Konventikeln vorging, und sparte nichts, um in ihre Zusammenkünfte eine falsche Schwester hineinzuschmuggeln, die durch ihren vorgespiegelten Haß gegen die Preußen gute Aufnahme fand und über alles, was dort getrieben ward, Bericht erstatten konnte. Auf diesem Wege erfuhr man, daß Neipperg beabsichtigte, den König durch seine Bewegungen von Breslau abzuziehen, dann in Eilmärschen gegen die Hauptstadt vorzurücken und mit Hilfe der geheimen Beziehungen, die er dort hatte, sich ihrer zu<82> bemächtigen. So hätte man den Preußen alle ihre Magazine weggenommen und ihnen zugleich die Verbindung abgeschnitten, die sie durch die Oder mit der Mark Brandenburg hatten.
Sofort beschloß der König, dem Feinde um jeden Preis zuvorzukommen und den mit der Stadt Breslau geschlossenen Neutralitätsvertrag zu brechen, zumal der dortige Magistrat ihn mehr als einmal verletzt hatte. Die Ratsherren und Schöffen, die dem Hause Österreich am meisten anhingen, wurden in das Feldlager des Königs entboten. Ebenso wurden die fremden Gesandten aus Breslau dahin eingeladen, um sie bei den Ausschreitungen, zu denen die Überrumpelung führen konnte, außer Gefahr zu bringen. Zugleich sandte man ein paar Bataillone ab, die auf verschiedenen Wegen in der Vorstadt eintrafen (10. August). Man ersuchte den Rat um Durchmarsch für ein Regiment. Während es durch ein Tor einrückte, blieb in einem anderen Tore ein Wagen stecken; dies benutzten drei Bataillone und fünf Schwadronen, um in die Stadt zu dringen. Die Infanterie besetzte die Wälle und Plätze und sperrte die Tore. Die Kavallerie säuberte die Hauptstraßen. Binnen einer Stunde war alles unterworfen, ohne die geringsten Ausschreitungen, ohne Plünderung und Blutvergießen. Die Bürgerschaft leistete den Huldigungseid. Drei Bataillone blieben als Besatzung in der Stadt, die übrigen stießen wieder zur Armee.
Neipperg ahnte nicht, daß sein Plan entdeckt sei. Er war gegen Frankenstein vorgerückt, in der Hoffnung, der König würde sich sogleich auf Neiße werfen, worauf er sein Vorhaben auf Breslau ausführen wollte. Als er jedoch merkte, daß sein Anschlag mißglückt war, wollte er sich dadurch entschädigen, daß er den Preußen ihr Magazin in Schweidnitz wegnahm. Auch dies mißlang: man kam ihm zuvor. Die Avantgarde des Königs traf zugleich mit der seinen in Reichenbach ein; die österreichische machte kehrt und ging nach Frankenstein zurück. Der König wurde in Reichenbach durch neu ausgehobene Truppen verstärkt: 10 Dragoner- und 13 Husarenschwadronen. Neipperg hatte seine Stellung sehr geschickt gewählt. Er unterhielt seine Verbindung mit der Festung Neiße über Patschkau; er bezog seine Lebensmittel aus Böhmen über Glatz und fouragierte ein Land aus, das er doch nicht halten konnte. Sein rechter Flügel lehnte sich an Frankenstein, der linke an die Höhen unweit von Silberberg. Seine Front war durch zwei Bäche gedeckt und unzugänglich gemacht. Diese Schwierigkeiten reizten den König; er suchte seine Ehre darin, die Österreicher aus ihrem Lager zu vertreiben und sie nach Oberschlesien zurückzuwerfen. Doch ehe wir zu dieser Unternehmung kommen, dürfte es angezeigt sein, einen Blick auf die Ereignisse im übrigen Europa zu werfen.
Die Königin von Ungarn begann jetzt einzusehen, welche Gefahr ihr drohte. Die Franzosen gingen über den Rhein und zogen in großen Tagemärschen an der Donau entlang. Die Furcht dämpfte den Stolz der Königin. Sie entsandte Robinson, den englischen Vertreter am Wiener Hofe, um es mit einigen Vergleichsvorschlägen zu versuchen. Robinson schlug dem König gegenüber einen hochfahrenden Ton an und<83> sagte, die Königin wolle alles Vergangene vergessen. Sie böte ihm zur Entschädigung für seine Ansprüche auf Schlesien Limburg und das österreichische Geldern, sowie zwei Millionen Taler an, falls er Frieden schlösse und seine Truppen Schlesien sofort räumten. Der Gesandte gebärdete sich wie ein Narr und schwärmerischer Verehrer der Königin von Ungarn. Er führte seine Verhandlungen mit einem Pathos, als hätte er im Unterhaus eine Rede zu halten. Der König, der das Lächerliche gern aufgriff, schlug den gleichen Ton an und erwiderte ihm: Nur ehrlose Fürsten könnten ihre Rechte für Geld verkaufen. Solche Vorschläge wären für ihn noch beleidigender als früher die stolze Verachtung des Wiener Hofes. Und mit erhobener Stimme fuhr er fort: „Meine Armee würde mich nicht wert finden, sie zu befehligen, wenn ich durch einen schimpflichen Vergleich die Vorteile opferte, die sie mir durch unsterbliche Taten errungen hat. Erfahren Sie ferner, daß ich meine neuen Untertanen, alle diese Protestanten, deren Wünsche mich herbeigerufen haben, nicht ohne den schwärzesten Undank im Stich lassen kann. Soll ich sie der Tyrannei ihrer Verfolger überliefern, die ihre Rachsucht an ihnen auslassen würden? Soll ich an einem einzigen Tage die Gefühle der Ehre und der Rechtschaffenheit verleugnen, mit denen ich zur Welt kam? Wäre ich einer so feigen, einer so gemeinen Handlung fähig, ich würde die Gräber meiner Vorfahren sich öffnen sehen; sie würden heraufsteigen und mir zurufen: Nein, du bist nicht von unserm Blute! Du sollst für Rechte, die wir dir vererbt haben, kämpfen, und du verkaufst siel Du befleckst die Ehre, die wir dir als kostbarstes Erbteil hinterlassen haben! Du bist unwürdig, ein Fürst, ein König zu sein! Du bist nur ein verächtlicher Krämer, der Gewinn dem Ruhme vorzieht! — Nein, nie, nie will ich solche Vorwürfe verdienen. Lieber will ich mich und mein Heer unter den Trümmern Schlesiens begraben lassen, als daß ich auf die Ehre und den Ruhm des preußischen Namens den geringsten Flecken kommen lasse. Das, mein Herr, ist die einzige Antwort, die ich Ihnen geben kann.“
Robinson war über diese Rede bestürzt. So etwas hatte er nicht erwartet. Er kehrte nach Wien zurück, um dort zu berichten. Aber indes der König diesen Schwärmer fortschickte, fuhr er fort, Lord Hyndford zu schmeicheln und ihn in völlige Sicherheit zu wiegen. Es war noch nicht Zeit, die Karten aufzudecken. Um die Seemächte günstig zu stimmen, teilte man ihnen die Vorschläge Robinsons mit. Man entschuldigte die Ablehnung des Königs mit dem Hinweis auf den Barrieretraktat83-1, der, wie man wohl wisse, der Königin von Ungarn die Hände binde. Darum habe man die von ihr angebotene Abtretung von Limburg und Geldern nicht annehmen mögen. Besonders in Holland betonte man stark die Rücksichtnahme des<84> Königs auf die Interessen dieser Republik. Er würde darin so weit gehen, daß er auch Brabant ausschlüge, falls es ihm angeboten würde.
Um diese Zeit ungefähr unterzeichnete Preußen seinen Vertrag mit dem Kurfürsten von Bayern und versprach ihm seine Stimme bei der Kaiserwahl84-1. Beide Fürsten gaben sich gegenseitig Garantien auf Schlesien für Preußen, auf Oberösterreich, Tirol, den Breisgau und Böhmen für Bayern. Der König kaufte vom Kurfürsten die Grafschaft Glatz für 400 000 Taler, die der Bayer verkaufte, ohne sie je besessen zu haben.
Aber eines der günstigsten und entscheidendsten Ereignisse der damaligen Zeit trat im Norden ein. Schweden erklärte an Rußland den Krieg (22. August) und zerstörte dadurch alle Pläne der Könige von England, von Polen und des Prinzen Anton Ulrich gegen Preußen. König August, aus allen seinen schönen Hoffnungen auf die Teilung der preußischen Staaten mit dem König von England gestürzt, ließ sich vom Strome treiben, und da er nichts Besseres fand, so verbündete er sich mit dem Kurfürsten von Bayern zur Vernichtung des Hauses Österreich84-2. Marschall Belle-Isle, der nicht gewußt hatte, was er mit Mähren und dem Kreise Obermanhartsberg84-3 machen sollte, erhob diese Länder zum Königreich und gab sie an Sachsen, das für diese Liebesgabe den Vertrag vom 31. August84-4 unterzeichnete. Der Wiener Hof, der jetzt nicht mehr auf eine Diversion von seiten Rußlands rechnen konnte und von allen Seiten bedrängt ward, schickte seinen englischen Unterhändler nochmals ins preußische Lager. Der brachte eine Karte von Schlesien mit, auf der die Abtretung von vier Fürstentümern mit einem Tintenstrich bezeichnet war. Er wurde kalt empfangen, und es wurde ihm bedeutet, daß, was zu einer Zeit gut sein könne, es zu einer andern nicht mehr sei. Der Londoner und Wiener Hof hatten sich zu sehr auf die Hilfe der Russen verlassen. Nach ihrer Rechnung mußte der König unfehlbar gedemütigt und erniedrigt werden und fußfällig um Frieden bitten. Es fehlte nicht viel, so wäre das Gegenteil geschehen. So spielt oftmals das Glück im Kriege und wirft die Berechnungen der geschicktesten Staatsmänner über den Haufen.
Schon waren die Franzosen und Bayern in voller Tätigkeit. Sie waren in Österreich eingedrungen und näherten sich Linz. Nur durch gemeinsames und einmütiges Vorgehen konnte man hoffen, die Königin von Ungarn niederzuwerfen. Es war nicht mehr Zeit, müßig im Lager zu bleiben. Der König brannte vor Ungeduld, etwas zu unternehmen. Er versuchte, Neipperg von der Festung Neiße abzuschneiden und ihn auf dem Marsche anzugreifen. Der Plan war nicht übel ausgedacht, aber die Ausführung mißlang. Kalckstein erhielt Befehl, mit 10 000 Mann und mit Pontons schleunigst nach dem Dorfe Woitz zu rücken und dort eine Brücke über die Neiße zu schlagen. Die Armee, die ihm auf dem Fuße folgte, sollte sie bei ihrer Ankunft überschreiten können. Kalckstein rückte bei Sonnenuntergang ab, marschierte die ganze<85> Nacht durch und war am anderen Morgen erst einen Kanonenschuß weit vom Lager. War es Langsamkeit oder schlechte Anordnung, oder waren es die vom Regen ganz verdorbenen Wege, die ihn aufhielten: jedenfalls kam das Gros der Armee seiner Avantgarde zuvor und langte schon vor ihm im Lager von Tepliwoda und Siegroth an. Dieser verlorene Tag ließ sich nicht wieder einbringen. Der König marschierte selbst nach Woitz (11. September) und ließ Brücken über die Neiße schlagen. Aber das österreichische Heer zeigte sich in Schlachtordnung etwa 800 Schritte vom Flusse. Durch einige Gefangene, die gemacht wurden, erfuhr man, daß Neipperg nur wenige Stunden vor dem König angekommen sei. Die Armee konnte diese Brücke nicht vor zwei Stunden erreichen. Man hätte sie überschreiten können, wäre der Feind dem König nicht zuvorgekommen. Aber jetzt wäre es höchst unklug gewesen, eine Brücke angesichts eines Heeres zu passieren, das die Truppen sicherlich einzeln und so, wie sie aufmarschierten, geschlagen hätte. Man beschloß deshalb, für diesen Tag auf den Höhen von Woitz Stellung zu nehmen. Bald darauf schlugen die Preußen ihr Lager bei Neundorf auf; und um sich aus Brieg verproviantieren zu können, sicherten sie die Verbindung mit dieser Stadt durch Besetzung von Löwen und Michelau. Der Sturm, der sich über dem Hause Österreich zusammenzog, und die Gefahren, die täglich dringender wurden, brachten die Königin von Ungarn endlich zu dem ernstlichen Entschluß, sich von einem ihrer Feinde zu befreien, um die furchtbare Liga zu sprengen, die ihr den Untergang drohte. Sie verlangte ernstlich Frieden. Über die Stadt Breslau wollte sie nicht mehr streiten; nur bestand sie darauf, Neiße zu behalten. Lord Hyndford, der damals in ihrem Namen unterhandelte, verlangte, daß der König für eine so große Abtretung der Königin von Ungarn mit allen seinen<86> Kräften beistehen sollte. Der König erwiderte; es tue ihm leid, das Anerbieten abschlagen zu müssen, aber er könne die Verträge nicht brechen, die er soeben mit Bayern und Frankreich geschlossen hätte. Die Verzweiflung in Wien war so groß, daß man in jedem Augenblick das Erscheinen der Bayern erwartete. Die Landstraßen wimmelten von Flüchtenden. Der Hof war im Begriff aufzubrechen. In dieser allgemeinen Bestürzung schrieb die Kaiserin-Witwe an den Prinzen Ferdinand von Braunschweig, der im Heere des Königs diente, folgenden Brief, der merkwürdig genug ist, um angeführt zu werden.
Wien, den 11. September 1741.
Mein lieber Neffe!
Ich breche ein grausames Schweigen, das Ihr Betragen, indem Sie gegen uns dienen, mir auferlegt hat. Auch täte ich es nicht, wenn ich andre Wege wüßte, um den König von Preußen zu beschwören, mir einen Neffen wiederzugeben, den ich nicht mehr geliebt und schätzenswert nennen kann nach der Betrübnis, die Sie beide mir bereitet haben. Das Trostmittel liegt in des Königs Hand. Die Königin, meine Tochter, gesteht ihm alles zu, was niemand außer ihr selbst ihm verbürgen kann, wenn er ihr hilft, sie und den Staat in völlige Ruhe zu setzen, und wenn der König hilft, das Feuer zu löschen, das er selbst entzündet hat, und nicht selbst seine eignen Feinde vermehrt. Denn es braucht nur der Kurfürst von der Pfalz zu sterben86-1, um ihm neue Feinde zu machen. Außerdem können Bayern und Sachsen bei ihren Vergrößerungsplänen nicht zugeben, daß er das, was die Königin ihm in Schlesien überlassen hat, ruhig besitzt. Reden Sie dem König also zu, unser treuer Bundesgenosse zu werden und der Königin mit Truppen beizustehen, um ihr die Länder zu erhalten, die so viele Feinde bedrängen. Denn es ist der Vorteil der beiden Mächte selbst, wenn sie in engem Bündnis stehen, da ihre Länder so liegen, daß sie einander zur Wahrung ihrer gegenseitigen Rechte beistehen können. Ich verlasse mich ganz auf Ihre Vorstellungen und auf die trefflichen Eigenschaften des Königs, der uns dieses Unglück zugezogen hat und nun auch die Ehre beanspruchen wird, uns seinerseits vom Untergange zu erretten, wohl auch einige Rücksicht für seinen eignen Vorteil haben wird, sowie für eine betrübte Mutter und Tante, welche hernach sich ohne Groll wird nennen können
Ihre wohlgeneigte Tante
Elisabeth.
Prinz Ferdinand antwortete der Kaiserin-Witwe im wesentlichen, daß der König sich als Ehrenmann nicht von den Verpflichtungen lossagen könnte, die er mit Bayern und Frankreich eingegangen wäre. Er bedaure und beklage die Kaiserin aufrichtig,<87> wünsche ihre Lage ändern zu können und habe Mitgefühl; aber die Zeit, wo es ihm freigestanden hätte, sich mit dem Wiener Hofe zu vergleichen, sei vorüber.
Wenige Tage danach fing man einen Brief der Kaiserin-Witwe an den Prinzen Ludwig von Braunschweig auf, der sich damals in Rußland befand. Dieser Brief war offenherziger, aber der Stil war um nichts besser. Hier ist die vom Original genommene Abschrift.
21. September 1741.
Mein lieber Neffe!
Der Zustand unserer Angelegenheiten hat eine so drückende Wendung genommen, daß man unsern Fall völlig trostlos nennen kann; denn keiner ist mehr für uns. Was uns in unserem Unglück tröstet, ist, daß Gott mehr als einen Pharao ins Rote Meer stürzen und unsre falschen verstellten Freunde verderben wird. Es kann nicht sein, daß die meisten Menschen noch an einen Gott glauben. Wahr ist: der falsche Schein hat mich nicht eingewiegt; und obwohl der Kurfürst von Bayern uns die Franzosen auf den Hals geschickt hat und mich von hier vertreibt, so halte ich ihn doch für einen würdigen Fürsten. Denn er hat nicht geheuchelt und ist nicht falsch gewesen; er hat sich gleich anfangs entdeckt und ist ehrlich zu Werke gegangen. Ich trage Bedenken, Ihnen mehr von hier zu schreiben. Das ist ein trauriges Jahr für mich. Erhalten Sie uns das Bündnis87-1, und möge man sich dort vor falschen und verstellten Freunden hüten. Ich verharre als
Ihre wohlgeneigte Tante
Elisabeth.
Der Ton dieser Briefe zeigt, wie bitter der Wiener Hof die Fortschritte der Preußen in Schlesien empfand und wie sehr er nach Rache dürstete. Aber welche Logik! Wer das Haus Österreich angreift, der kann an keinen Gott glauben! Daß man Frieden anbietet, solange man freie Hand dazu hat, und daß man vorgeschlagene Bedingungen abweist, nachdem man anderweitige Verträge unterzeichnet hat, das soll Falschheit, Treulosigkeit sein! So sprechen Eigenliebe und Dünkel, die die Klarheit des Urteils trüben. In Wien betrachtete man das Bündnis gegen die Pragmatische Sanktion als den Krieg der himmelstürmenden Titanen, die Jupiter vom Thron stoßen wollten.
Die Schweden waren nicht so glücklich wie ihre Bundesgenossen. Ein Korps von 12 000 Mann war bei Willmanstrand87-2 von den Russen zusammengehalten worden. Das war ein beträchtlicher Schlag für das Königreich, das seit Karl XII. geschwächt und fast zugrunde gerichtet war. Frankreich war hierüber ungehalten und nahm sich vor, die Niederlage seiner Verbündeten auf einer andern Seite wieder wettzumachen.<88> Der Marschall Maillebois sollte mit seinem Heere von Westfalen aus in das Kurfürstentum Hannover eindringen und sich dieses Landes bemächtigen. Der König beging einen schweren Fehler, als er sein ganzes Ansehen aufbot, um die Franzosen von diesem Vorhaben abzubringen. Er wandte ein, sie würden sich durch dieses Unternehmen in Europa verhaßt machen, alle deutschen Fürsten gegen sich aufbringen und über der Ausführung eines unwichtigen Vorhabens den Hauptzweck aus den Augen verlieren, der darin bestand, die Königin von Ungarn mit aller Macht niederzuwerfen. Es wäre den Franzosen ein leichtes gewesen, eine so schwache Beweisführung zu widerlegen. Hätten sie das Kurfürstentum Hannover besetzt, so hätte der König von England ihnen nimmermehr am Rhein oder in Flandern Diversionen machen können.
Noch fehlte Frankreichs Garantie für den zwischen dem König und dem Kurfürsten von Bayern geschlossenen Vertrag. Man drang in Valory, sie zu besorgen. Sein Hof machte noch Schwierigkeiten wegen der Abtretung der Grafschaft Glatz und einiger Stücke von Oberschlesien. Als Valory beim König war, entfiel ihm zufällig ein Brief aus der Tasche. Ohne sich etwas merken zu lassen, setzte der König den Fuß darauf und entließ den Gesandten so rasch wie möglich. Der Brief war von Amelot, dem Staatssekretär des Auswärtigen, und enthielt die Weisung, Glatz und Oberschlesien nur dann an Preußen zu geben, wenn aus der Verweigerung größere Nachteile entstünden. Nach dieser Entdeckung mußte Valory auf alles eingehen, was man verlangte.
Die Absichten der Franzosen auf Hannover wurden bekannt und kamen alsbald dem König von England zu Ohren. Der hielt sein Kurfürstentum für verloren; er hatte keine Zeit mehr, den nahen Streich abzuwenden. Da seine mit Rußland und Sachsen geplanten Unternehmungen gleichfalls mißglückt waren, so war er jetzt ernstlich gewillt, den Frieden zwischen Preußen und der Königin von Ungarn zu vermitteln. Demgemäß begab sich Lord Hyndford ins österreichische Lager und machte von dort aus dem Wiener Hofe die dringende Vorstellung, man müßte, um die übrigen Staaten zu retten, einen Teil zur rechten Zeit aufopfern. Er sprach so energisch, daß der Hof in die Abtretung Niederschlesiens, der Stadt Neiße und eines Striches von Oberschlesien willigte und auf jeden Beistand Preußens gegen Österreichs Feinde verzichtete.
Der König, der die Doppelzüngigkeit der Engländer und der Österreicher kannte, hielt diese Anerbietungen für Fallstricke. Und um sich nicht durch schöne Worte einschläfern zu lassen und müßig in seinem Lager zu bleiben, ging er, ohne daß der Feind es merkte, bei Michelau über die Neiße und lagerte sich den andern Tag bei Kaltecke, indes ein Detachement sich der Stadt Oppeln bemächtigte, wo das Proviantmagazin angelegt ward. Auf diese Bewegungen hin verließ Neipperg Neiße und marschierte nach Oppersdorf. Der König umging ihn bei Friedland und lagerte sich bei Steinau.
Vielleicht beschleunigten diese verschiedenen Manöver die Unterhandlungen Lord Hyndfords. Er kam wieder zum König mit der Nachricht, seine Unterhandlung wäre<89> so erfolgreich gewesen, daß Neipperg drauf und dran sei, Schlesien zu räumen, wofern der König ihm mündlich erklärte, nichts mehr gegen die Königin zu unternehmen. Die Feinde verlangten nichts als eine Unterredung, die dem preußischen Staate Provinzen einbringen sollte und ruhige Winterquartiere für die durch einen elfmonatigen Feldzug erschöpften Truppen. Die Verführung war groß. Der König wollte versuchen, was bei dieser Unterredung herausspringen könnte. Er begab sich heimlich, nur vom Obersten Goltz89-1 begleitet, nach Kleinschnellendorf, wo er den Feldmarschall Neipperg, General Lentulus und Lord Hyndford antraf (9. Oktober).
Der König tat diesen Schritt nicht ohne Überlegung. Zwar hatte er einige Ursache, sich über Frankreich zu beschweren, doch ging seine Verstimmung nicht so weit, daß er einen Bruch wünschte. Die Gesinnungen des Wiener Hofes kannte er aus eigner Erfahrung und wußte, daß von dort nichts Freundschaftliches zu erwarten war. Offenbar verstand sich die Königin von Ungarn zu dieser Konvention nur deshalb, um durch ihre Bekanntmachung Mißtrauen unter die Verbündeten zu säen. Er mußte also als unerläßliche Bedingung von den Österreichern die Berechtigung fordern, die Vereinbarung zu brechen, wenn sie das Geringste von dem Abkommen verlauten ließen. Daß dies unfehlbar erfolgen würde, war dem König ganz sicher. Das Protokoll führte Lord Hyndford im Namen seines Herrn. Man vereinbarte, daß Neiße nur zum Schein belagert werden sollte, daß die preußischen Truppen in ihren Quartieren, sowohl in Schlesien wie in Böhmen, nicht beunruhigt werden dürften, und vor allem, daß bei der geringsten Indiskretion alle Verabredungen null und nichtig sein sollten.
Man muß gestehen: wenn es etwas wie ein unseliges Schicksal gibt, so war ihm Neipperg verfallen. Ihm schien es bestimmt, die demütigendsten Verträge für seine Fürstin zu schließen89-2. Kurz nach Abschluß dieser Konvention rückte er mit seiner Armee nach Mähren ab. Die Belagerung von Neiße wurde sofort angefangen. Die Stadt hielt sich nur zwölf Tage. Die österreichische Besatzung war noch nicht abgezogen, als die preußischen Ingenieure in der Stadt schon die neuen Werke zeichneten, welche die Festung in der Folge zu einem der stärksten Plätze Europas machten. Nach der Einnahme von Neiße (31. Oktober) trennte sich die Armee. Ein Teil rückte unter dem Kommando des Erbprinzen Leopold von Anhalt in Böhmen ein. Einige Regimenter wurden zur Einschließung von Glatz verwandt. Die übrigen Truppen lagerten sich unter dem Oberbefehl des Feldmarschalls Schwerin in Oberschlesien.
Der Herzog von Lothringen, der sich zu Preßburg aufhielt, wiegte sich in der Hoffnung, der König von Preußen hielte vorläufige Vereinbarungen für perfekte Friedensschlüsse, und schrieb an ihn, um seine Stimme zur Kaiserwahl zu erbitten. Die Antwort war höflich, aber in so dunklem und verworrenem Stil abgefaßt, daß der Schreiber seinen Brief selbst nicht verstand.
<90>So endigte der Feldzug elf Monate nach dem Einmarsch in Schlesien. Der König nahm die Huldigung seiner neuen Untertanen in Breslau entgegen (7. November) und kehrte von da nach Berlin zurück. Durch seine Fehler fing er an, den Krieg zu lernen. Doch die überwundenen Schwierigkeiten waren nur ein Teil derer, die noch zu besiegen blieben, um das in Angriff genommene große Werk glücklich zu vollenden.
70-1 Treffen bei Baumgarten am 27. Februar 1741; Freiherr Wylich von Diersfort war Kommandeur des Regiments Schulenburg.
71-1 Weit schärfer sagt der König in der Fassung von 1746: „Statt mir zu gehorchen, bat Schwerin um eine Verstärkung, mit der er seine Quartiere bis zum Frühjahr zu behaupten versprach.“
73-1 Vielmehr in Friedland. Am 7, marschierte der König nach Falkenberg und ging am 8. bei Michelau über die Neiße.
73-2 Markgraf Karl von Brandenburg-Schwedt.
76-1 Graf Adolf Friedrich von der Schulenburg. —-
76-2 Zu dieser Zeit verließ der König auf die Vorstellungen Schwerins und seiner Umgebung das Schlachtfeld. Er ritt über Löwen nach Oppeln, wo er nur durch die Schnelligkeit seines Pferdes der Gefangennahme entging, und von dort zurück nach Löwen; hier erreichte ihn 2 Uhr nachts die Siegesbotschaft.
77-1 Markgraf Friedrich von Brandenburg-Schwedt.
79-1 Vgl. S. 68.
79-2 Am 19. Dezember 1740.
80-1 Vgl. S. 7.
80-2 Christine Luise und Elisabeth (vgl. S. 7).
80-3 Am 8. Juni 1741 überreichte Ginkel die Note des Pensionärs van Heim.
80-4 Vertrag von Breslau vom 5. Juni 1741; die Unterzeichnung fand bereits am 4. statt.
83-1 Durch den Barrieretraktat vom November 1715 hatte Holland in den spanischen Niederlanden, dle 1714 im Frieden zu Rastatt und Baden in österreichischen Besitz übergegangen waren, das Besatzungsrecht für mehrere Festungen und die Verfügung über einige Plätze erhalten, durch die es sich die Sperrung der Schelde sicherte. Das Barriererecht bezweckte den Schutz Hollands gegen Frankreich.
84-1 Vertrag von Breslau vom 4. November 1741.
84-2 „Partagetraktat“ zu Frankfurt a. M., 19. September 1741.
84-3 In Niederösterreich.
84-4 Mit Frankreich.
86-1 Vgl. S. 3. 56.
87-1 Mit Rußland vom Februar 1741 (vgl. S. 69).
87-2 Am 3. September 1741.
89-1 Freiherr Georg Konrad von der Goltz.
89-2 Vgl. S. 22.