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12. Kapitel

Feldzüge in Italien und in Flandern. Begebenheiten am Rhein. Ereignisse vor den Operationen des Jahres 1745.

Um den Faden unserer Erzählung im folgenden nicht abreißen zu lassen, halten wir für geboten, einen kurzen Bericht der Ereignisse in Italien, in Flandern und am Rhein zu geben, bevor wir auf die preußischen Kriegstaten in Schlesien kommen.

Wie erinnerlich, hatte Gages Winterquartiere bei Terni bezogen und seine Spanier und Neapolitaner an beiden Ufern des Tiber gelagert. Lobkowitz hatte sein Quartier bei Imola, Don Philipps Heer stand teils in Savoyen, teils in der Grafschaft Nizza. Die Spanier eröffneten den Feldzug mit der Einnahme von Oneglia. Die französischen und spanischen Truppen versammelten sich in der Gegend von Nizza. Darauf rückte Fürst Lobkowitz bis Cesena vor. Gages ging ihm entgegen, schlug ihn am 31. März bei Rimini, machte 700 Gefangene und verfolgte ihn bis nach Lugo. Von da zog sich Fürst Lobkowitz durch Bologna zurück, ging über den Panaro und nahm Stellung bei Camposanto. Fast zu gleicher Zeit überschritt Gages den Panaro bei Modena und rückte gegen die Ufer der Trebia vor. Von dort eröffnete er sich durch das Genuesische eine Verbindung mit dem Infanten. Lobkowitz marschierte nach Parma und zog dort 15 000 Mann zusammen, in der Hoffnung, die Vereinigung der beiden Armeen zu verhindern. Allein Gages überschritt die Apenninen und den Fluß Magra, ohne sich um die Truppen zu kümmern, die seine Nachhut belästigten. Er zog unter den Mauern von Genua vorbei und erreichte das Polceveratal. Dadurch wurden die Österreicher zum Marsch auf Tortona genötigt. Don Philipp und Maillebois verließen am 1. Juni die Grafschaft Nizza. Sie zogen am Meere entlang die Riviera hinauf und ließen sich in ihrem Marsche auch durch zwölf englische Kriegsschiffe nicht behindern, die ein starkes Feuer auf sie unterhielten und ihnen einige Verluste beibrachten. Die Spanier spürten hier gleichzeitig die Wirkungen des Glücks und des Unglücks. Die Piemontesen waren schlau genug, acht spanische Magazine in der Gegend von Ventimiglia zu verbrennen. Aber zugleich erklärte sich Genua gegen den König von Sardinien und ließ seine Truppen, 10 000 Mann, zum Infanten stoßen.

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Die Österreicher wußten weder das Verdienst noch den Wert guter Generale zu schätzen. Sie hatten den Feldmarschall Traun entlassen, der im letzten Jahre im Elsaß wie in Böhmen sich selbst übertroffen hatte, und den Fürsten Lobkowitz an seiner Statt dem Prinzen von Lothringen zur Seite gestellt. Das Oberkommando in Italien übernahm Graf Schulenburg für den abberufenen Lobkowitz bis zur Ankunft des Fürsten von Liechtenstein, den der Hof damit betraut hatte. Schulenburg hatte Gages gegenüber nicht mehr Glück als sein Vorgänger: solche geistige Überlegenheit hatte der Spanier über die österreichischen Generale. Gages drängte seinen neuen Gegner von Novi bis Rivalta zurück, indes Don Philipp durch Cairo ins Gebiet von Montferrat eindrang, Acqui eroberte und sich mit der neapolitanischen und spanischen Armee bei Asti vereinigte. Schulenburg ging über den Tanaro und nahm Stellung an der Mündung dieses Flusses in den Po, bei einem Flecken namens Bassignana. Der Infant nahm die Gelegenheit wahr. Er ließ Tortona einschließen und rückte gegen die Österreicher vor. Sie zogen sich über den Po zurück und verbrannten und zerstörten alle Brücken hinter sich. Tortona ergab sich nebst seiner Zitadelle den Spaniern. Ein Zuzug von 8 000 Spaniern und Neapolitanern kam unter dem Duc de la Vieuxville aus der Romagna, ging durch das Großherzogtum Toskana, eroberte Piacenza nebst der Zitadelle und vertrieb die Österreicher aus dem Herzogtum Parma. Sofort geht Gages bei Parpanasso über den Po, indes der Infant Alessandria verläßt, den Tanaro überschreitet, die Österreicher am 27. September bei Bassignana angreift und den Sieg davonträgt. Dann belagert der Infant Messandria, das mit Ausnahme der Zitadelle kapituliert. Auch Valenza, Vigevano und viele andre Städte, die wir übergehen, mußten sich dem Sieger ergeben.

In dieser üblen Lage trifft Fürst Liechtenstein ein, um den Oberbefehl über ein geschlagenes, geschwächtes und mutloses Heer zu übernehmen. Wir wollen nicht erörtern, ob der Wiener Hof keine bessere Wahl im Oberkommando hätte treffen können. Soviel aber steht fest, daß der neue Oberkommandierende das geschehene Unglück nicht wieder gutmachte. Niemand hemmte den Siegeslauf der Gegner. Sie nahmen dem König von Sardinien Casale, Asti und Lodi weg. Der Infant zog als Sieger in Mailand ein und blockierte das Kastell der Stadt mit 18 000 Mann. So waren die Spanier am Ende des Feldzuges im Besitz der ganzen Lombardei, mit Ausnahme von Turin, Mantua und einigen Zitadellen, die sie eingeschlossen hielten. Ihre raschen Erfolge verdankten sie dem Feldherrntalent von Gages, zum Teil auch den genuesischen Hilfstruppen. Aber, wie schon gesagt, das Glück macht die Menschen sorglos, und so schliefen die Besieger Italiens denn auf ihren Lorbeeren ein. Zur Sicherung ihrer Winterquartiere hätten sie sich unbedingt der Zitadellen von Mailand und Alessandria bemächtigen müssen. Dazu wäre nur etwas Tatkraft nötig gewesen. Aber die Ausdauer verließ sie, als nur noch wenige Schritte zum Ziele fehlten, wo der Siegespreis des Wettlaufs winkte.

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Das Waffenglück war in diesem Jahre ganz auf seiten der Bourbonen, in Italien so gut wie in Flandern. Ludwig XV. hatte sich an die Spitze seines 80 000 Mann starken flandrischen Heeres gestellt. Der Marschall von Sachsen befehligte unter ihm. Bei Eröffnung des Feldzuges machten die Franzosen Scheinangriffe auf mehrere feste Plätze und belagerten plötzlich Tournai, einen der wichtigsten Barriereplätze, den 9 000 Holländer verteidigten. Die guten Festungswerke und die starke, von Vauban erbaute Zitadelle bereiteten den Belagerern viele Hindernisse und Schwierigkeiten. Die Verbündeten konnten den Franzosen nur 50 000 Mann unter dem Herzog von Cumberland und dem Feldmarschall Königsegg entgegenstellen. Gleichwohl rückten sie gegen Tournai vor und lagerten in der Ebene von Anderlecht. Trotz ihrer Nähe eröffneten die Franzosen am 1. Mai die Laufgräben. Die Verbündeten sahen ein, wie wichtig der Entsatz von Tournai für sie war, und beschlossen alles daranzusetzen, um Ludwig XV. zur Aufhebung der Belagerung zu zwingen.

Geht man am rechten Ufer der Schelde stromauf, so liegt südlich das Dorf Fontenoy, bis dahin ein unbekanntes Nest, seither aber durch die nach ihm benannte Schlacht berühmt. Dort wählte der Marschall von Sachsen eine Stellung aus, die ihm vorteilhaft genug schien, um die Absichten des Herzogs von Cumberland zu vereiteln. Zur Belagerung von Tournai ließ er nur die allernotwendigsten Truppen zurück. Sein rechter Flügel lehnte sich an die Schelde. Das Dorf Antoing am Scheldeufer wurde mit Infanterie und Kanonen besetzt. Die beiden Infanterietreffen nahmen eine hakenförmige Aufstellung gegen den Trinitatisberg ein, der am äußersten Ende des linken Flügels lag. Die Reiterei bildete hinter der Infanterie ein drittes Treffen. Ferner wurde das Dorf Antoing durch eine Batterie am jenseitigen Scheldeufer flankiert, während drei Schanzen, mit Infanterie und Kanonen gespickt, die Front der französischen Stellung deckten. Linkerhand vom Heere zog sich ein Gehölz hin, das die Franzosen durch Verhaue unzugänglich gemacht hatten.

Am 11. Mai bei Tagesanbruch rückte das Heer der Alliierten aus dem Walde von Barry vor und formierte sich in der Ebene in zwei Treffen gegenüber der französischen Armee. Der linke Flügel der Verbündeten eröffnete die Schlacht. Die holländischen Truppen sollten die Dörfer Fontenoy und Antoing angreifen, führten den Auftrag aber so lahm aus, daß sie von den Franzosen zweimal hintereinander zurückgeschlagen wurden. Nun gingen einige englische Brigaden vor, um die Schanzen vor der Front des französischen Heeres zu nehmen. Aber der General, dem dieser Auftrag zufiel, führte ihn nicht aus. Wahrscheinlich fand er ihn zu gefährlich. Als Königsegg sah, daß er große Verluste in Einzelkämpfen hatte, ohne Fortschritte zu machen, wollte er den Kampf mit einem Schlage entscheiden. Unter Umgehung der Dörfer und Schanzen machte er einen allgemeinen Angriff auf die französische Armee. Wäre der Plan ihm geglückt, so wäre die gesamte Besatzung der befestigten Stellungen nach dem Siege gefangen genommen worden, und die Schlacht wäre ein Gegenstück zu der berühmten Schlacht von Höchstädt geworden. Allein der Ausgang entsprach der Er<207>wartung nicht. Königsegg stellte zwei Infanterielinien gegenüber der Lücke auf, die zwischen Antoing und dem Walde von Barry klafft. Aber beim Angriff kamen sie in das Kreuzfeuer aus dem Dorfe und aus den Schanzen. Die Flanken erlitten schwere Verluste und bogen sich zurück. Das Zentrum litt weniger und blieb im Vorrücken. Durch das Abfallen der Flügel erhielt die österreichische Angriffsformation die Gestalt eines Keils, der durch den weiteren Vormarsch des Zentrums und durch die Verwirrung in eine tiefe Kolonne überging. Aber trotz der Unordnung griff diese Masse die französische Garde doch tapfer an, warf sie zurück, drang durch die beiden feindlichen Treffen und hätte vielleicht einen völligen Sieg davongetragen, hätten die Führer der Verbündeten die Verwirrung der Franzosen besser ausgenutzt. Die Mitte des französischen Heeres war durchbrochen. Es wäre ein leichtes gewesen, die Angriffskolonne zu spalten und die eine Hälfte nach rechts, die andre nach links zu werfen. Dadurch wäre die ganze noch standhaltende Infanterie in der Flanke gefaßt worden. Zugleich hätte die Kavallerie zur Unterstützung der mitten durchgeteilten Infanteriemasse vorgehen müssen. Hätten die Verbündeten so gehandelt, dann wäre es wahrscheinlich um die Franzosen geschehen gewesen. Aber während die Angreifer der Unordnung in ihren eignen Reihen abzuhelfen suchten, ließ der Marschall von Sachsen die königliche Leibgarde und die in Reserve gestellten Irländer vorgehen und verstärkte ihren Angriff durch die Salven einiger schleunigst aufgefahrenen Batterien. Auf diese Weise wurden die Engländer aus Angreifern zu Angegriffenen. Von allen Seiten, in der Front wie in der Flanke bedrängt, wichen sie nach tapferem Widerstand zurück, lösten sich auf und wurden von den Franzosen bis in den Wald von Barry verfolgt. Nach gewöhnlicher Schätzung kostete diese Schlacht den Verbündeten 10 000 Mann, mehrere Kanonen und einen Teil ihrer Bagage. Sie zogen sich durch Leuze unter den Kanonen von Ath nach dem Lager von Lessines zurück und überließen den Franzosen das Schlachtfeld und die Stadt Tournai.

Ludwig XV. und der Dauphin wohnten der Schlacht persönlich bei. Man hatte ihnen einen Platz bei einer zurückliegenden Windmühle angewiesen. Seitdem nannten die Franzosen ihren König nur noch Ludwig Müller (Louis du Moulin). So viel steht fest, daß Ludwig XV. am Tage nach der Schlacht bei dem Ritt über die blutgetränkte und mit Leichen bedeckte Walstatt zum Dauphin sagte: „Hier siehst du die Schlachtopfer, die dem politischen Haß und den Leidenschaften unsrer Feinde gefallen sind. Bewahre das im Gedächtnis, damit du mit dem Leben deiner Untertanen nie leichtfertig umgehst und ihr Blut nie in ungerechten Kriegen vergeudest.“ Der Marschall von Sachsen hatte trotz eines Anfalls von Wassersucht den Oberbefehl geführt. Er erhielt vom König die schmeichelhaftesten Lobsprüche. War es doch, als sei er von der Bahre aufgestanden, um Frankreichs Feinde niederzuschmettern. Der König von Preußen beglückwünschte ihn zu seiner Ruhmestat. Er sähe, so schrieb er an ihn, mit der Welt seinen Sieg als ein Unterpfand dafür an, daß der Marschall nach seiner Genesung noch ganz andre Dinge vollbringen würde. Europa ward mit gereimten<208> Zeitungen überschwemmt, die das große Ereignis verherrlichten. Aber man muß bekennen, daß der Tempel Viktorias diesmal den Musentempel an Schönheit übertraf. Die Einnahme von Tournai besiegelte den Sieg der Franzosen. Die Besatzung, 4 000 Mann, hatte sich in die Zitadelle geflüchtet. Sie kapitulierte am 20. Juni unter der Bedingung, achtzehn Monate nicht gegen die Franzosen zu fechten.

Ludwig XV. verstärkte sein Heer in Flandern mit 20 000 Mann, die er von der Rheinarmee nahm. Prinz Conti erhielt deren Oberbefehl an Stelle von Maillebois, der nach Italien geschickt worden war. Eine so unzeitige Truppenverschiebung verstößt gegen alle Regeln der Politik und der Kriegskunst. Die Veranlassung dazu bedarf der Erklärung. Zum besseren Verständnis des Lesers wird es dienen, wenn wir die Gründe für diese Maßnahme entwickeln. Frankreich hatte alle Hebel seiner Politik in Bewegung gesetzt, um den Ehrgeiz des Königs von Polen auf den Kaiserthron zu erregen. Obwohl die Franzosen trotz aller Intrigen mit diesem Plane nicht durchdrangen, ließen sie sich doch nicht abschrecken. Im Gegenteil, sie fuhren fort, in Dresden zu unterhandeln. Graf Saint-Séverin hatte Frankreich am sächsischen Hofe zwar gute Dienste geleistet, war aber dem Grafen Brühl durch seine Geschicklichkeit und seinen Scharfblick unbequem, ja verhaßt geworden. Brühl hatte es durchgesetzt, daß Saint-Séverin vom Grafen Vaulgrenant abgelöst wurde. Der hielt sich selbst für schlauer als Brühl. Im Grunde waren sie es beide nicht. Immerhin gelang es dem Sachsen, Vaulgrenant bei dieser Unterhandlung zu überlisten. Brühl brachte ihm die Überzeugung bei, daß Frankreich nur dadurch zu einem vorteilhaften Frieden mit der Königin von Ungarn gelangen könnte, daß es der Kaiserwahl des Großherzogs von Toskana nicht entgegenträte und seine Armee unter dem Befehl des Prinzen Conti am Rheine untätig ließe, um so mehr, als es seine Truppen an der Schelde viel besser als am Main verwenden könnte. Der Staatsrat Ludwigs XV. tappte blind in die Falle. Er prüfte weder die Ehrlichkeit des Rates, noch fragte er sich, ob der Vorschlag zu den Verpflichtungen stimmte, die Frankreich seinen Verbündeten gegenüber eingegangen war. Die geschwächte Rheinarmee unter Conti war jetzt nicht mehr fähig, den Unternehmungen des Wiener Hofes entgegenzutreten. Der Großherzog wurde gegen Frankreichs Willen zum Kaiser gewählt. Der Friede kam nicht zustande. Ja, der Versailler Hof durfte, um sich nichts zu vergeben, nicht einmal Vorwürfe erheben.

Die der Rheinarmee entzogenen Truppen langten in Flandern just an, als das französische Heer nach der Kapitulation der Zitadelle von Tournai abmarschierte. Es teilte sich in drei Korps. Das eine nahm Stellung bei Courtrai, das zweite bei St. Ghislain, das dritte bei Condé. Vicomte du Chayla schlug eine Abteilung von 5 000 Mann unter dem Kommando des Generals Molck, die der Herzog von Cumberland detachiert hatte, um Gent zu besetzen. Die kleine Schlappe verbreitete Schrecken im Heer der Verbündeten. Es zog von Brüssel ab. Gent, Brügge, Oudenaarde, jetzt unbeschützt, ergaben sich den Franzosen. Der Feldzug endete mit der Ein<209>nahme von Nieuport, Dendermonde, Ostende und Ath, worauf der Marschall von Sachsen Winterquartiere hinter der Dender bezog. Der Feldzug stellte den französischen Waffenruhm, den der Krieg in Böhmen vernichtet hatte, wieder her. Ludwig XIV. hatte im Jahre 1672 mehr Land erobert, es aber ebenso rasch wieder verloren. Ludwig XV. sicherte sich seine Besitzungen und verlor nichts.

Die Spanier und Franzosen hatten den Feldzug in Italien und Flandern um einen Monat früher eröffnet, als die Truppen in Schlesien ins Feld rückten. Die Preußen und Österreicher hatten erst gegen Ende Februar ruhige Winterquartiere bezogen. Beide bedurften der Ruhe, um sich von ihren Strapazen zu erholen. Der König von Preußen konnte seinen Feinden zuvorkommen. Er brauchte nur die österreichischen Quartiere in Böhmen zu überfallen. Aber er setzte mehr aufs Spiel, wenn er dort einbrach, als wenn er den Gegner erwartete. Deshalb zog er seine Kantonnements in der Mitte von Schlesien zusammen, sodaß er allen Gebirgspässen, durch die der Feind eindringen konnte, gleich nahe war. Es wäre unsinnig gewesen, dem Gegner fünfzehn bis zwanzig Straßen streitig zu machen, die in einer Breite von vierundzwanzig deutschen Meilen aus Böhmen und Mähren nach Schlesien führten. Das sicherste blieb, den Prinzen von Lothringen anzugreifen, wenn er aus den Pässen heraustrat, ihn dann nach Böhmen zu verfolgen, das Land an der schlesischen Grenze auf zwölf Meilen in der Runde auszufouragieren und die Truppen im Spätherbst nach Schlesien zurückzuführen, um ihnen ruhige Winterquartiere zu verschaffen. Der Plan war einfach, leicht ausführbar und entsprach den Umständen. Man hatte also alle Ursache, auf sein Gelingen zu rechnen.

Die Armee war folgendermaßen aufgestellt. 10 Bataillone, 10 Schwadronen und 500 Husaren unter Generalleutnant Truchseß bildeten eine Kette von der Lausitz bis zur Grafschaft Glatz. Ihre Patrouillen gingen nach Schatzlar, Braunau und Böhmisch-Friedland. General Lehwaldt deckte die Grafschaft Glatz mit 10 Bataillonen und 500 Husaren. Außerdem lagen drei Bataillone als Besatzung in der Festung, deren Gouverneur Fouqué war. Markgraf Karl verteidigte die Grenze von Oberschlesien mit 16 Bataillonen und 20 Schwadronen. Hautcharmoy deckte mit 5 Bataillonen und 16 Schwadronen den Teil Oberschlesiens jenseits der Oder. Die Hauptarmee stand zwischen Breslau, Brieg, Schweidnitz, Glatz und Neiße. In Neiße hatte der König sein Hauptquartier. Hier wütete eine Seuche. Die Menschen bekamen Beulen und starben in wenigen Tagen. Hätte man gesagt, es sei die Pest, so wären alle Verbindungen, ja sogar die Lieferungen für die Magazine abgeschnitten worden. Die Furcht vor der Ansteckung wäre bei Eröffnung des Feldzuges verhängnisvoller geworden als alle Unternehmungen des Feindes. Man milderte also jenen furchtbaren Namen und nannte die Krankheit Faulfieber. So ging alles seinen gewöhnlichen Gang. Derart machen Worte oft mehr Eindruck auf die Menschen als die Dinge selbst.

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Kurz nach der Ankunft des Königs fing der Kleinkrieg mit großer Heftigkeit an. Die Feinde hofften, die Preußen durch ununterbrochene Belästigung allmählich aufzureiben. Ungefähr 10 bis 12 000 Ungarn unter dem alten Feldmarschall Esterhazy und den Generalen Karolyi, Festetics, Spleny und Ghillanyi machten Einfälle in Oberschlesien und drangen soweit wie möglich vor. Major Schaffstedt, der mit 200 Mann nach dem kleinen Flecken Rosenberg detachiert war, wurde angegriffen. Die Feinde steckten das Städtchen in Brand. Der Major hielt sich tapfer, doch von allen Seiten umzingelt, sah er sich gezwungen zu kapitulieren, worauf er zu seinem Regiment in Kreuzburg zurückkehrte210-1. Der Schimpf mußte vergolten und der Dünkel der neu ausgehobenen ungarischen Truppen gedemütigt werden. Der König sandte Streifkorps gegen sie aus. Es kam zu kleinen Gefechten, dem Vorspiel der entscheidenden Schläge. Da dieses Buch ein Denkmal der Tapferkeit und des Ruhmes der um ihr Vaterland verdienten Offiziere sein soll, so halten wir es für unsere Pflicht, ihre Heldentaten der Nachwelt zu berichten und sie durch solche Beispiele von Seelengröße zur Nacheiferung anzufeuern.

Die Leitung des Unternehmens erhielt Winterfeldt wegen seiner seltenen Verdienste. Er ging mit 6 Bataillonen und 1 200 Husaren bei Kosel über die Oder, während Goltz mit einem Bataillon und 500 Husaren den Fluß bei Oppeln überschritt, um gemeinschaftlich mit ihm die Ungarn unter Esterhazy anzugreifen. Winterfeldt überfiel das Dorf Slawentzitz, wo er 120 Gefangene machte. Er hörte links von sich ziemlich lebhaftes Feuer und rückte sogleich dorthin. Es waren 5 000 Ungarn, die das Goltzsche Detachement umzingelt hatten. Winterfeldt griff sie an und trug einen völligen Sieg davon210-2. Spleny rettete sich mit seinen Husaren, nachdem er 300 Mann und seine Bagage verloren hatte. Winterfeldt hatte damit noch nicht genug. Er setzte die Verfolgung fort und stieß am folgenden Tag auf 2 000 Husaren, die sich vor einem Sumpfe postiert hatten. Er warf sie in den Sumpf, wo der größte Teil umkam oder gefangen genommen wurde. Durch diese Erfolge erlangten die preußischen Husaren allmählich ein Übergewicht über die ungarischen. Der Husarenoberst Wartenberg schlug noch eine große Abteilung Insurgenten bei Kreuzburg und zerstreute sie gänzlich (20. April).

Während dieses Vorspiels zum Kriege rückte das Frühjahr heran. Der April ging zu Ende. Es war Zeit, die Armee zusammenzuziehen. Sie bezog Kantonnementsquartiere zwischen Patschkau und Frankenstein. Man stellte Wege für vier Kolonnen her in der Richtung auf Jägerndorf, Glatz und Schweidnitz. Hier mußte der Feind aus dem Gebirge heraustreten. Die von den Österreichern angelegten Magazine und die Orte, wo ihre regulären Truppen sich zu versammeln begannen, verrieten ihre Absichten deutlich. Man merkte, daß die Insurrektionstruppen und die Ungarn in Oberschlesien nur dazu bestimmt waren, die Preußen irrezuführen und sie dorthin zu locken,<211> indes die österreichische Hauptarmee über Landeshut in Schlesien eindringen sollte. Der Plan war an sich nicht übel, scheiterte aber bei der Ausführung.

Teilten die Preußen ihre Kräfte, um dem Feinde allerorten die Stirn zu bieten, so waren sie zu schwach, um einen entscheidenden Schlag gegen die Hauptmacht des Prinzen von Lothringen zu führen. Blieben sie aber beisammen, so konnten die vielen leichten Truppen, die nirgends Widerstand gefunden hätten, ihnen die Lebensmittel abschneiden und sie schließlich aushungern. Das sicherste war also, seine Hauptmacht zusammenzuhalten, zugleich aber die Entscheidung durch einen großen Schlag herbeizuführen.

Man traf Anstalten, um Oberschlesien, mit Ausnahme der Festung Kosel, gegen Ende Mai zu räumen. Die Magazine wurden von Troppau und Jägerndorf nach Neiße geschafft. Rochow deckte den Transport mit 1 200 Pferden und einem Grenadierbataillon. 4 000 Ungarn, halb Husaren, halb Panduren, griffen ihn an, konnten ihm aber nichts anhaben211-1. Die Kavallerie machte hier die erste Probe auf ihre neue Fechtweise und sah ein, wie brauchbar sie war.

Es galt, die Feinde in Sicherheit zu wiegen. Ihr Dünkel sollte sie bei ihrer Unternehmung zur Nachlässigkeit verleiten. Zu dem Zwecke benutzte der König einen Mann aus Schönberg, der beiden Heeren als Spion diente. Er ließ ihn reichlich bezahlen und sagte ihm, er könne ihm keinen größeren Dienst erweisen als durch rechtzeitige Benachrichtigung vom Marsche des Prinzen von Lothringen, damit er<212> selbst sich auf Breslau zurückziehen könnte, noch ehe die Österreicher aus den Gebirgspässen herausgetreten seien. Um den Spion noch mehr in seinem Irrtum zu bestärken, ließ der König Wege nach Breslau ausbessern. Der Spion versprach alles, erfuhr von der Instandsetzung der Wege und eilte zum Prinzen von Lothringen mit der Meldung, daß der Feind fortzöge und daß er niemand mehr vorfinden würde.

Die Aufmerksamkeit des Königs war jetzt in erster Linie auf Landeshut gerichtet. Dorthin detachierte er Winterfeldt mit einigen Bataillonen und den Husarenregimentern Ruesch und Bronikowski, um die Bewegungen der Österreicher zu beobachten. Bald sollte Winterfeldt sich hervortun. Bei Hirschberg schlug er 800 Ungarn unter einem Freischarenführer Patatich und machte 300 Gefangene. Zur Vergeltung des der ungarischen Nation angetanen Schimpfes rückte Nadasdy mit 7 000 Mann gegen Winterfeldt, der nur 2 400 Mann hatte, vor und griff ihn bei Landeshut an (22. Mai). Nach vierstündigem Kampfe war die ungarische Infanterie völlig geschlagen. Gerade als Nadasdy sich zum Rückzuge wandte, trifft General Stille mit zehn Schwadronen Alt-Möllendorff-Dragonern ein und stürzt sich auf den Feind. Die Ungarn werden völlig geworfen und unter fortwährenden Gefechten bis an die böhmische Grenze zurückgetrieben. Die Österreicher verloren bei diesem Treffen 600 Mann. Einige ihrer vornehmsten Offiziere fielen verwundet in Feindeshand. Von den Gefangenen erfuhr man, daß Nadasdy Befehl hatte, bei Landeshut Posto zu fassen. Wäre ihm das gelungen, dann sollte der Prinz von Lothringen ihm folgen. Winterfeldt wurde wegen seiner hervorragenden Leistungen und seines klugen Benehmens zum Generalmajor befördert.

Markgraf Karl mußte nun unverzüglich aus Oberschlesien abberufen werden. Die ungarische Miliz hatte sich die Aufhebung der Winterquartiere zunutze gemacht, um ganz Oberschlesien mit Streifkorps zu überschwemmen. 6 000 Husaren schwärmten zwischen Jägerndorf und Neustadt, um die Verbindung des Markgrafen mit der Armee zu unterbrechen. Damit der Befehl zum Rückzug nach Neiße den Markgrafen auch wirklich erreichte, schickte der König die Zietenhusaren an ihn ab. Sie schlugen sich durch die Ungarn durch und überbrachten ihm die Order212-1. Der Markgraf setzte sich am 22. Mai in Marsch. Sein Korps zählte etwa 12 000 Mann. Die Feinde sahen seinen Rückzug voraus. Sie hatten sich auf 20 000 Mann verstärkt, teils durch zusammengeraffte barbarische Völker, teils durch einige reguläre Truppen, die aus<213> Mähren zu ihnen gestoßen waren. Sie besetzten tags zuvor alle Anhöhen auf dem Wege des Markgrafen und pflanzten dort drei Batterien auf, die die Preußen in der Flanke beschossen und auf ihrem Marsche sehr belästigten. Aber der Markgraf ließ sich durch die Hindernisse, die der Feind ihm in den Weg legte, nicht abschrecken. Er bemächtigte sich mit einigen Bataillonen der benachbarten Höhen und der wichtigsten Defileen und stellte am Austritt derselben die Kavallerieregimenter Geßler und Württemberg auf. Sie warfen sich mit unerhörtem Ungestüm auf das Regiment Ogylvi, machten den größten Teil davon nieder, griffen dann das Regiment Esterhazy an, das im zweiten Treffen stand, ließen es gleichfalls über die Klinge springen, sammelten sich wieder, attackierten das Dragonerregiment Sachsen-Gotha, das die österreichische Infanterie unterstützen sollte, schlugen es gänzlich und richteten ein großes Blutbad unter den Flüchtlingen an. Die Feinde ließen mehr als 800 Tote auf dem Platze. Ihre Freischaren, die Zuschauer dieses Treffens, stürzten sich, als sie das traurige Schicksal der regulären Truppen sahen, mit wildem Geheul in die Wälder213-1. Der Markgraf bewies in diesem Kampfe eine Tapferkeit, die seines Großvaters, des Großen Kurfürsten, würdig war. General Schwerin213-2 führte die Kavallerieattacke an, die drei verschiedene Regimenter kurz hintereinander niederwarf. Sein Ruhm war um so glänzender, als mit dieser Waffentat die Epoche des Ruhmes für die preußische Kavallerie anbrach. Erstaunlich ist es, wie schnell sich Kühnheit oder Schrecken der großen Masse mitteilen. Im Jahre 1741 war die preußische Kavallerie die unbehilflichste, schwerfälligste und mutloseste in ganz Europa. Nun war sie einexerziert, hatte Gewandtheit, Mut und Selbstvertrauen erlangt und versuchte ihre eignen Kräfte. Es gelang, und da ward sie verwegen. Lohn und Strafe, Lob und Tadel, zur rechten Zeit angewandt, verwandeln den Geist der Menschen und erfüllen sie mit Gesinnungen, die man ihnen im rohen Naturzustande nicht zugetraut hätte. Kommen dann noch große Beispiele von Tapferkeit wie das eben genannte hinzu, die ihre Bewunderung erregen, so ergreift Wetteifer alle Herzen. Einer will es dem andern zuvortun, und gewöhnliche Menschen werden zu Helden. Oft liegen die Talente nur in einer Art von Winterschlaf. Heftige Erschütterungen wecken sie auf; sie ermannen und entwickeln sich. Die Ehrung und Belohnung des Verdienstes erregt die Eigenliebe der Augenzeugen. Im alten Rom waren die Bürger- und Mauerkronen und vor allem die Triumphe ein Ansporn für alle, die auf solche Ehren Anspruch erheben konnten. Es empfahl sich daher, die Ruhmestat von Jägerndorf beim Heere recht herauszustreichen. Der Markgraf, General Schwerin und alle, die sich ausgezeichnet hatten, wurden im Triumphe empfangen. Die Kavallerie wartete mit Ungeduld auf die Gelegenheit, es diesen Helden gleichzutun, ja sie zu übertreffen. Alle brannten vor Begierde, zu kämpfen und zu siegen.

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Unter solchen glücklichen Vorzeichen wurde das Heer am 27. Mai im Lager bei Frankenstein zusammengezogen, mit Ausnahme der Truppen, die die Festungen schützten, und eines Korps von 6 Bataillonen und 20 Schwadronen unter Hautcharmoy, das dem Feldmarschall Esterhazy gegenüberstand und das sich in die Festungen Kosel, Brieg und Neiße zurückziehen konnte, falls die Übermacht des Feindes es erdrückte.


210-1 8. April 1745.

210-2 12. April 1745. Die Einzelheiten der Darstellung sind ungenau.

211-1 Gefecht bei Mocker, 4. Mal 1745.

212-1 Es handelt sich um den berühmten Ritt am 19. und 20. Mai 1745, auf dem Zieten mit 550 Husaren 10 Meilen in 22 Stunden zurücklegte, zuletzt unter wiederholten Angriffen und im Galopp, als er sich vom Feinde entdeckt und verfolgt sah. „Well ich“, so berichtete er am 21. dem König, „diejenigen, so mir im Marsch aufhalten wolten, braff durch außfallung der Züge oder gantze Esquadrons mit dem Säbel in der Faust zurücktreiben ließe, so erreichte doch die Höhe nahe vor Jägerndorf, allwo dann der General Bronikowski mit seinem Regiment zu mir stieß.“ Bronikowski war Zieten entgegengeschickt worden. Auf die Rückseite des Berichtes schrieb der König eigenhändig: „ich währe Sehr Mit Seiner Klugen conduite So wohl als so viel ertzeigter Bravour zufriden“.

213-1 Gefecht bei Bratsch, 22. Mai 1745.

213-2 Generalmajor Reimar Julius von Schwerin.