<101> mehr im Interesse ihrer Verbündeten, den König einfach festzuhalten, um dadurch Feldmarschall Daun und dem Prinzen von Lothringen Zeit zur vollständigen Eroberung Schlesiens zu verschaffen? Hätten sie den König nur noch eine kurze Weile in Thüringen hingehalten, so wäre die Eroberung nicht nur vollendet worden, sondern die Preußen hätten auch bei der vorgerückten, rauhen Jahreszeit in Schlesien unmöglich noch die Erfolge erringen können, von denen wir gleich reden werden. Was aber die Schlacht selbst anlangt, in die sie sich so zur Unzeit einließen, so war es gewiß nur Soubises Unentschlossenheit und seinen verkehrten Anordnungen zuzuschreiben, wenn er sich von einer Handvoll Leute besiegen ließ. Noch erstaunlicher aber als alles übrige erschien die Art, mit der Frankreich die Verdienste seiner Generale belohnte. D'Estrées, der Sieger von Hastenbeck, wurde zurückberufen1, Soubise aber, der bei Roßbach unterlag, wurde bald darauf zum Marschall von Frankeich befördert.
Eigentlich gab die Schlacht von Roßbach dem König nur die Freiheit, in Schlesien neue Gefahren aufzusuchen. Die Bedeutung des Sieges lag bloß in dem Eindruck, den er auf die Franzosen und die Trümmer der Armee des Herzogs von Cumberland machte. Sobald Richelieu Nachricht von der Niederlage erhalten hatte, verließ er sein Lager bei Halberstadt und zog sich ins Kurfürstentum Hannover zurück. Die Truppen der Verbündeten hingegen, die schon die Waffen strecken wollten, schöpften neuen Mut und neue Hoffnung.
Fast gleichzeitig gab ein günstiger Umschwung im englischen Ministerium, auf den wir gleich näher eingehen werden, der Regierung neue Tatkraft. Beschämt über die Konvention von Kloster Zeven, die ihrer Nation das Siegel der Schmach aufdrückte, beschlossen die englischen Minister, diese Konvention zu brechen. Sie waren dazu um so mehr berechtigt, als das Abkommen weder vom König von England noch vom König von Frankreich ratifiziert worden war. Sie bemühten sich sofort, die Armee bei Stade wieder auf die Beine zu bringen, und der Herzog von Cumberland, der das Vertrauen seiner Truppen verloren hatte, wurde vom König abberufen. An seiner Statt erbat er sich vom König den Prinzen Ferdinand von Braunschweig, dessen Ruf sich mit Recht durch ganz Europa verbreitet hatte. Die Preußen verloren in ihm zwar einen trefflichen und schwer entbehrlichen General, aber es war von größter Wichtigkeit, die Armee der Verbündeten wieder in die Höhe zu bringen, und so konnte der König diese Bitte nicht gut abschlagen. Prinz Ferdinand verließ also das Heer, begab sich auf Umwegen nach Stade und fand in der Gegend ein zerstreutes Korps von 30 000 Mann vor, dessen Entwaffnung die Franzosen aus Inkonsequenz oder Leichtsinn versäumt hatten.
Während des Feldzuges in Thüringen kam man dahinter, daß ein Franzose, namens Fraigne, der sich am Hofe von Zerbst aufhielt2, Hausierer und andre verkappte Leute zur preußischen Armee schickte, um alles, was sie erkundeten, den französischen Generalen mitzuteilen. Infolgedessen wurde ein Detachement nach
1 Vgl. S. 88.
2 Marquis de Fraigne, der 1756 der französischen Gesandtschaft in Berlin attachiert war, wurde am 23. Februar 1758 als französischer Spion verhaftet.