<102> Zerbst gesandt, das den Abenteurer aufhob und nach der Festung Magdeburg schaffte. Dabei stellte sich heraus, daß die Fürstin-Witwe von Zerbst1 infolge einer unerklärlichen Liebestorheit eine heimliche Ehe mit diesem Menschen geschlossen hatte. Sie schlug lauten Lärm über seine Gefangennahme und verlegte aus Ärger ihren Wohnsitz nach Paris. Die Sache konnte unter Umständen üble Folgen haben, da die Großfürstin von Rußland die Tochter der Fürstin von Zerbst war. Aber vielleicht ignorierte oder mißbilligte die Großfürstin das Verhältnis ihrer Mutter zu diesem Abenteurer, und so erwuchs dem König kein weiterer Verdruß daraus.

Der König kehrte von Eckartsberga nach Freiburg zurück. Gleichzeitig kam ein Detachement, das Feldmarschall Keith nach Querfurt gesandt hatte, von der Verfolgung der Franzosen wieder. Sogar die Bauern der Gegend brachten Gefangene ein. Sie waren erbittert über die Schandtaten, die die Soldaten Soubises in lutherischen Kirchen verübt hatten. Alles, was das Volk aufs höchste verehrte, war mit roher Unanständigkeit entweiht worden. Dies zügellose Benehmen der Franzosen hatte alle thüringischen Bauern zu Parteigängern der Preußen gemacht.

Indessen mußte der König von Freiburg aufbrechen. Die Lage in Schlesien erforderte seine Gegenwart und Hilfe. Er wollte stracks auf Schweidnitz marschieren, um Nadasdy zur Aufhebung der Belagerung zu zwingen. Am 13. November brach er mit 19 Bataillonen und 28 Schwadronen von Leipzig auf. Gleichzeitig rückte Feldmarschall Keith mit einem kleinen Korps über Leitmeritz in Böhmen ein, um den Marsch des Königs durch die Lausitz zu erleichtern und Marschall durch diese Diversion zum Verlassen der Gegend von Bautzen und Zittau zu zwingen. Keith nahm ein großes feindliches Magazin bei Leitmeritz weg und machte Miene, auf Prag vorzurücken. Derweilen drang der König in die Lausitz ein und vertrieb Hadik aus Großenhain. Bei seiner Annäherung zog sich Marschall auf Löbau zurück. Auf dem Marsche von Bautzen nach Weißenberg wurde die Spitze einer Kolonne gegen Löbau dirigiert. Bei ihrem Erscheinen ging Marschall noch weiter auf Gabel zurück. Hierauf setzte der König seinen Weg ungehindert fort.

Bei seiner Ankunft in Görlitz (23. November) erhielt der König die schmerzliche Nachricht, daß sich Schweidnitz ergeben hatte2. Die Festung wurde auf folgende Weise genommen. Nadasdy hatte am 27. Oktober die Laufgräben zwischen dem Bögenfort und der Ziegelei eröffnet. Am 10. November war seine dritte Parallele fertig. Die Besatzung hatte einige erfolgreiche Ausfälle gemacht, und obwohl das Bombardement einen Teil der Stadt zerstört hatte, war noch keins der Werke in Feindeshand gefallen. Ungeduldig über seine geringen Erfolge, beschloß Nadasdy einen Handstreich zu wagen. In der Nacht zum 11. November unternahm er einen allgemeinen Sturm


1 Johanna Elisabeth, Witwe des 1747 gestorbenen Fürsten Christian August, Mutter der Großfürstin Katharina von Rußland (vgl. Bd. II, S. 153 f.). Von einer heimlichen Ehe mit Fraigne ist nichts überliefert.

2 Am 12. November 1757.