<106> Ein andres Regiment erreichte durch die Vorstädte das Breslauer Tor, und das Unternehmen endigte mit der Gefangennahme von 800 Kroaten durch die Husaren. Sogleich wurde der Lagerplatz besetzt. Man fand dort Pfähle und Markierungen, die die österreichischen Ingenieure zur Absteckung der Truppenstellung hinterlassen hatten. Der Prinz von Württemberg übernahm den Befehl über die Avantgarde. Am Abend erhielt er 10 Bataillone Verstärkung, mit denen er bei Kammendorf ein Lager bezog. Noch am selben Tage zog die Kavallerie durch das Defilee von Neumarkt, während das Gros der Infanterie in Neumarkt und den umliegenden Dörfern kantonnierte. Da erhielt der König zuverlässige Meldung, der Prinz von Lothringen habe das Lager an der Lohe verlassen und sei bis über Lissa vorgerückt. Sein rechter Flügel lehne sich an das Dorf Nippern, der linke an Gohlau, und das Schweidnitzer Wasser decke seinen Rücken. Erfreut sah der König den Feind in einer Stellung, die seine eigenen Absichten erleichterte. Denn er war gezwungen und entschlossen, die Österreicher überall anzugreifen, wo er sie fand, und wenn sie auf dem Zobtenberg gestanden hätten.

Sofort wurden die Anordnungen zum Vormarsch getroffen. Die Armee setzte sich am 5. vor Tagesanbruch in Bewegung. Voran rückte eine Avantgarde von 60 Schwadronen und 10 Bataillonen, an ihrer Spitze der König. Dicht dahinter folgte die Armee in vier Kolonnen, die Infanterie in der Mitte, die Kavallerie auf den Flügeln. Als die Avantgarde sich dem Dorfe Borne näherte, sah sie eine große Kavallerielinie vor sich, deren rechter Flügel sich nach Lissa hinzog, während der vorgeschobene linke Flügel sich an ein Gehölz rechts von der Armee des Königs lehnte. Anfangs hielt man diese Kavallerie für einen Flügel der österreichischen Armee, deren Zentrum man aber nicht entdeckte. Die Patrouillen versicherten, es wäre eine Avantgarde. Ja, man erfuhr sogar, daß sie von General Nostitz kommandiert würde und aus vier sächsischen Dragonerregimentern und zwei kaiserlichen Husarenregimentern bestände. Um sicher zu gehen, wurden die 10 Bataillone der Vorhut unvermerkt in das Gehölz gelegt, das die linke Flanke von Nostitz deckte. Dann warf sich die inzwischen aufmarschierte preußische Kavallerie mit Ungestüm auf den Feind. Im Nu wurden die Regimenter zerstreut und bis vor die Front der österreichischen Armee verfolgt. 5 Offiziere und 800 Mann wurden dabei gefangen genommen und an den Marschkolonnen entlang nach Neumarkt zurückgeschickt, um die Truppen durch diesen Erfolg anzufeuern. Nur mit Mühe zügelte der König das Ungestüm der Husaren, die ihre Kampflust vorwärts trieb. Sie wollten schon mitten in die österreichische Armee hereinbrechen, wurden jedoch in Kanonenschußweite vom Feinde zwischen den Dörfern Groß-Heidau und Frobelwitz wieder gesammelt.

Von dort sah man die kaiserliche Armee so deutlich, daß man sie Mann für Mann zählen konnte. Ihr rechter Flügel, der, wie man wußte, bei Nippern stand, war allerdings durch das große Gehölz bei Lissa1 verdeckt, aber vom Zentrum bis zum linken


1 Der Zettelbusch.