<108> Hauptstoß sollte der rechte Flügel ausführen, während der linke dem Feinde mit so viel Vorsicht versagt werden sollte, daß Fehler wie bei Prag und bei Kolin (wo sie die Niederlage verschuldet hatten)1 nicht wieder begangen werden konnten.
Wedell2, der mit seinen 10 Avantgardenbataillonen zum ersten Angriff bestimmt war, hatte sich bereits an die Spitze der Armee gesetzt, und die Teten der Kolonnen hatten unbemerkt vom Feinde das Schweidnitzer Wasser erreicht. Feldmarschall Daun hielt den Marsch der Preußen für einen Rückzug und sagte zum Prinzen von Lothringen: „Die guten Leute paschen ab. Lassen wir sie in Frieden ziehen!“ Inzwischen hatte Wedell sich vor den beiden Infanterietreffen des rechten Flügels formiert. Sein Angriff wurde durch eine Batterie von 20 Zwölfpfündern3 unterstützt, die der König von den Wällen von Glogau genommen hatte. Das erste Treffen erhielt Befehl, in Bataillonsstaffeln vorzurücken, jedes Bataillon mit 50 Schritt Abstand hinter dem andern, sodaß der äußerste rechte Flügel beim Vorrücken der Schlachtfront dem Ende des linken Flügels um 1 000 Schritt voraus war. Bei dieser Anordnung konnte der linke Flügel unmöglich ohne Befehl in den Kampf eingreifen.
Nun stürmte Wedell gegen den Kiefernberg an, auf dem Nadasdy stand. Er stieß auf keinen großen Widerstand und nahm ihn ziemlich schnell. Als sich die österreichischen Generale umgangen und in der Flanke gefaßt sahen, suchten sie eine neue Front zu formieren und sich den Preußen parallel zu stellen. Doch zu spät! Die ganze Kunst der preußischen Generale bestand darin, dem Feinde keine Zeit zur Veränderung seiner Stellung zu lassen. Schon richteten sich die Preußen auf einer Anhöhe ein, die das Dorf Leuthen beherrscht. In dem Augenblick, wo der Feind sie mit Infanterie besetzen wollte, wurde er von einer zweiten Batterie von 20 Zwölfpfündern4 so zur rechten Zeit mit Feuer überschüttet, daß er die Lust verlor und sich zurückzog. Dort, wo Wedell angriff, bemächtigten sich die Österreicher eines Hügels nahe dem Bach5, damit er ihre Linie nicht in der ganzen Länge bestreichen konnte. Der aber duldete sie nicht lange dort. Nach einem Kampfe, der länger und hartnäckiger war als der erste, warf er den Feind zurück. Zugleich griff Zieten die feindliche Kavallerie an und schlug sie in die Flucht. Einige Schwadronen seines rechten Flügels bekamen dabei in die Flanke eine Kartätschensalve aus dem Buschwerk am Bachufer. Das unerwartete Feuer trieb sie zurück. Sie formierten sich wieder neben der Infanterie.
Nun meldeten die zur Beobachtung des rechten österreichischen Flügels abgesandten Offiziere dem König, daß dieser Flügel sich durch das Gehölz bei Lissa ziehe und unverzüglich in der Ebene auftauchen müsse. Daraufhin erhielt Driesen6 Befehl, mit dem linken preußischen Kavallerieflügel vorzugehen. Als die österreichischen Kürassiere sich bei Leuthen zu formieren begannen, wurden sie von der Batterie im Zentrum der preußischen Armee mit heftigem Artilleriefeuer begrüßt. Zugleich griff Driesen sie an. Der Kampf war kurz. Die Kaiserlichen wurden zerstreut und flohen Hals über
1 Vgl. S. 71 f. und 79 f.
2 Generalmajor Karl Heinrich von Wedell.
3 Auf dem Glanzberg.
4 Auf dem Judenberg.
5 Der Gohlauer Graben.
6 Generalleutnant Georg Wilhelm von Driesen.