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Am 30. August griff er den Feind an. Sofort trieben die preußischen Husaren und Dragoner die russische Kavallerie und die Kosaken vor sich her und jagten sie bis in ihr Lager zurück. Aber der Feind hatte in der Nacht seine Stellung gewechselt, und so stimmten die vom Feldmarschall tags zuvor gegebenen Angriffsdispositionen nicht mehr zu dem Gelände, in dem die Russen jetzt standen. Nichtsdestoweniger griff die Kavallerie des linken Flügels die russische Reiterei an und warf sie hinter ihre Front zurück, erhielt von dort aber so heftiges Kanonen- und Kartätschenfeuer, daß sie sich wieder auf die preußische Infanterie zurückziehen mußte. Zugleich griff Lehwaldt die russischen Grenadiere in einem Gehölz an, das voller Verhaue war und im Zentrum von Apraxins Stellung lag. Die Grenadiere wurden geschlagen und fast völlig aufgerieben. Aber das Dickicht, worin der Kampf stattfand, verbarg den Preußen eine feindliche Bewegung, die ihnen verderblich werden sollte: Rumänzow kam den Grenadieren mit 20 Bataillonen aus dem zweiten russischen Treffen zu Hilfe und umfaßte die preußische Infanterie in Flanke und Rücken. Sie verlor nach und nach Terrain und mußte schließlich weichen. Der Rückzug ging in guter Ordnung vonstatten und wurde von Dragonern und Husaren gedeckt. Der Feind wagte keine Verfolgung, und die Preußen kehrten nach Wehlau in ihr altes Lager zurück. Lehwaldt verlor bei Groß-Jägersdorf nicht mehr als 1 400 Mann an Toten, Verwundeten und Gefangenen, sowie 13 Kanonen.

Apraxin blieb noch einige Tage in seinem Lager bei Groß-Jägersdorf stehen, machte aber am 7. September Miene, über die Alle zu gehen und geradeswegs auf Königsberg vorzurücken. Trotzdem schien ihm das Unternehmen nicht sehr am Herzen zu liegen; denn als er auf ein preußisches Korps stieß, das ihm den Übergang über die Alle streitig machte, ließ er seinen Plan fallen. Zehn Tage darauf brach er plötzlich sein Lager bei Groß-Jägersdorf ab und zog sich gegen die polnische Grenze zurück. Feldmarschall Lehwaldt folgte ihm zum Schein bis Tilsit, weniger in der Absicht, die feindliche Arrieregarde zu beunruhigen, als um die Öffentlichkeit zu täuschen. Das Stärkeverhältnis der zwei Armeen war denn doch zu ungleich und die erlittene Schlappe noch zu frisch. Übrigens erreichte er seinen Zweck ungefährdet; denn wenn sich der Feind von selbst nach Polen zurückzog, so war es das beste, man ließ ihn seinen Weg ruhig fortsetzen. So räumte Apraxin ganz Preußen bis auf Memel, das die Russen in Besitz behielten.

Die preußische Armee blieb in der Gegend von Tilsit stehen und schätzte sich glücklich, einen so schrecklichen Feind auf so billige Weise losgeworden zu sein. War sie aber den drohenden Gefahren des Feldzugs entgangen, so war es doch nicht wahrscheinlich, daß sie auf die Dauer das gleiche Glück haben würde. Denn hätte Feldmarschall Lehwaldt auch alle Talente des Prinzen Eugen besessen, wie hätte er im Verlauf des Krieges mit 24 000 Preußen 100 000 Russen standhalten können? Der König aber hatte gegen so viele Feinde zu kämpfen und seine Truppen waren so gewaltig zusammengeschmolzen, daß er völlig außerstande war, der Armee in Ostpreußen Hilfe zu