<145> rechten Flügel Hilfe zu schicken. Indes kam Retzow nicht mehr zeitig genug, um das Grenadier-Bataillon Kleist herauszuhauen. Es wurde vom Feinde umzingelt und mußte die Waffen strecken.
Noch hielt sich der rechte Flügel der Armee, so sehr sich der Feind auch anstrengte, über Hochkirch hinauszudringen. Die Schlacht hatte um 4 Uhr begonnen. Um 10 Uhr war der Kirchhof genommen. Das Dorf und die Batterie waren bereits verloren. Die Stellung des Feindes war zu vorteilhaft, um ihn daraus vertreiben zu können. Zudem fiel eine große Kavalleriemasse der Armee in den Rücken, und Retzow hatte Weißenberg aufgegeben. Unter solchen Umständen war die Stellung nicht länger zu halten, und es blieb nichts übrig als der Rückzug. Zuerst ging die Kavallerie von den Höhen in die Ebene hinab, um den Marsch der Infanterie zu decken. Dann schlug der rechte Infanterieflügel den Weg nach Doberschütz ein, wo das Lager abgesteckt wurde. Das Retzowsche Korps bildete die Arrieregarde. Mehrmals griff die österreichische Kavallerie die preußische an, wurde aber von Seydlitz und dem Prinzen von Württemberg kräftig zurückgeworfen. Das Lager, das die Armee nahe bei Bautzen bezog, war gut, von einem doppelten sumpfigen Graben umgeben und auf Hügeln gelegen, die von keiner Seite beherrscht wurden. Am selben Tage kehrte Feldmarschall Daun in sein altes Lager zurück. Es schien garnicht, als hätte er den Sieg gewonnen.
Die Preußen verloren, wie schon erwähnt, Männer, deren Verlust wegen ihrer großen Verdienste tief zu beklagen war: Feldmarschall Keith, den Prinzen Franz von Braunschweig und Generalmajor von Geist. Fast alle Generale trugen Verletzungen oder Wunden davon, unter anderen der König, Markgraf Karl und viele andere, deren Aufzählung hier zu weit führen würde. Die Preußen verloren 3 000 Mann, größtenteils Infanterie, und von den vielen Gefangenen, die sie dem Feind abgenommen hatten, blieben ihnen nur ein General, namens Vitelleschi, und 700 Mann.
Während dieser Ereignisse in der Lausitz hielten de Ville und Harsch Neiße eng umschlossen1. Man erfuhr, daß ein Artillerietrain von 100 Kanonen und 40 Mörsern von Olmütz nach Schlesien abgegangen sei. Verknüpfte man diese Vorbereitungen mit dem Eindruck, den ein errungener Sieg auf die Österreicher machen mußte, so war leicht vorauszusehen, daß die Belagerung von Neiße die Folge davon sein würde. Die Festung war aber zu wichtig, als daß der König nicht alle erdenklichen Mittel zu ihrer Rettung angewandt hätte. Der Entsatz war indes nur möglich, wenn eine Armee nach Schlesien rückte. Die Schwierigkeit bestand darin, auf der einen Seite nichts zu verlieren, während man auf der anderen Seite die Dinge wieder ins Gleichgewicht brachte. Doch auf die Nachricht, die Russen hätten Stargard geräumt und zögen über Reetz und Kallies nach Polen ab, entschloß sich der König endlich zu folgenden Maßnahmen. Er zog Prinz Heinrich, seinen Bruder, mit 10 Bataillonen und Geschütz
1 Seit dem 3. Oktober 1758.