9. Kapitel
Der Winter von 1758 auf 1759.
Die preußische Königsfamilie verlor im Laufe des Jahres zwei erlauchte Persönlichkeiten: zunächst den Prinzen von Preußen, der seit einiger Zeit dahinsiechte und Anfang Juni1, gerade als die Preußen Olmütz belagerten, von einem Stickfluß dahingerafft ward. Man betrauerte ihn wegen seines guten Herzens und seiner Kenntnisse. Wäre er auf den Thron gelangt, so wäre seine Regierung milde und glücklich verlaufen.
Ferner starb die Markgräfin von Bayreuth, eine Fürstin von seltenen Eigenschaften. Sie besaß einen feingebildeten Geist, ausgebreitete Kenntnisse, Begabung zu allem und hervorragenden Kunstsinn. Aber diese glücklichen Anlagen bildeten nur den kleinsten Teil dessen, was man zu ihrem Lobe sagen kann. Ihre Herzensgüte, ihre Neigung zu Großmut und Wohltätigkeit, ihre edle und hohe Seele und ihr sanfter Charakter fügten zu den leuchtenden Vorzügen ihres Geistes einen Schatz echter, sich niemals verleugnender Tugenden. Oft hatte sie die Undankbarkeit derer erfahren, die sie mit Wohltaten und Gunstbezeugungen überhäufte. Sie dagegen hatte es nie gegen jemanden fehlen lassen. Die zärtlichste, die festeste Freundschaft verband den König mit seiner würdigen Schwester. Ihre Bande hatten sich schon in zarter Kindheit geknüpft. Gleiche Erziehung und gleiche Anschauungen hatten sie gefestigt. Eine Treue, die jeder Probe standhielt, machte sie unauflöslich. Die Fürstin war von zarter Gesundheit und nahm sich die Gefahren, die ihrer Familie drohten, so zu Herzen, daß der Kummer ihre Gesundheit völlig zerrüttete. Bald trat ihr Leiden zutage. Die Ärzte erkannten es als ausgesprochene Wassersucht und vermochten sie nicht zu retten. Sie starb am 14. Oktober, mit einem Mut und einer Seelenstärke, die des unerschrockensten Philosophen würdig waren. Am selben Tage wurde der König bei Hochkirch von den Österreichern geschlagen. Angesichts zweier so schwerer Schicksalsschläge hätten die Römer diesen Tag gewiß für einen Unglückstag gehalten. In unserem aufgeklärten Jahrhundert ist man wenigstens von dem einfältigen Aberglauben abgekommen, gewisse Tage für glück- oder unglückbringend zu halten. Das
1 Am 12. Juni 1758.