<17> bewundernswerter Kunst angelegten Minen waren fast die einzigen Verteidigungsmittel des Platzes. Der Gouverneur, Cronström, war neunzig Jahre alt und sein Geist ebenso gebrechlich wie sein Körper. Die Besatzung war nicht gerade hervorragend und die Offiziere ohne jede Erfahrung. Sie wußten nicht einmal, ob sie zur Verteidigung die Minen oder die Unterwassersetzung vorziehen sollten. Sie teilten also das Schicksal von Buridans Esel, der zwischen zwei Scheffeln Hafer gestorben sein soll, weil er sich zu keiner Wahl entschließen konnte1. Die Franzosen schritten zum Sturm und eroberten den Platz fast ohne Widerstand (16. September 1747). Der Gouverneur hatte kaum Zeit, sich in Nachtmütze und Schlafrock zu retten. Mit dieser Heldentat endeten für das Jahr 1747 die Erfolge der Franzosen in Flandern.
In Italien und in der Provence hatten die Kaiserlichen mehr Glück. Allerdings vereitelte eine Revolution in Genua den Zug des Grafen Browne2 gegen Toulon. Sie war ein Werk des Zufalls. Die Österreicher hatten einige Bürger mißhandelt, die Geschütze nach Antibes verschifften. Das Volk rottete sich zusammen, ergriff die Partei der Mißhandelten und verjagte in seiner ersten Wut den Marchese Botta und die ganze österreichische Besatzung aus Genua. Infolge dieses Racheaktes gingen dem Heere in der Provence die Lebensmittel und die Munition aus, und Browne mußte sich von dort zurückziehen. Auf dem Rückmarsch belagerte er Genua, das sich aber behauptete. Frankreich sandte Hilfstruppen unter Bouflers und später unter dem Herzog von Richelieu, die beide durch geeignete Maßnahmen alle Anstrengungen der Österreicher vereitelten. Nach Brownes Rückzug wollten die unter Belle-Isle3 vereinigten französischen und spanischen Truppen sich wieder nach Italien Bahn brechen. Die Franzosen erschienen zuerst am Col d'Assiette. Belle-Isle fand ihn nur schwach verteidigt und glaubte, den Durchmarsch erzwingen zu können. Er ließ die Spanier zum gemeinsamen Angriff auffordern. Sie brauchten aber drei Tage, bis sie herangerückt waren. Dadurch gewann der König von Sardinien4 Zeit zur stärkeren Besetzung des für ihn so wichtigen Passes. Unterdessen kamen die Spanier heran. Obgleich die Verhältnisse nun nicht mehr die gleichen waren, wollte Belle-Isle doch sein Vorhaben nicht aufgeben. Er griff die Sardinier mit großer Energie an und bot alles auf, was Mut und Kühnheit vermag, wurde aber getötet, als er eigenhändig eine Palisade der feindlichen Verschanzungen niederriß. Da er die Hindernisse nicht zu überwinden vermochte, die ihm Natur und Kunst entgegenstellten, so trugen seine Anstrengungen nur zur Vermehrung der Verluste bei. Die Franzosen und Spanier wurden überall geworfen, und ganz Frankreich betrauerte den Verlust so vieler Offiziere aus den vornehmsten Häusern. Die Öffentlichkeit, die so oft ungerecht und vorurteilsvoll ist und in diesem Falle augenscheinlich mangelhaft unter-
1 Der französische Philosoph Jean Buridan aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts bediente sich dieses Beispiels.
2 Maximilian Ulysses Reichsgraf von Browne.
3 Ludwig Karl Armand Fouquet Chevalier de Belle-Isle, der Bruder des Marschalls Graf Belle-Isle (vgl. Bd. II, S. 6 und 24). Er fiel am 19. Juli 1747 in dem Gefecht am Col d'Assiette.
4 Karl Emanuel III.