5. Die drei Anfragen in Wien
I
Die erste Anfrage1
Erlaß des Königs an den Geheimen Kriegsrat von Klinggräffen in Wien
Potsdam, 18. Juli 1756.
Ihr werdet eine besondere Audienz bei der Kaiserin erbitten. Wenn Ihr vorgelassen seid, werdet Ihr nach den üblichen Komplimenten in meinem Namen erklären, ich hätte von vielen Seiten Nachrichten über die Bewegungen ihrer Truppen in Böhmen und Mähren und über die Zahl der dorthin abgehenden Regimenter erhalten. Ich fragte die Kaiserin, ob diese Rüstungen den Zweck hätten, mich anzugreifen.
Antwortet sie Euch, sie folge nur dem Beispiel meiner Truppenbewegungen2, so werdet Ihr sagen, Euch schiene da ein Unterschied zu bestehen. Es sei Euch bekannt, daß ich Truppen nach Pommern geschickt hätte, um Ostpreußen gegen die etwaigen feindlichen Absichten der Russen zu decken, die 70 000 Mann an der preußischen Grenze versammelt haben. An ihrer schlesischen Grenze hingegen hätte sich nichts gerührt, und keine meiner Maßnahmen sei geeignet, ihren Verdacht zu erregen.
Antwortet sie Euch, daß jeder bei sich tun könne, was er wolle, so laßt Euch das gesagt sein und begnügt Euch mit ihrer Antwort.
Sagt sie Euch, sie zöge die Truppen in Böhmen und Mähren wie alljährlich in Feldlagern zusammen, so weist sie auf den Unterschied in der Truppenzahl, den Magazinen und Kriegsrüstungen hin und fragt sie, ob das die ganze Antwort sei, die sie Euch zu geben hätte.
1 Da nach der Umkehr der Russen (vgl. S. 173) die österreichischen Rüstungen fortdauerten, glaubte der König, daß ihn nunmehr die Österreicher allein angreifen würden. Auf die Nachricht vom Marsch der ungarischen Kavallerie nach Böhmen und Mähren (vgl. S. 165 Anm. 1), der er entscheidende Bedeutung beilegte, entschloß er sich zur obigen Anfrage. Vgl. S. 37.
2 Gemeint ist die Versammlung des Reservekorps in Hinterpommern (vgl. S. 36).