<207> habe als die Kaiserin-Königin; denn England brauche als Gegengewicht gegen die Übermacht Frankreichs einen Verbündeten mit großen, reichbevölkerten Provinzen, die viele Soldaten liefern könnten, um sie dem gemeinsamen Feinde entgegenzustellen.

5. Da England im letzten Kriege die Erfahrung gemacht habe, daß es Frankreich zur See allein nicht gewachsen sei, so müßten die Seekriege zu Englands eignem Nutz und Frommen durch große Diversionen zu Lande unterstützt werden, und dazu wäre keine andere Macht außer der Königin von Ungarn imstande.

6. Der Gesandte wird sich lang und breit über die Verirrungen des menschlichen Geistes ergehen und betonen, daß es manche Sünden gibt, die einer dem andern zum gemeinsamen Besten verzeihen müsse. Er wird hinzufügen, das Bündnis zwischen dem Hause Österreich und Frankreich sei ein Glück für England; denn nun habe es selbst erfahren, wie falsch und verkehrt dies System sei, und nachdem man in Wien durch eignen Schaden klug geworden sei, betrachte man es als unveränderlichen Grundsatz der österreichischen Politik, nie und nimmer von dem Bündnis mit England zu lassen und Englands Interessen wie die eignen zu fördern. Er könne dreist versichern, daß kein österreichischer Minister in anderem Tone zur Königin sprechen dürfe, wenn er nicht seinen sicheren Sturz wolle.

Nachdem er die Geister durch solche schönen Reden lange genug bearbeitet und günstig gestimmt und sich in Klagen über die frühere Verblendung seines Hofes ergangen hat, wird er den englischen Ministern geschickt einblasen, daß man sich in Wien über nichts größere Vorwürfe mache als über die Abtretung Ostendes an die Franzosen1; denn in ihrem Besitz tue dieser Hafen dem englischen Handel großen Abbruch. Man wisse ja in London, daß der Wiener Hof die Provinzen Flandern und Brabant stets als lästigen Besitz angesehen habe, und wenn man Ostende den Franzosen wieder abnehmen möchte, so geschähe das einzig und allein mit Rücksicht auf den englischen Handel, an dem man unvergleichliches Interesse nähme. Dadurch könne man das Unrecht wieder sühnen, das man in einer Zeit des Taumels seinen alten, treuen Verbündeten zugefügt habe, und die Dinge ungefähr wieder auf den Stand bringen, in dem sie sich befinden sollten.

Gerührt von der ehrlichen Reue der Königin von Ungarn und von dem Interesse, das sie dem englischen Handel entgegenbringt, bewilligt ihr das britische Ministerium von 1763 ab jährlich eine Million Pfund Sterling, um Ostende, Nieuport Veurne, Dixmuiden und Dünkirchen den Franzosen wieder zu entreißen, verspricht


1 Tatsächlich war die Abtretung von Ostende, Nieuport an Frankreich in dem Versailler Vertrage von 1757 (vgl. S. 58) ausbedungen, doch war König Friedrich nur gerüchtweise davon unterrichtet.