<229> gelangen. Derweil sollten die Reichsarmee und ein paar tausend Österreicher1 über Freiberg in Sachsen eindringen und eine Abteilung Ungarn die Lausitz unsicher machen und von dort Streifzüge in die Kurmark unternehmen. Nun, der Plan ist, soweit er Clermonts Armee betrifft, gründlich gescheitert. Wenn auch Soubises Armee, wie zu hoffen ist, gleichzeitig Reißaus nimmt und die ganze Gesellschaft nach dem Rhein flieht, so hat weder Sachsen noch die Kurmark sobald etwas von den Franzosen zu besorgen. Deine Armee wird also wohl nur mit den Reichstruppen nebst dem Korps Marschall zu tun haben.

Auf dieser Seite2 hoffen die Österreicher die Russen dahin zu bringen, daß sie ihnen das Schuwalowsche Korps zu Hilfe schicken. Es hat Magazine bei Grodno angelegt und kann erst gegen Ende Juni heran sein. Das zwingt mich zu einem großen Schlage gegen die Österreicher, solange ich alle meine Kräfte beisammen habe, und bevor mich das russische Hilfskorps, wenn es kommt, zu Detachierungen nötigt. Dies also ist mein Feldzugsplan: Ich erobere in aller Ruhe Schweidnitz und lasse 15 000 Mann zur Deckung des Gebirges zurück; falls ein feindliches Korps durch die Lausitz marschieren will, kann das Detachement ihm dort entgegentreten. Darauf trage ich den Krieg nach Mähren. Marschiere ich geradenwegs auf Olmütz, so wird der Feind zu dessen Verteidigung heranrücken. Dann kommt es zur Schlacht in einem Gelände, das er sich nicht auswählen kann. Schlage ich ihn, wie zu hoffen ist, so belagere ich Olmütz. Dann muß der Feind, um Wien zu decken, alle seine Kräfte dorthin ziehen. Ist Olmütz erobert, so soll Deine Armee Prag nehmen und Böhmen in Respekt halten. Hiernach mögen die Russen kommen, oder wer sonst will: ich bin dann imstande, soviel Truppen wie nötig zu detachieren.

Was Deine Armee betrifft, so muß sie sich zu Beginn des Feldzuges in der Defensive halten. Du kannst sie bei Dresden versammeln, oder wo Du willst. Du kennst alle Lagerplätze, die ich dort habe erkunden lassen, und magst Dir den auswählen, der Dir am geeignetsten scheint. Da es notwendig ist, gute Nachrichten zu haben, und man an Spionen nichts sparen darf, so hat Borcke3 Auftrag, Dir alle erforderlichen Geldsummen zu liefern. Für Deine Operationen verbiete ich ausdrücklich jeden Kriegsrat4 und gebe Dir Vollmacht, nach Gutdünken zu handeln, eine Schlacht zu liefern oder nicht, kurz, bei allen Gelegenheiten den Entschluß zu fassen, der Dir am vorteilhaftesten und rühmlichsten erscheint.

Die Art, wie die Franzosen eben verjagt werden5, muß natürlich die Feldzugspläne der Österreicher ändern. Da ich sie jetzt unmöglich schon erraten kann, so ver-


1 Unter Baron Marschall von Biberstein.

2 Auf dem östlichen Kriegsschauplatz.

3 Friedrich Wilhelm von Borcke, Präsident des preußischen Feldkriegsdirektoriums in Sachsen.

4 Der König schrieb den Mißerfolg des Prinzen August Wilhelm im Juli 1757 (vgl. S. 83 f. und 220 f.) vor allem dem Umstande zu, daß er, von den Ratschlägen der ihm beigegebenen Generale allzu abhängig, keine selbständigen Entschlüsse zu fassen wagte.

5 Am 18. Februar 1758 hatte Prinz Ferdinand von Braunschweig die Operationen gegen die Franzosen mit Erfolg aufgenommen (vgl. S. 123).