<24> zu erheben. Da die Kaiserin von trägem und nachgiebigem Charakter war, so glaubte
sie ihnen aufs Wort und sparte sich die Mühe der Untersuchung. Sie ließ dem Prinzen Iwan einen Trank reichen, der seine Geisteskraft lähmte, und faßte einen unversöhnlichen Haß gegen den König. Frankreich hatte damals keinen Gesandten in Petersburg, und der schwedische Gesandte1 war mehr russisch als schwedisch gesinnt, daher wenig geeignet, den König zu unterstützen. Es gab also keinen Weg mehr zum Ohre der Kaiserin, keine Möglichkeit, sie von dem Irrtum zu befreien, in den sie der österreichische Gesandte2 und dessen Kreaturen gestürzt hatten. Der Wiener Hof war zu geschickt, um die Dinge auf die Spitze zu treiben. Es genügte ihm, in Petersburg Haß und Feindschaft gegen Preußen gesät und die Gemüter einem offenen Bruche geneigt gemacht zu haben. Er wollte die Ereignisse nicht überstürzen und zuvor mit seinen inneren Einrichtungen fertig werden. Inzwischen wartete er eine günstige Gelegenheit ab, um mit seinen weitausgreifenden Plänen hervorzutreten. Derart setzte die Kaiserin-Königin durch ihr Ränkespiel ganz Europa in Bewegung und zettelte im stillen eine Verschwörung gegen Preußen an, die beim ersten wichtigen Ereignis zum Ausbruch kommen mußte.
Inzwischen wurden die Streitigkeiten zwischen Schweden und Rußland wegen der finnischen Grenzen in Güte beigelegt. Doch gegen Ende des Jahres 1756 brach in Schweden eine Art Revolution aus, die wir wegen ihres Einflusses auf die politische Lage Europas kurz erwähnen müssen3. Der Anlaß war folgender. Seit langem war der Hof mit den Reichsräten der französischen Partei entzweit, und zwar wegen einer erledigten Generalmajorstelle, für die der König Liewen, der Reichsrat aber den Grafen Fersen bestimmt hatte. Der Reichsrat blieb Sieger. Durch diese Zurücksetzung tief gekränkt, arbeitete der Hof seitdem der französischen Partei auf jede Weise entgegen. Graf Brahe, Horn und Wrangel4, nebst vielen dem Hofe ergebenen Mitgliedern der ersten Familien des Landes, machten dem König Hoffnung, durch die Wahl eines dem Hofe ergebenen Marschalls ihm die Oberhand im Reichstage zu verschaffen. Indessen kam die Sache gerade umgekehrt, denn der erwähnte Graf Fersen, ein Feind des Hofes, erhielt die Würde durch die Ränke und die Unterstützung des französischen Anhangs. Auf dem am 17. Oktober 1755 eröffneten Reichstage übergab der Reichsrat im Vollgefühl seiner Überlegenheit den Ständen eine Denkschrift zur Entscheidung des großen Streites zwischen ihm und dem König über die Vergebung der Ämter. Da die Richter Kreaturen des französischen Gesandten5 waren, so siegte der Reichsrat. Er mißbrauchte seinen Sieg zur Ver-
1 Graf Moritz Posse.
2 Freiherr von Pretlack.
3 Es handelt sich um den Kampf Adolf Friedrichs, der Königin Ulrike (vgl. Bd. II, S. 162f.) und der Hofpartei um Erweiterung des durch die Verfassung von 1720 stark beschränkten Königtums. Das Besetzungsrecht der Ämter war fast die letzte Prärogative, die der Krone geblieben war. Der Reichsrat beanspruchte aber das Recht, den König zu überstimmen.
4 Graf Erich Brahe, Gardeoberst; Baron Gustav Jakob von Horn, Hofmarschall; Freiherr Erich von Wrangel, Kammerherr.
5 Marquis d'Havrincour.