<30> bei der Festsetzung der strittigen kanadischen Grenzen. Gewann Frankreich im Utrechter Frieden doch weit mehr, als alle seine Besitzungen in jenen unfruchtbaren Gegenden wert waren. Sobald aber die Unruhen in Europa beendet waren, legten die Engländer und Franzosen die Bestimmungen über die Grenzen ihrer amerikanischen Besitzungen je nach ihrem eigenen Vorteil verschieden aus. Zwischen den Kolonien beider Nationen kam es zu Streitigkeiten, die aber nicht in offene Feindseligkeiten ausarteten. Beim Aachener Frieden hätte man alle Differenzen beilegen sollen. Aber Saint-Séverin und die übrigen französischen Unterhändler wurden durch wiederholte Befehle ihres Hofes zur schleunigen Unterzeichnung der Präliminarien gedrängt. Sie verwiesen daher die Erörterungen über die kanadischen Grenzen an eine Kommission, die beide Mächte nach dem Friedensschlusse ernennen sollten. Die Kommission trat auch zusammen, aber ihre Unterhandlungen brachten beide Nationen einander nicht näher, sondern steigerten vielmehr die Unzufriedenheit und Erbitterung. Auch die Entsendung des Herzogs von Mirepoix nach London1 und seine dortigen Unterhandlungen blieben erfolglos. Beide Völker warfen einander Unredlichkeit vor, und zwischen den englischen und französischen Truppen in Amerika kam es zu Feindseligkeiten. Sie nahmen sich gegenseitig Forts weg und führten bereits Krieg, ohne ihn erklärt zu haben. In den Berichten aus den Kolonien legten die englischen Offiziere die Schuld an ihren eigenen Gewalttätigkeiten geflissentlich den Franzosen zur Last, und zur Rechtfertigung ihres Verhaltens schickten beide Teile Protokolle über Protokolle, von denen ganz London überschwemmt wurde.

Die englische Nation gerät ja stets leicht in Flammen, wenn sie sich mit ihren Klagen über Frankreich im Rechte glaubt. Dazu kam noch, daß sie schon mit dem Aachener Frieden wenig einverstanden gewesen war. So drängte denn alles zum Kriege. Die Haltung des Herzogs von Cumberland2 machte die Gärung allgemein. Bei dem hohen Alter des Königs, seines Vaters, suchte er sein eigenes Ansetzen zu erhöhen, um mehr Einfluß auf die künftige Regierung zu gewinnen3. Zu dem Zweck wollte er möglichst viele von seinen Kreaturen in den Staatsrat bringen und alle hohen Kronämter seinen blinden Anhängern zuwenden. Seine Wahl war besonders auf Fox4 gefallen, dem er die Würde des Ersten Lords des Schatzes und alle bisherigen Ämter des Herzogs von Newcastle5 zugedacht hatte. Aber die Ernennung von Fox hatte die Entlassung des Herzogs von Newcastle zur Voraussetzung, und dazu war wenig Aussicht vorhanden. Der Herzog besaß großen Einfluß auf den König, Ansehen im Parlament wegen seiner langjährigen Dienste, seiner Rechtschaffenheit und seiner Gutmütigkeit, und die Achtung der Nation wegen seiner ungeheuren Reich-


1 Mirepoix bekleidete seit dem Aachener Frieden den Gesandtschaftsposten in London.

2 Vgl. S. 16.

3 Auf Georg II. (1683—1760) folgte sein Enkel Georg III. (geb. 1738).

4 Heinrich Fox (1705—1774), seit 1746 englischer Kriegssekretär, seit November 1755 Staatssekretär der südlichen Angelegenheiten.

5 Thomas Pelham, Herzog von Newcastle, stand seit März 1754 als Erster Lord des Schatzes an der Spitze des englischen Ministeriums.