<39> hätte also weder einen Freund gewonnen noch einen Feind verloren. Schließlich handelte es sich um das Wohl und Wehe des Staates und um die Erhaltung des Hauses Brandenburg. Wäre es in einer so ernsten, so kritischen Lage nicht ein unverzeihlicher politischer Fehler gewesen, sich bei leeren Förmlichkeiten aufzuhalten? Im gewöhnlichen Verlauf der Dinge soll man auch die Form wahren, aber in außerordentlichen Fällen, wie hier, muß man sich darüber hinwegsetzen. Unentschlossenheit und Langsamkeit hätten in solcher Lage alles verdorben, und die Rettung lag allein in einem raschen, beherzten Entschluß, den man tatkräftig ausführte.
Die verschiedenen angeführten Gründe bewogen den König, seinen Feinden zuvorzukommen. Er ließ dem Wiener Hof anzeigen, daß er seine Antwort als Kriegserklärung auffasse und sich zur Eröffnung der Feindseligkeiten anschicke1. Dann traf er die nötigen Anordnungen zum Aufbruch der Armee. Da Ostpreußen in diesem Jahre — aus den angeführten Gründen — noch nichts von Rußland zu befürchten hatte, so begnügte sich Feldmarschall Lehwaldt mit Zusammenziehung der unter seinem Befehl stehenden Truppen in der Gegend von Königsberg. Dort standen sie jederzeit bereit, ins Feld zu rücken, wenn die Verhältnisse es erheischten.
Der König beschloß, die Österreicher mit zwei Armeen anzugreifen. Feldmarschall Schwerin sollte mit dem schlesischen Heere in den Königgrätzer Kreis eindringen2. Die zweite Armee, die gleichzeitig gegen Sachsen und Österreich operieren sollte und deshalb die stärkere sein mußte, wurde aus pommerschen, märkischen, magdeburgischen und westfälischen Regimentern gebildet. Der König wollte sie selbst führen. Sein Plan war, mit mehreren Kolonnen gleichzeitig in Sachsen einzurücken und die sächsischen Truppen entweder zu entwaffnen, wenn man sie noch in ihren Quartieren zerstreut fand, oder ihnen eine Schlacht zu liefern, wenn sie bereits zusammengezogen waren. Jedenfalls wollte er beim Einmarsch in Böhmen keinen Feind im Rücken behalten und sich nicht wieder einer Verräterei aussetzen, wie die Sachsen sie im Jahre 1744 gegen die Preußen geübt hatten3. Zu diesem Schritt fühlte der König sich berechtigt durch seine früheren Erfahrungen, durch die Verbindung der Sachsen mit Österreich und schließlich durch ihre feindliche Gesinnung, die aus allen in des Königs Händen befindlichen Schriftstücken deutlich hervorging. Sein Handeln wurde also durch juristische, politische und militärische Gründe bedingt und gerechtfertigt. Zugleich beschloß er, in diesem ersten Feldzuge soviel Terrain wie möglich zu gewinnen, um die preußischen Staaten besser decken zu können, den Krieg nach Kräften von ihnen fernzuhalten und endlich den Kriegsschauplatz, wenn irgend möglich, nach Böhmen zu verlegen. Das waren die all-
1 Nach der Anfrage vom 18. Juli waren noch zwei weitere, am 2. und 26. August, ergangen, in denen der König die Zusicherung forderte, ihn weder im laufenden noch im kommenden Jahre anzugreifen. Auf die Anfrage vom 2. antwortete Maria Theresia ausweichend, auf die vom 26. kurz ablehnend. Vgl. Anhang, Nr. 5.
2 Vgl. im Anhang (Nr. 7) die Instruktion für Schwerin.
3 Vgl. Bd. II, S. 176 ff.