<60> Könige jedermann frei. Auch Frankreich erkannte, daß die übereilte Verkündigung der Reichsacht der Würde des Wiener Hofes schaden müßte und auch zu befürchten wäre, daß die beiden Könige und ihr Anhang sich völlig vom Deutschen Reich lossagten. Das alles stellte Frankreich in Wien vor und riet der Kaiserin-Königin, erst den Erfolg des Schlachtenglücks abzuwarten, bevor sie zu weiteren Maßnahmen schritte. Dieser Rat fand Gehör.
Trotzdem ging der Fiskal mit unerträglicher Frechheit und Grobheit gegen die beiden Könige vor und vergaß völlig die Ehrfurcht und den Anstand, die selbst Feinde vor gekrönten Häuptern zu bewahren pflegen. Die rechte Antwort auf die beleidigenden und schroffen Schriftstücke des Reichstags wäre schwer gewesen, hätte nicht Plotho1, der preußische Gesandte in Regensburg, die Gabe und das Geschick gehabt, seine Feder in die gleiche Galle zu tauchen. Der Stil des kaiserlichen Hofes war nicht sanfter, unterschied sich aber von den Schriften des Fiskals durch hochfahrende Unverschämtheit und eine mit Arroganz und Hochmut gepaarte Anzüglichkeit. Der König war über dies Vorgehen empört. Er ließ der Kaiserin bedeuten, man könne sich doch als Feind gegenüberstehen, ohne einander zu beschimpfen, und es genüge wohl, wenn Herrscher ihre Streitigkeiten mit dem Degen ausföchten, ohne sich gegenseitig vor aller Welt durch Schriftstücke im Tone von Fischweibern zu erniedrigen, die eines Thrones unwürdig seien. Lange blieben diese Vorstellungen fruchtlos. Sie machten erst einigen Eindruck, als der König mehrere Schlachten gewonnen hatte.
Während ganz Europa gegen die Könige von Preußen und Großbritannien rüstete, befand sich England in einer politischen Zerrüttung, die die Regierung lahmlegte und für die Interessen der Nation verhängnisvoll werden mußte, wäre nicht glücklicherweise ein Umschwung eingetreten, der dem Übel noch zur rechten Zeit steuerte. Der Anstifter dieser inneren Wirren und Zwistigkeiten war der Herzog von Cumberland. Auf solche Weise hoffte er die höchsten Staatsämter mit seinen Kreaturen besetzen zu können. Er war es, der die Nation gegen die Franzosen aufgehetzt hatte. Er allein hatte den Krieg entfacht, in der Hoffnung, das Ministerium würde sich in einer so bewegten Zeit nicht behaupten können. Die ersten Unternehmungen der Engländer verliefen so unglücklich, daß sie Port-Mahon verloren2. Gerade das benutzte die Partei des Prinzen, um die Schuld auf die Ungeschicklichkeit des Herzogs von Newcastle zu schieben. Nach Zusammentritt des Parlaments erhitzten sich die Gemüter, die Erbitterung der Parteien wuchs, und durch die Intrigen des Herzogs von Cumberland wurden so viele Triebfedern in Bewegung gesetzt, daß der Herzog von Newcastle, von der Gegenpartei mehr ermüdet als besiegt, sein Amt niederlegte3. Die Partei Cumberlands triumphierte und verschaffte die Staatssiegel Fox4, einer
1 Erich Christoph Edler von Plotho.
2 Vgl. S. 35.
3 11. November 1756; seit 29. Juni 1757 wieder Erster Lord des Schatzes.
4 Fox (vgl. S. 30) war vielmehr von November 1755 bis Oktober 1756 Staatssekretär der südlichen Angelegenheiten, seit 1757 Kriegszahlmeister für das Landheer, ohne Sitz im Staatsrat.