<72> wegen des unvorteilhaften Geländes. Aber durch die Unvorsichtigkeit Mansteins1, den sein allzu hitziger Mut bisweilen fortriß, kam er dennoch ins Gefecht. Mansteins Ungestüm geriet beim Anblick des Feindes in Flammen, und er ging ohne Befehl zum Angriff vor. Prinz Heinrich und der Herzog von Bevern mißbilligten zwar sein Vorgehen, wollten ihn aber nicht im Stiche lassen und unterstützten daher seinen Angriff. Die preußische Infanterie erkletterte schroffe Felsen, die vom ganzen linken österreichischen Flügel und von zahlreicher Artillerie verteidigt wurden. Als Prinz Ferdinand von Braunschweig sah, daß es auf jener Seite zum Gefecht gekommen war und seine Anwesenheit auf dem linken Flügel, wo er keinen Feind mehr vor sich hatte, überflüssig wurde, fiel er den Österreichern in die Flanke und in den Rücken und unterstützte den Angriff des Prinzen Heinrich dadurch so vorteilhaft, daß dieser drei feindliche Batterien erobern konnte und den Gegner von Höhe zu Höhe verfolgte.
Die Besiegten, die sich im Rücken durch preußische Bataillone beim Dorfe Michle von der Sazawa abgeschnitten sahen, wußten sich nicht anders zu retten, als indem sie sich in die Stadt Prag warfen. Sie versuchten zwar, nach dem Wischehrad durchzubrechen, wurden aber dreimal von der preußischen Kavallerie zurückgetrieben. Sie versuchten ferner nach Königsaal2 zu entweichen, aber auch daran wurden sie durch Feldmarschall Keith gehindert, dessen Armee alle Höhen besetzt hielt, an deren Fuß sie vorbei mußten. Man wußte zwar, daß ein Teil der flüchtigen kaiserlichen Armee sich in die Stadt Prag geworfen hatte, aber die genaue Zahl war nicht bekannt, und so mußte man sich damit begnügen, die Stadt einzuschließen und zu blockieren, so gut es die Dunkelheit und das nach Siegen so häufige Durcheinander erlaubte.
Die Schlacht bei Prag begann um neun Uhr morgens und dauerte einschließlich der Verfolgung bis acht Uhr abends. Sie war eine der mörderischsten des ganzen Jahrhunderts. Die Österreicher verloren 24 000 Mann, darunter an Gefangenen 30 Offiziere und 5 000 Mann, außerdem 11 Standarten und 60 Kanonen. Die Verluste der Preußen beliefen sich auf 18 000 Mann, darunter Feldmarschall Schwerin, dessen Verlust allein 10 000 Mann aufwog. Sein Tod ließ die Lorbeern des Sieges welken: er war mit seinem Blute zu teuer erkauft. Bei Prag fielen auch die Säulen der preußischen Infanterie. Fouqué und Winterfeldt wurden schwer verwundet. Es fielen Hautcharmoy und Goltz, der Prinz von Holstein, Manstein vom Regiment Anhalt3 und zahlreiche tapfere Offiziere und altgediente Soldaten, zu deren Ersatz ein so blutiger und erbitterter Krieg keine Zeit ließ.
Am folgenden Morgen sandte der König den Obersten Krockow nach Prag, um die Stadt zur Übergabe aufzufordern. Der Oberst war höchst erstaunt, den Prinzen Karl von Lothringen dort zu finden und mit Sicherheit zu erfahren, daß 40 000 aus
1 Vgl. S. 45.
2 Auf dem linken Moldauufer, auf dem Keith aufgestellt war, um dem Feinde den Rückzug dorthin zu verlegen.
3 Generalleutnant Heinrich Karl Ludwig von Hérault Ritter von Hautcharmoy; die Obersten Friedrich Balthar Freiherr von der Goltz, Prinz Friedrich Wilhelm von Holstein-Beck, Georg Friedrich von Manstein.