<94> Österreicher zu klagen. Die Franzosen hatten schlimm auf dem Schlosse gehaust, ja sogar die Kanonen mit Gewalt weggenommen, und die österreichischen Offiziere hatten eine dreiste Sprache geführt und sich mit einer Arroganz betragen, die gegenüber souveränen Fürsten aus einem der ältesten deutschen Herrscherhäuser wenig passend war.
In Gotha blieb Seydlitz mit der Kavallerie, um die Bewegungen der Feinde im Auge zu behalten und das kleine Heer in Erfurt rechtzeitig zu benachrichtigen, damit es im Notfall noch vor dem Anmarsch des Gegners von Eisenach zurückgehen konnte. Wenig Tage danach1 wurde Seydlitz von einem weit überlegenen Korps angegriffen. Der Prinz von Hildburghausen wollte die Übernahme des Kommandos durch einen glänzenden Streich bekunden und hatte Soubise den Vorschlag gemacht, die Preußen aus Gotha zu vertreiben. So setzten sich denn beide mit den Grenadieren ihrer Armee, der österreichischen Kavallerie, Laudon und seinen Panduren und sämtlichen leichten französischen Truppen in Marsch. Seydlitz erfuhr noch rechtzeitig von ihrem Vorhaben. Die Feinde kamen alsbald heran. Eine Kavalleriekolonne umfaßte Gotha von rechts, indem sie sich aus dem Kamme der nach Thüringen ziehenden Anhöhen hielt. Eine andre Kavalleriekolonne, Husaren an der Spitze, kam von links aus der Richtung von Langensalza. Die mittelste Kolonne bildeten Panduren und hinter ihnen die Grenadiere. Seydlitz hatte sich in einiger Entfernung von Gotha in Schlachtordnung aufgestellt, voran die Husaren, dahinter die Meinicke-Dragoner. Die Czettritz-Dragoner hatte er nach einem Engpaß eine halbe Meile hinter sich geschickt, mit dem Befehl, ein Glied zu formieren, um dem Feind eine möglichst breite Front vorzuspiegeln. Dessenungeachtet stand das Regiment durchaus nahe genug zur Deckung seines Rückzugs, falls er der Überzahl weichen mußte. Wirklich täuschte sein geschicktes und listiges Manöver den Prinzen von Hildburghausen. Er glaubte, die preußische Armee, die er für beträchtlich hielt, rücke zur Unterstützung von Seydlitz heran, und die lange Kavallerielinie, die er vor sich sah, würde sogleich über ihn herfallen. An dem unsichern Benehmen der österreichischen Husaren erkannte Seydlitz, daß seine Kriegslist Eindruck gemacht hatte. Unmerklich drängte er den Feind zurück, gewann mit jedem Vorstoß Terrain und nötigte ihn zum Rückzuge durch den Engpaß, in dem die feindlichen Truppen schon vor einigen Tagen soviel zu leiden gehabt hatten. Zugleich zog sich die Kavalleriekolonne, die den rechten feindlichen Flügel bildete, wieder zurück. Nun sandte Seydlitz einige Husaren und Dragoner nachGotha. Sie drangen gerade in dem Augenblick ein, wo der Prinz von Darmstadt2 sich mit den Reichstruppen zurückzuziehen begann. Dabei machten sie viele Gefangene. Der hastige Rückzug des Prinzen von Darmstadt aus Gotha wäre für Soubise fast verhängnisvoll geworden. Er befand sich im Schloß und vermutete nicht, daß man die Stadt so
1 Am 19. September 1757.
2 Prinz Georg von Hessen-Darmstadt, Reichs-Generalfeldmarschall-Leutnant.