<110> fand er dann gleich nach seinem Übergang Lacy vor sich, der ihm den Durchmarsch durch die Lausitz erschwert hätte. Doch vermutete der Prinz bei Daun eine ganz andere Absicht. Er glaubte nämlich, die von Lacy ausgeführte Bewegung zielte auf die Vereinigung seines Korps mit den Russen ab oder sollte zu einem neuen Einfall in die Kurmark dienen. Unmöglich konnte der Prinz all diesen Absichten der Feinde zugleich entgegentreten. Er begnügte sich also damit, Roëll1 mit Husaren nach Torgau zu detachieren, wo er Lacy im Auge behalten und über dessen Bewegungen Meldung schicken sollte. Um etwaigen feindlichen Anschlägen auf Berlin zuvorzukommen, ließ Prinz Heinrich einen Teil seiner Truppen zwischen Strehla und Limbach kantonnieren. Falls die Deckung Berlins nötig wurde, war dadurch ein Tagesmarsch gewonnen. Daun wußte von diesen Truppen nichts. Sie konnten also sehr gut zu Detachements verwendet werden, von denen der Feind schwerlich etwas erfahren hätte. Die Gelegenheit ließ nicht auf sich warten. Mit einem Korps Reichstruppen war Kleefeld auf Penig gerückt. Um ihn aus seiner Stellung zu verdrängen, sandte der Prinz Kleist ab. Kaum vertrieben, kehrte Kleefeld zurück, wurde aber zum zweiten Male verjagt.
Unterdes war der König derart mit den Österreichern und Russen beschäftigt, daß er sich mit all seinen Truppen kaum gegen die feindliche Übermacht behaupten konnte. Prinz Heinrich vermutete, daß Belling Hilfe brauchte, um den Unternehmungen der Schweden mit größerem Erfolge entgegentreten zu können. Der Prinz allein war zur Absendung von Truppen imstande, da Daun sich bis jetzt noch ruhig verhielt. So ließ er denn den General Jung-Stutterheim mit 4 Bataillonen zu Belling stoßen2. Wir haben soeben gehört, welche Verwendung diese Truppen fanden. Zur Absendung des Detachements bestimmte den Prinzen hauptsächlich der Wunsch, für den Notfall Truppen zur Verteidigung der Hauptstadt gegen die Einfälle kleiner Korps bereit zu haben. Bestand doch die ganze Berliner Besatzung damals nur aus zwei schwachen Milizbataillonen.
Auf preußischer Seite dauerte der Kleinkrieg in Sachsen fort. Zum zweiten Male schlug Kleist bei Freiberg ein feindliches Korps, und Seydlitz vernichtete ein großes Kavalleriekorps bei Pretzschendorf. Inzwischen begann sich auch die Reichsarmee zu rühren und rückte unter Führung Serbellonis auf Ronneburg vor. Dort hätte sie die Preußen leicht in der Flanke umgehen können. Infolgedessen sandte Prinz Heinrich Seydlitz mit 5 Bataillonen und 15 Schwadronen gegen den Feind. Seydlitz manövrierte mit so viel Kunst und Geschick und machte Serbelloni so um seine Armee besorgt, daß er ihn zum Rückzug über Hof ins Reich nötigte.
Unterdessen machte die französische Armee einige Fortschritte. Das Korps des Grafen von der Lausitz war über Einbeck ins Kurfürstentum Hannover eingedrungen und bedrohte Wolfenbüttel. Bei der geringen Stärke der dortigen Besatzung war nur
1 Christoph Moritz von Roëll, Oberst und Kommandeur des Husarenregiments Malachowski.
2 Vgl. S.107.