<119> Hilfskorps nach Ungarn führen, um eine Diversion in die Staaten der Kaiserin-Königin zu machen. Gleichzeitig erhielt Boscamp, der Geschäftsträger des Königs in Bachtschisarai, den Auftrag, den Khan mit Aufbietung aller Mittel zu einem Einfall in Rußland zu bewegen und auch dort den Krieg zu entfachen. Denn hatten die Feindseligkeiten erst einmal begonnen, so war die Pforte zur Unterstützung des Khans genötigt. Nur so konnte man den Sultan zu Maßregeln veranlassen, gegen die er sich bisher noch immer gesträubt hatte. Gelang der Plan, so wurde Pommern von den Russen erlöst und die Kurmark von einer drohenden Gefahr befreit. Den Einfall der 16 000 Tartaren in Ungarn mußte der König allerdings durch ein Hilfskorps regulärer Truppen unterstützen. Das aber hätte die Kaiserin-Königin zur Absendung der doppelten Truppenzahl genötigt, und so wäre die für den Frühling gegen Preußen bestimmte Armee notwendig geschwächt worden.

Alle damals aus Konstantinopel einlaufenden Nachrichten ließen auf schnellen Abschluß des Defensivbündnisses hoffen, über das der König mit der Pforte verhandelte1. Aber von der Hoffnung bis zum Ereignis war noch ein weiter Schritt. Der Großwesir2 war schon bejahrt und selbst kein Soldat. Er scheute deshalb vor einem Handwerk zurück, das er nicht verstand, und fürchtete besonders, sein eigenes wohlbefestigtes Glück den Zufällen eines Krieges auszusetzen. Aus diesem Grunde hatte er sich eng mit dem Mufti3 verbunden, um im Diwan der Partei entgegenzuarbeiten, die zu einem Bruch mit dem Hause Österreich drängte. Er machte den Kriegslustigen klar, daß der Waffenstillstand mit den Kaiserlichen4 noch nicht abgelaufen und ohne Verletzung der Gesetze des Korans nicht zu brechen sei. Aber da der menschliche Geist zu Widersprüchen neigt, so ließ die Pforte starke Janitscharenabteilungen nach Ungarn marschieren. Die bei Belgrad versammelten türkischen Streitkräfte betrugen 110 000 Mann. Die Paschas ließen die Truppen vorrücken und zogen eine Postenkette längs den ungarischen Grenzen. Für die Pforte hieß das schon viel, doch wenig für Preußen, das wirksamerer Hilfe bedurfte. Da aber der König sonst auf den Beistand keiner europäischen Macht zu rechnen hatte, so wandte er aufs neue in Konstantinopel und Bachtschisarai alle erdenklichen Mittel an, um die Türken zu herzhaften Entschlüssen zu bringen.

Im Winter traf in Breslau ein neuer Abgesandter des Khans5 ein. Diesmal war es ein Pascha. Er bestätigte alle Versprechungen, die der Barbier dem König im Namen seines Herrn gemacht hatte. Auch versicherte er, der Khan würde im Frühling ein Korps von 40 000 Mann zusammenziehen, wie es hernach auch wirklich geschah, und dann ganz nach den Wünschen des Königs vorgehen. Dazu aber kam es nicht. Bald werden wir sehen, wie die Umwälzungen, die in Rußland stattfanden,


1 Vgl. S. 86.

2 Raghib Pascha.

3 Das Haupt der Geistlichkeit.

4 Der Belgrader Friede (1739) war in Form eines Waffenstillstandes auf 20 Jahre geschlossen und 1747 erneuert worden.

5 Der Sekretär und Dolmetscher des Khans, Jakub Aga, überbrachte im Dezember 1761 die Versicherung seines Herrn, daß die Tartaren im März 1762 gegen die Russen ins Feld ziehen würden.