<123> und mußte schließlich doch zu den Waffen greifen1. Die Engländer sahen sich genötigt, den König von Portugal mit Truppen zu unterstützen, und noch jetzt hatten sie die Erfolge, die ihre Flotten errangen, allein Pitt zu verdanken, der die Pläne dazu ausgearbeitet hatte, als er noch am Ruder war. Kaum hatte Bute sein Amt angetreten, so begann das Verhältnis zwischen Preußen und England sich abzukühlen und sich dauernd zu verschlechtern. Er verweigerte die bisher dem König gezahlten Subsidien2 und wähnte, ihn dadurch zur Annahme aller Friedensbedingungen zu zwingen, die das englische Ministerium ihm vorzuschreiben für gut hielte. Glaubte Bute doch, mit Geld ließe sich alles machen, und nur in England gäbe es Geld.
Aber woran hängen doch alle Ereignisse der Welt und alle Pläne der Menschen! Die Kaiserin von Rußland stirbt. Ihr Tod zeigt, daß sich alle Politiker täuschen, und wirft eine Menge Pläne und Abmachungen über den Haufen, so sorgfältig sie auch ausgedacht und so mühevoll sie ins Werk gesetzt waren. Schon in den letzten Jahren hatte die Gesundheit der Kaiserin geschwankt. Am 5. Januar 1762 wurde sie plötzlich von einem Blutsturz hingerafft. Durch ihren Tod fiel die Krone an ihren Neffen, den Großfürsten, der unter dem Namen Peter III. die Regierung antrat.
Schon zu der Zeit, als der neue Zar noch Herzog von Holstein war, hatte der König Freundschaft mit ihm gepflegt, und dank einem bei den Menschen seltenen, bei Herrschern doppelt seltenen Zartgefühl war ihm der Herzog dafür von Herzen dankbar geblieben. Sogar während des Krieges hatte er seine freundschaftliche Gesinnung betätigt. Ihm vor allem war es zuzuschreiben, daß Apraxin sich im Jahre 1757, nach dem Sieg über Feldmarschall Lehwaldt, nach Polen zurückzog3. Während der ganzen Kriegswirren war der Großfürst sogar dem Staatsrat ferngeblieben, in dem er Platz und Stimme hatte, nur um nicht an den von ihm gemißbilligten Maßnahmen der Kaiserin gegen Preußen teilzuhaben. Nun beglückwünschte der König ihn brieflich4 zu seiner Thronbesteigung, drückte in seinem Schreiben offen das Verlangen aus, künftig in gutem Einvernehmen mit ihm zu leben, und versicherte ihn seiner steten Hochachtung für seine Person.
Der englische Gesandte am russischen Hofe, Keith, teilte dem König unverzüglich mit, welche Hoffnungen er auf die freundschaftlichen Gesinnungen des neuen Monarchen bauen könne. Kurz darauf schickte der Zar seinen Günstling Gudowitsch nach Deutschland, angeblich zur Begrüßung seines Schwagers, des Fürsten von Zerbst5 Laut geheimer Instruktion aber sollte er den Rückweg über Breslau nehmen, wo der König sein Hauptquartier hatte, und ihn der Achtung und Freundschaft des Zaren versichern. Eine so günstige Gelegenheit durfte man sich nicht entgehen lassen. Der
1 Die englische Kriegserklärung an Spanien erfolgte im Januar 1762.
2 Bute war zwar zur Weiterbezahlung der Subsidien bereit, lehnte aber die Erneuerung der Konvention ab, die beiden Kontrahenten verbot, einen Sonderfrieden zu schließen.
3 Vgl. dafür Bd. III, S. 119.
4 Am 6. Februar 1762.
5 Fürst Friedrich August, Bruder der Kaiserin Katharina, der Gemahlin Peters III.