<125> König keinerlei Gebietsabtretung, obwohl er dazu berechtigt war, und so wenig man ihn deshalb hätte tadeln dürfen, beschleunigte die Friedensverhandlungen und verlangte als Gegengabe einzig und allein die Freundschaft des Königs und ein Bündnis mit ihm. Ein so edles, hochherziges und ungewöhnliches Verhalten soll nicht nur der Nachwelt überliefert werden, es müßte auch mit goldenen Lettern in den Kabinetten aller Könige prangen.
Die Blicke des Zaren waren damals besonders auf Dänemark gerichtet. Er hatte das Unrecht, das die dänischen Könige seinen Vorfahren angetan hatten1, nicht vergessen. Auch wollte er noch für persönliche Unbill Rache nehmen; denn zu Lebzeiten der Kaiserin Elisabeth hatten die Dänen ihm verschiedentlich den Teil Holsteins zu entreißen versucht, den er noch besaß, wogegen er sich aber stets entschlossen gesträubt hatte. Erbittert durch so viele Kränkungen, sann er nun auf blutige Rache und beendigte den Krieg mit Preußen nur, um mit desto größerer Energie gegen Dänemark vorzugehen.
Der König behandelte den Zaren nicht wie ein Herrscher einen anderen, sondern mit jener Herzlichkeit, wie sie die Freundschaft als ihr schönstes Recht fordert. Die vortrefflichen Eigenschaften Peters III. bildeten eine Ausnahme von der politischen Regel, man mußte also auch mit ihm selbst eine Ausnahme machen. Der König versuchte ihm in allem, was ihm angenehm sein konnte, zuvorzukommen. Der Zar schien ein Wiedersehen mit Schwerin, dem Adjutanten des Königs, zu wünschen. Der war als russischer Kriegsgefangener in der Schlacht bei Zorndorf nach Petersburg gekommen und hatte dort das Glück gehabt, sich des Kaisers Huld zu erwerben. Der König schickte ihn unverzüglich nach Rußland, und er trug während seines dortigen Aufenthalts nicht wenig zum Abschluß des Friedens und des Bündnisvertrages bei2.
Bute, der auf die anderen Nationen herabsah, wußte nichts von den Vorgängen in Europa und kannte noch weniger die Gesinnungen des neuen russischen Kaisers. Erfüllt von der Idee eines allgemeinen Friedens, den er um jeden Preis herbeiführen wollte, beauftragte er den russischen Botschafter in London, Fürsten Galizin, seinem Hofe zu erklären: Welche Abtretung der Kaiser auch von Preußen fordern wolle, England mache sich anheischig, sie ihm zu verschaffen. Nur möge der Zar nichts übereilen und den König von Preußen durch Belassung des Tschernyschewschen Korps bei den Österreichern noch länger in Schach halten. Empört über solche Vorschläge, antwortete der Kaiser in der Weise, wie ein preußischer Gesandter geantwortet hätte. Auch sandte er dem König eine Abschrift des Galizinschen Berichts, um ihm das verräterische Spiel Englands zu enthüllen3. Das war aber nicht die einzige Treulosigkeit des englischen Ministers gegen den König.
1 Gemeint sind die dem Hause Holstein-Gottorp von Dänemark vorenthaltenen Ansprüche auf Schleswig.
2 Hauptmann Graf Friedrich Wilhelm Karl Schwerin wurde Ende März 1762 mit einem Entwurf des Königs für den Friedensschluß nach Petersburg gesandt.
3 Am 13. März 1762 übersandte Goltz den ihm von Peter III. übergebenen Auszug aus einem Berichte Galizins vom 6. Februar. Danach hatte sich Bute gegen die Rückberufung der russischen Truppen erklärt, da König Friedrich dadurch zur Fortsetzung des Krieges ermutigt würde, und hatte von Opfern gesprochen, die Preußen für die Wiederherstellung des Friedens zu bringen habe. England wolle zwar den König von Preußen vor völligem Untergange retten, aber doch zu angemessenen Abtretungen nötigen.