<17> Rittmeister Prittwitz1 mit 100 Husaren ihnen entgegengeworfen, um dem König Zeit zum Rückzug durch das Defilee zu schaffen. Die Hauptmacht der Kavallerie zog sich auf dem gleichen Wege zurück, auf dem sie am Morgen gekommen war. Im ersten Augenblick war die Bestürzung der Truppen so groß, daß die in dem früheren Lager neu formierte Infanterie auf den bloßen Ruf: „Die Kosaken kommen!“ über 1 000 Schritt weit floh, ehe man sie wieder zum Stehen bringen konnte.

Tatsächlich gewannen die Russen die Schlacht, allein sie kam ihnen teuer zu stehen. Sie verloren nach eigenem Geständnis 24 000 Mann. Sie eroberten alle ihre Kanonen wieder und überdies noch 80 preußische und machten 3 000 Gefangene. Die Armee des Königs verlor bei Kunersdorf insgesamt 10 000 Mann an Toten, Gefangenen und Verwundeten.

Da der König auf den Sieg gerechnet hatte, so hatte er während der Schlacht General Wunsch2 zur Eroberung von Frankfurt abgeschickt, um dem Feinde den Rückzug abzuschneiden. Der tapfere Offizier hatte sich der Stadt auch bemächtigt und dabei 400 Gefangene gemacht. Infolge der unglücklichen Schlacht aber mußte er den Platz wieder räumen und nach Reitwein zurückgehen. Dort bezog die Armee ein Lager, nachdem sie die Oder überschritten hatte. Am Abend der Schlacht hatte man kaum 10 000 Mann zusammengebracht. Hätten die Russen ihren Sieg ausgenutzt, so hätten sie die entmutigten Truppen verfolgt, und es wäre um die Preußen geschehen gewesen. Nun aber ließen sie dem König Zeit, sich von seinen Verlusten zu erholen. Am folgenden Tage war die Armee schon wieder 18 000 Mann stark, und wenige Tage später belief sich ihre Zahl bereits auf 28 000 Mann. Der König ließ Geschütz aus den Festungen kommen und das Korps zu sich stoßen, das bisher die Schweden an der Peene in Schach gehalten hatte. Fast alle Generale waren schwer oder leicht verwundet. Kurz, es lag nur an den Feinden, dem Krieg ein Ende zu machen. Nur der letzte Gnadenstoß fehlte noch. Allein sie rührten sich nicht, und statt, wie die Umstände es forderten, herzhaft vorzudringen, frohlockten sie über ihren Sieg und priesen ihr Glück. Mit einem Wort, der König konnte wieder Luft schöpfen und gewann Zeit, seine Armee mit den dringendsten Bedürfnissen zu versorgen3.

Gerechterweise müssen wir aber doch die Gründe nennen, die Ssaltykow zur Beschönigung seiner Untätigkeit anführte. Als Feldmarschall Daun auf lebhafte Fortsetzung der Operationen drang, antwortete er ihm: „Für dies Jahr, mein Herr, habe ich genug getan. Ich habe zwei Schlachten gewonnen, die Rußland 27 000 Mann kosten. Bevor ich wieder in Tätigkeit trete, warte ich, bis Sie Ihrerseits zwei Siege davongetragen haben. Es ist nicht billig, daß die Truppen meiner Herrscherin alles“


1 Joachim Bernhard von Prittwitz und Gaffron, Rittmeister im Husarenregiment Zieten.

2 Generalmajor Johann Jakob von Wunsch, Chef und Kommandeur eines Freiregiments.

3 Vgl. im Anhang (Nr. 3) Vollmacht und Instruktion für General Finck dem der König nach der Schlacht am Abend des 12. August 1759 infolge höchster seelischer und körperlicher Erschöpfung den Oberbefehl übertrug. Am 16. übernahm Friedrich das Kommando wieder.