<171> überzeugen, ob diese Gründe so gewichtig und stichhaltig waren, daß sie ihr einigen Eindruck gemacht hatten.

In der Tat waren 100 000 Türken an der ungarischen Grenze1 sehr geeignet, auch dem kriegswütigsten Staatsrat friedliche Gesinnungen einzuflößen. Dazu kam der Abfall der Russen und Schweden, von denen die ersteren sogar eine Weile mit den Preußen gefochten hatten. Auch wenn man in ihnen keinen neuen Feind zu befürchten hatte, blieben sie doch alte Freunde des Königs, und damit fielen immerhin einige Diversionen gegen Preußen weg. Mußte man in Wien nicht auch in Betracht ziehen, daß die größten deutschen Fürsten eben ihren Separatfrieden mit Preußen schlossen2? Denn woraus bestand die Reichsarmee, wenn nicht aus deren Truppen? Andrerseits waren die Präliminarien zwischen Frankreich und England unterzeichnet3, und die Franzosen hatten sich zur sofortigen Zurückziehung ihrer Truppen aus Deutschland verpflichtet. Auf dem großen Kampfplatze waren also nur noch die Kaiserin und der König verblieben, wie zwei auf Leben und Tod miteinander Ringende, die von ihren Mitstreitern verlassen worden sind. Soviel von den politischen Gründen.

Auch die inneren Zustände im Staatswesen boten nicht minder starke Gründe: die Entmutigung durch die Mißerfolge des letzten Feldzuges, die unendlichen Schwierigkeiten, das zur Kriegführung erforderliche Geld aufzutreiben, die Uneinigkeit unter den Generalen, die Zwistigkeiten unter den Ministern, die Zerwürfnisse in der kaiserlichen Familie, die schwankende Gesundheit des Kaisers und vielleicht auch die Unwahrscheinlichkeit, allein und ohne Beistand mit Preußen fertig zu werden, nachdem es mit Hilfe so vieler Bundesgenossen nicht gelungen war, den Gegner zu demütigen und zugrunde zu richten.

Die militärischen Gründe waren ebenso triftig wie die oben angeführten. Dresden war schlecht verproviantiert. Die böhmischen Magazine waren teils leer, teils durch den Kleistschen Einfall4 zerstört. Das alles erregte natürlich in Warschau und Wien die Befürchtung, Dresden möchte bei Beginn des nächsten Feldzuges von den Preußen erobert werden. Wenn Böhmen dann auch nicht den Kriegsschauplatz abgab, so war es doch den Einfällen der preußischen Truppen ausgesetzt.

Alle diese Gründe überzeugten den König von der Ehrlichkeit der Friedenswünsche des Wiener Hofes. Nach reiflicher Erwägung erteilte er Fritsch eine günstige Antwort und übergab ihm zugleich ein Schreiben an den Kurprinzen5, worin er diesem für die Mühe dankte, die er sich zur Versöhnung der Gemüter gegeben hätte, und ihm


1 Vgl. S. 119.

2 Gemeint sind die Neutralitätskonventionen, über die der König nach dem Einfall von Kleist in das Reich (vgl. S. 167) mit den Kurfürsten von Bayern und von Mainz, mit dem Bischof von Bamberg und von Würzburg und anderen Reichsfürsten verhandelte.

3 Vgl. S. 167.

4 Vgl. S. 166.

5 In der Antwort vom 30. November 1762 beschränkte sich der König auf die Erklärung, er hoffe, auf die Eröffnungen von Fritsch so geantwortet zu haben, daß der Kurprinz davon befriedigt sein werde.