7. Gedanken über die feindlichen Pläne und unsere Operationen1
(5. April 1760)
Unmöglich läßt sich etwas Bestimmtes feststellen, solange man nur auf Mutmaßungen angewiesen ist und die Absichten der Feinde eher erraten muß, als daß man sagen könnte, man sei wohlunterrichtet darüber. Immerhin, wenn man mehrere Möglichkeiten voraussetzt und sich ein Bild von den wahrscheinlichen Ereignissen macht, kann man allgemeine Verhaltungsregeln entwerfen, die vielleicht nicht ganz, wohl aber zum Teil zur Ausführung kommen werden. Das ist alles, wozu diese Betrachtungen dienen können. Sie werden immerhin von Nutzen sein, wenn etwas davon sich auf die Verhältnisse im Laufe dieses Feldzuges anwenden läßt.
Im allgemeinen läßt sich erkennen, daß der Wiener Hof in diesem Jahre große Fortschritte in Schlesien machen will. Zu dem Zweck steht Laudon mit 20 000 Mann in Oberschlesien, und immer deutlicher tritt seine Absicht hervor, Neiße zu belagern. Dazu sollen scheinbar auch die Russen beitragen, deren Absicht, Kolberg zu belagern, durch die Errichtung ihrer Magazine sich gleichfalls verrät. Daun denkt, wir müßten uns bei der großen Entfernung entweder für die Russen oder für Laudon entscheiden. Marschieren wir also auf Neiße, so machen sich die Russen im Handumdrehen zu Herren von Pommern. Da Daun überdies einsieht, daß das Fouquésche Korps sich in seiner Stellung nicht mehr lange zu behaupten vermag, hält er 20 000 Mann in der Lausitz bereit, um über Löwenberg in Schlesien einzufallen.
In Sachsen hat er scheinbar alle Stellungen in der Umgegend von Dresden befestigen lassen, um sie mit geringer Truppenzahl halten zu können und bei Beginn
1 Vgl. dazu S. 37 f und 195 f.