<46> Kommandant von Glatz1, hatte eine Besatzung von 5 Bataillonen und alle Kriegsund Lebensbedürfnisse, um eine lange Belagerung zu überstehen. Der Feind hatte seine erste Parallele auf Schwedeldorf an der Neiße gestützt und sie von dort um die Unterstadt und das Schloß weitergeführt. Sie reichte links bis zum Hause des Barons Pilati. Feldzeugmeister Harsch plante einen doppelten Angriff, einmal auf die Unterstadt beim Böhmischen Tor und ferner auf das Schloß beim Feldtor. Kaum waren einige Batterien angelegt, als die Belagerer ihre Gegner bereits von einem Außenwerk vertreiben wollten, dem Fouqué wegen seiner langen Form und seiner schmalen Kehle den Namen „der Kranich“ gegeben hatte2. Das in den Felsen gesprengte Werk brauchte nur verteidigt zu werden, um den Feind wochenlang aufzuhalten. Kaum aber erschienen die Österreicher zum Angriff, so nahmen die Belagerten Reißaus und entflohen aufs schimpflichste. Sie retteten sich in das Festungstor. Der Feind drängte hitzig nach. Die Verteidiger des gedeckten Weges flüchteten, statt auf den Feind zu schießen, über die Brücke in das Ravelin, und im Handgemenge mit ihnen drangen die Österreicher ein. Feldzeugmeister Harsch bemerkte den Vorgang und schickte aus den Laufgräben einige Bataillone zur Unterstützung der Angreifer vor. Kurz, die Österreicher nahmen die Festung, ohne zu wissen wie, und fast ohne Widerstand. Der Kommandant befand sich gerade in der Unterstadt und eilte bei dem Lärm aufs Schloß. Aber es war schon genommen, und da es durch seine Lage die Werke auf dem Schäferberg und in der Unterstadt beherrscht, so blieb den Preußen kein Zufluchtsort zu weiterer Verteidigung. Dies schimpfliche und für die preußischen Waffen entehrende Ereignis war die Folge eines geheimen Einverständnisses, das Laudon von langer Hand mit Hilfe der Jesuiten, der Mönche und des ganzen katholischen Pfaffengelichters angeknüpft hatte. Durch ihre Vermittlung war ihm die Bestechung von Offizieren und vielen Soldaten geglückt. Unter ihnen befand sich auch die Wache an der Stelle, wo Harsch zum Angriff vorging.
Der unglückselige Zwischenfall machte die Lage noch kritischer und verwickelter. Dauns Anmarsch, seine Stellung bei der Dresdener Neustadt, der Mangel an Kriegsbedarf zur Belagerung, all das zwang den König zum Verzicht auf die Eroberung der sächsischen Hauptstadt. Unverzüglich traf er ernstliche Anstalten zum schleunigen Rückmarsch nach Schlesien, um noch schlimmeren Katastrophen als der eben erwähnten womöglich vorzubeugen. Ohne vom Feinde beunruhigt zu werden, verließ der König am 30. den Plauenschen Grund und geleitete Hülsen in sein Lager bei Meißen zurück. Am nächsten Tage (1. August) ging die Armee bei Zehren über die Elbe und nahm Stellung bei Dallwitz.
Nach dem bisher Geschehenen fürchtete Feldmarschall Daun, die Preußen könnten die Belagerung von Dresden wieder aufnehmen, sobald er von dort abrückte. Darum
1 Oberstleutnant Bartholomäus d'O.
2 Nach dem Belagerungsjournal war der Reboute der Name zur Erinnerung an einen in der Nacht vom 25. zum 26. Juni 1760 durch die Wachsamkeit der Besatzung vereitelten Anschlag gegeben worden.