<51> angegriffen worden. Seine Anordnungen auf dem gewählten Gelände waren zwar gut, indes war ein Bleiben zu gefährlich. Mußte er doch stets befürchten, der feindlichen Überzahl zu erliegen. Noch am Abend brach die Armee auf und rückte wieder nach Liegnitz, um in das erst tags zuvor1 verlassene Lager zurückzukehren. Daun hatte von diesem Zuge keine Ahnung und rührte sich nicht. In der Dunkelheit verirrte sich der Prinz von Holstein mit dem linken Kavallerieflügel und geriet in die anderen Marschkolonnen. Erst bei Tagesanbruch konnte man die Ordnung wiederherstellen. Hätte der Feind die Preußen in diesem Augenblick der Verwirrung angegriffen, so wäre der Erfolg ihm sicher gewesen. Aber daran dachte er garnicht. Ruhig gingen die Truppen wieder über die Katzbach zurück, und die Armee kam mit einer lebhaften Kanonade davon, als sie dicht vor den Laudonschen Detachements bei Kossendau und Dohnau vorbeizog. Wenige Stunden, nachdem die preußischen Zelte aufgeschlagen waren, tauchte Daun mit seiner Armee auf, gefolgt vom Beckschen Korps, von Jahnus und Lacy (13. August). Er nahm seine vor zwei Tagen verlassene Stellung wieder ein.
Durch geheime Nachrichten erfuhr der König, daß Tschernyschew mit 20 000 Russen bei Auras über die Oder gegangen sei2. Die Österreicher warteten nur auf die Vereinigung mit ihm, um die Preußen dann zu erdrücken. Daun hatte übergenug Truppen. Nicht an Mannschaften fehlte es ihm also, wohl aber an dem Talent, sie schnell und im richtigen Augenblick zu verwenden.
Die Lage des Königs war verzweifelt: Brot und Zwieback reichten nur noch für drei Tage aus, auch waren die 2 000 Proviant und Munitionswagen eine große Last und hielten den Marsch furchtbar auf. Man mußte sich ihrer entledigen, um sich mit größerer Leichtigkeit bewegen zu können. Bei Liegnitz vermochte sich der König nicht länger zu halten; denn sein rechter Flügel hatte bei Schimmelwitz keine gute Anlehnung und konnte dort ungehindert umgangen werden. Der König mußte also bei Liegnitz wieder über die Katzbach gehen, die überflüssigen Wagen nach Glogau schicken, Lebensmittel von dort beziehen und dann zu weiterem Vordringen diesseits oder jenseits der Oder nach Parchwitz marschieren. Denn die Vereinigung mit Prinz Heinrich mußte er unbedingt erreichen, da beide Korps, wenn sie getrennt blieben, gegen die Russen und Österreicher zu schwach zum Widerstand waren und man bei längerem Aufschub befürchten mußte, daß sie beide erdrückt würden. Dann aber war alles rettungslos verloren.
Wenn sich zwei Feinde jahrelang hintereinander bekriegen, lernen sie ihre gegenseitige Denk- und Handlungsweise so genau kennen, daß sie im voraus einer des anderen Absichten erraten. Der Plan der Österreicher ging damals bestimmt dahin, den König anzugreifen. Auch war aus der Stellung der feindlichen Korps zu ersehen, daß Lacy zur Umgehung des rechten preußischen Flügels bestimmt war. Daun
1 Vielmehr schon in der Nacht zum 11. August.
2 Der Oderübergang der Russen erfolgte in der Nacht zum 14. August 1760.