<56> Kosaken zu decken. Konnten die Kosaken doch von ihrer Stellung bei Leubus aus die Oder bei dem niedrigen Wasserstand in mehreren Furten überschreiten. Endlich bildete Zieten die Nachhut mit allen Truppen, die nicht am Kampfe teilgenommen hatten.

Unterwegs stieß der König bald auf Nauendorf. Er hatte sich bei Möttig aufgestellt, zog sich aber auf einige Kanonenschüsse hin zurück. Auf dem Marsche bemerkten die preußischen Husaren eine feindliche Gepäckkolonne mit schwacher Bedeckung, fielen sie an und machten beträchtliche Beute. Nach Aussage der Gefangenen gehörte die Bagage zum Korps des Fürsten Löwenstein und des Generals Beck. Das Korps war in vollem Anmarsch auf Neumarkt, um sich dort mit den Russen zu vereinigen. Außerdem erblickte man etwa eine Dreiviertelmeile rechts von den Preußen die Marschkolonnen der ganzen Daunschen Armee. Doch war es nicht klar, ob sie nach Neumarkt, Canth oder Schweidnitz rückten. Dies war vielleicht der kritischste und gefährlichste Augenblick des ganzen Feldzuges. Die Armee hatte nur noch für einen Tag Brot. Hinderten die Russen die Verproviantierung aus Breslau und Daun die aus Schweidnitz, so war der eben errungene Sieg nutzlos. Denn wie sollte man sich bei gleichzeitiger Bewachung von 6 000 Gefangenen und 1 100 Verwundeten mit dem Feinde schlagen? Wie schrecklich wäre es aber erst gewesen, sich wieder nach Glogau zurückziehen zu müssen! Als jedoch die Spitzen der Kolonnen Blumerode erreicht hatten, stieß der König mit einigen Husaren vor und schlich sich durch den Wald so nahe an Neumarkt heran, daß er feststellen konnte, daß jenseits des Ortes weder ein Lager noch Truppen zu sehen waren. Nun sandte er einen Offizier auf Kundschaft aus. Er kam bald zurück, in Begleitung eines österreichischen Oberstleutnants, den er in Neumarkt selbst gefangen genommen hatte. In der Verzweiflung über seine Gefangennahme sagte der Offizier alles aus, was er wußte. Dadurch wollte er beweisen, daß er an seinem Unglück keine Schuld trug. Er schalt auf die Russen und sagte, er hätte einen Auftrag an Tschernyschew gehabt, hätte ihn aber nicht mehr aufgefunden. Ja, sogar die Oderbrücke wäre abgebrochen gewesen, sodaß er nicht einmal über den Fluß hätte kommen können. Diese Nachricht zerstreute alle Besorgnisse, und ruhig bezog die Armee ihr Lager bei Neumarkt. Da nun die Verbindung mit Breslau wieder frei war, so war auch die Versorgung mit Lebensmitteln gesichert. Auch konnte man den Truppen einige Ruhe gönnen. Waren sie doch seit neun Tagen in ständiger Bewegung gewesen und hatten mit heldenmütiger Standhaftigkeit die verschiedensten Anforderungen erfüllt, die größten Beschwerden ertragen und alle Schwierigkeiten siegreich überwunden.

Der vom König mit dem Brief an Prinz Heinrich abgesandte Bauer hatte sich seines Auftrags trefflich entledigt. Kaum hatte Tschernyschew das Schreiben gelesen, so ging er noch am gleichen Abend über die Oder zurück und eilte blitzschnell zur Vereinigung mit Ssaltykow, voller Furcht, schon zu spät zu kommen1.


1 Auf die Meldung von der Ankunft des Königs bei Parchwitz hatte Tschernyschew sofort Befehl zur Rückkehr erhalten und war noch am 15. August über die Ober zurückgegangen.